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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0231
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2305

Lurians „Todlen-Gespräche!' *

Nach einem neu aufoefunbenen Bruchstück für ben „Wahren Jacob" überfetzt von
Dr. Ssliriru«.

I» der Vorhalle des Hades.

Das Nichterkolleamm ber Unterwelt. Minos, AeatnS unb RhabamanthyS, im Ornat.
Merkur kommt.

Minos tSerichtsprästbent): Was giebts, Merkur?

Merkur: Ich brachte zwei Passagiere.

Minos: Wo sind sie?

Merkur: Ich mußte sie bei Charon im Nachen zurücklassen, weil
sie in der Oberivelt zu Strafen vernrtheiit wurden, aber gestorben sind,
bevor sie dieselben abgebüßt. Nach den Gesehen des Hades müssen sie

hier unten gerichtet werden, bevor sic in Proserpinas Reich einaehen dürfen.
Soll ich sie vorführen?

Minos: Was haben sie denn verbrochen?

Merkur: Der eine, ein Volkstribun, hat einen Plebejer beschützt,
der von einent betrunkenen Centurio barbarisch mißhandelt wurde. Dabei
trat er den: Centurio unversehens aus ein Hühnerauge. Dafür ward er
zu einem Jahr schweren Kerkers verurtheilt. Der andere, ein Patrizier,
hat das Weib seines Gastfreundes verführt und diesen dann im Zwei-
kampf ermordet. Er wurde zu drei Tagen Stubenarrest verurtheilt.
Minos: Umgekehrt wird cs sein. Du hast dich wohl.versprochen, Merkur.
Merkur: Nein. :n

Minos

Es ist wie ich sagte.

(nachdem er bei, Merkur scharf angesehen, zum Gerichtsbiener): Führe

s, -' ‘ rr de» M

sofort dm Aeskulap hierücr

(Gerichtsbiener geht ab'

und kommt bald darauf mit dem Genannten.)

Boten da» ^.'...^Epriesener Heilkünstler, der Gerichtshof bittet dich, den
. Dotter auf seinen Geisteszustand zu untersuchen,
a, - 'UTap (untersucht Merkur): Ich finde nichts Auffallendes an seinem

^ TO • cl®vc seinen Geist für normal,
ab n s Ino§ (zu suierEur): So bringe die beiden Schatten hierher. (Merkur
" Eommt mit den beiben zurück. Sie Beftätigeu bie Aussage beä Merkur.)

in g Minos: Nun, Ivenn es wirklich so ist, dann sind unsere Kollegen
er Oberwelt verrückt geworden.

f , ®er Volkstribun: O nein, ihr Richter, verrückt sind sie nicht,

s_^oern . . . . . (Hier bricht leiber bas Manuskript ab.)

' Berühmtes satirisches Werk bes „antiken Voltairs" Lucian (LukianoS) aus Samo-
iaia m Syrien, im 2. Jahrh. n. Chr.

s' Hodelsxäl;nr.

Von der Pariser Begeisterung war
Auf's Höchste überrascht der Zar.

Er sprach: Wie ist das möglich nur,

Wo doch von Wuttky keine Spur?

Es gießt auch wenig bayrisch Bier
Und keine preußischen Schnäpse hier —

So sollte also Frankreichs Wein
Noch stärker als der Wuttky sein?

Die Agrarier wollen sich die „grüne Inter-
nationale" nennen, weil sie unter ihren Ver-
tretern recht viele Krautjunker haben; man nennt
sie aber auch die blaue Internationale, iveil sic
ins Blaue hinein wirthschaften, und endlich wäre in Anbetracht des
Neides, mit bem sie auf die Errungenschaften der Industrie sehen, der
Ausdruck „gelbe Internationale" nicht unpassend.

Der Zar zog heim lind sein Spitzelhcer
Verlies; unsre Grenzeil schon,

Europas Westen bedarf nunmehr
Einer gründlichen Desinfektion.

Man kann den Nationalliberalen wenigstens die Tugend der Selbst-
kenntniß nicht absprechen; sie wissen, daß sie auf den Hund gekommen
sind, also ins Thierreich gehören, denn sie hielten das Festessen ihres
Kongresses im zoologischen Garten ab.

Daß Deutschland Mangel leiden muß
An Freiheitsrechten, läßt sich nicht verhehlen,

Dagegen hat es Ueberfluß
An pensionirten Generälen.

