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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0226
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2300 * **

Die Conciergerie.

Dankon, Camille Drsmoulins, Philipprau, Larroix» Heraulk.

(Im Hintergrund der Schließer.)

Danton. Du bist jetzt ruhig, Fabre.

Eine Stimme (von innen). Am Sterben.

Danton. Weißt du auch, was wir jetzt machen werden?

Stimme. Nun?

Danton. Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht hast -
des vers. *

Camille (für sich). Der Wahnsinn saß hinter ihren Augen?* Es sind
schon mehr Leute wahnsinnig geworden, das ist der Lauf der Welt. Was
können wir dazu? Wir waschen unsere Hände. Es ist auch besser so.

Hörault. Ja, wenn sich gerade ein Simson für unsere Kinn-
backen findet.

Danton. Sie sind Kainsbrüder.

Lacroix. Nichts beweist mehr, daß Robespierre ein Nero ist,
als der Umstand, daß er gegen Camille nie freundlicher war, als zwei
Tage vor dessen Verhaftung. Ist es nicht so, Camille?

Camille. Meinetwegen, was geht das mich an? — Wir sich.)
Was sie aus dem Wahnsinn für ein reizendes Ding gemacht hat.
Warum muß ich jetzt fort? Wir hätten zusammen mit ihm gelacht,
es gewiegt und geküßt.

Danton. Wenn einmal die Geschichte ihre Grüfte öffnet, kann
der Despotismus noch inuner an dem Duft unserer Leichen ersticken.

Herault. Wir stanken bei Lebzeiten schon hinlänglich. Das

Danton. Ich lasse Alles in einer schrecklichen Verwirrung.
Keiner versteht das Regieren. Es könnte vielleicht noch gehen, wenn
ich Robespierre meine Huren und Couthon meine Waden hinterließe.

Lacroix. Wir hätten die Freiheit zur Hure gemacht!

Danton. Was wär' es auch! Die Freiheit und eine Hure sind
die kosmopolitischsten Dinge unter der Sonne. Sie wird sich jetzt
anständig im Ehebett des Advokaten von Arras prostituiren. Aber
ich denke, sie wird die Klytemnestra gegen ihn spielen; ich lasse ihm
keine sechs Monate Frist, ich ziehe ihn mit mir.

Camille (siir sich). Der Himmel verhelf' ihr zu einer behaglichen
fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche man die gesunde
Vernunft tauft, sind unerträglich langweilig.-

Lacroix. Die Esel werden schreien: es lebe die Republik, wenn
wir Vorbeigehen.

Danton. Was liegt daran? Die Sündfluth der Revolution
mag unsere Leichen absetzen, wo sie will, mit unfern fossilen Knochen
wird man noch immer allen.die Schädel Anschlägen können.

* Ein Wortspiel; des vers heißt Verse und auch Würmer.

** Camille Desmoulins meint seine Frau Lueile, die aus Schmerz über die Trennung
von ihrem Gatten wahnsinnig geworden sein soll.

sind Phrasen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton, uns gehen sie
eigentlich nichts an.

Camille. Er zieht ein Gesicht, als solle er versteinern und von
der Nachwelt als Antike ausgegraben werden. — Das verlohnt sich
auch der Mühe, Mäulchen zu machen und Roth aufzulegen und mit
einem guten Accent zu sprechen; wir sollten einmal die Masken ab-
uehnien, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall
nur den einen uralten, zahnlosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts
mehr, nichts weniger. Die Unterschiede sind so groß nicht, wir Alle
sind Schurken und Engel, Dummköpfe und Genies, und zwar das
Alles in Einem; die vier Dinge finden Platz genug in dem nämlichen
Körper, sie sind nicht so breit, als man sich einbildet. Schlafen, Ver-
dauen, Kinder zeugen — das treiben Alle; die übrigen Dinge sind
nur Variationen aus verschiedenen Tonarten über das nämliche Thema.
Da braucht man sich auf die Zehen zu stellen und Gesichter zu schneiden,
da braucht man sich vor einander zu geniren! Wir haben uns Alle
am nämlichen Tische krank gegessen und haben Leibgrimmen, was
haltet ihr euch die Servietten vor das Gesicht? Schreit nur und
greint, wie es euch ankommt. Schneidet nur keine so tugendhaften
und so witzigen und so heroischen und so genialen Grimassen, wir
kennen uns ja einander, spart euch die Mühe.

Die Dantonisten im Gefängniß.
 
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