Die thörichten Leute fabeln, daß im Berliner Schlosse sich die weiße
Frau ivieder zeigt, was stets ein Unglück im Gefolge haben soll. Die
weiße Frau existirt gar nicht mehr, sie hat ihr Amt längst an Lukaiius
abgetreten. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

sichtigt durch mißgünstige Nörgleraugen,
und frei zu ergießen. Ein Rettuilgsmerk^
zu vollbringen, einen Mitmenschen, ein We
Zufallsspiele der Weltstadt zu entreißen, v
dräuenden, wenn auch mit Rosen bekränzt
gründen hinweg zu retten.

Auf den Rheinwein der Burgunder, dei
Freund der Betrübten, und dann in si>
Eiskübeln der französische Champagner!
wohl that mir der perlende, prickelnde, err
Alles bewegende Sohn der Champagne, die
der Weine.

Selige Stunden, die schneller verfloss
Sekunden, unbeschreibliche Freuden, die
Nerv Mitschwingen lassen. Das Nettun
gelang und das befriedigte ethische Bem
hob mich in den siebenten Himmel, den e
Raum, der ivürdig war der theurcn Ger
meines Schützlings Alice.

Mein Erwachen >var schrecklich. Es war mir,
als hörte ich ein Klopfen. Ich fahre ans meinem
Schlummer auf und bin allein. Alice?? Niemand
hört, niemand antwortet. Da klopft es nochmals
einmal, zweimal, drcintal, die Thür fliegt auf und
vor mir steht ein Herr in steifer, militärischer
Haltung.

"Haben wir den Schnapphahn endlich erivischt!"

er, „dst Schnapphcnue ist scheint's ausge-

l gen. Auf zjxheu Sie sich an, der grüne Anton
wartet."

Ich blickte scheu auf und zitterte.
reden, soll ich schweigen. Ich, der erste
nehmer des Bezirks, Stadtverordneter, Kirc
sicher, Delegirter zum nationalliberalcn Pa
sistirt, offenbar für einen Hochstapler g>
„Kein Widerstand", schnauzte der Kriminal
herein traten zwei stämmige Kerle und zogci

schelleli aus der Tasche. „Sie sind der seit zwei
Jahren steckbrieflich verfolgte Jeremias Nothhelfer,
geboren zu Schnappelswciler am 10. Juni 1849,
Flickschneider Ihres Zeichens, seit Jahren aber
Falschspieler, Taschendieb und „Freund" von Pro-
stituirten, mit denen Sie gemeinsam „arbeiten".
Wir kennen Sie, das Signalement stimmt aufs
! Haar. Ich verfolge Sie seit Ihrer Ankunft in
Berlin. Sie waren mit der rothen Jule im Wein-
restaurant."

Schweigend, todtenblaß kleidete ich mich an.
Ich zwang mich zum Aeußersten, griff in die Brust-
tasche, wo das Portefeuille mit den Legitimations-
papicren, mit dem Mandate, mit dem Papier-
gelde steckte, ich wollte mich legitimiren.-

Alles war fort ... mit „Alice" ...! Als ich bat
und bettelte, meinen Namen nannte, schluchzte,
goldne Berge versprach, lachte das Polizistentrio
teuflisch. „Die Kniffe kennen wir, fauler Zauber!
Ihr seid ein schwerer Junge, habt schon lange in
Moabit gesessen. Vorwärts, marsch!"

Draußen schlug es zehn, die Konferenz wurde
jetzt eröffnet. Mechanisch fasse ich nach der Uhr.
Auch sie samitit der Kette ruid dem Trauringe sind
mit meiner „Geretteten" auf und davon.

Grüner Wagen, Alexanderplatz, vorläufige Ver-
nehmung, Haftzelle, Rumfutsch! Ich tobe, flehe,
verlange einen Anwalt. Und der Delegirtcntag!

Am Montag werde ich dem Untersuchungs-
richter vorgcführt, im Leinwandkittel, unrasirt, ein
Bild des Jammers! Er fixirt mich, winkt dem
Schreiber, daß er aus der Kanzlei ein Aktenstück
hole, und ich erkenne meinen Korpsbrnder von 1869,
den flotten M. Er rekognoszirte mich, und ich
wurde endlich entlassen.

Zerknirscht, todtmüde, mit schlotternden Knieen
gehe ich; M. half mir mit zwanzig Mark aus.
Ich bitte Dich, mir sofort einen Check zu senden
und bei unserem Juwelier einen Trauring und

eine Uhr zu besorgen. Der Ring soll abgenützt
aussehen.

Wie bin ich auf dem Dclegirtentage vermißt
worden! Was soll ich unseren Leuten sagen? Muth!
Hier brauchts die eiserne Stirne.

Ach! und der Kopf breimt, in den Ohren klingt
der helle Ton der Sektkelche, und vor mir schwebt,
ein täuschendes Spiegelbild, Alice ...

D°in Sittcnbold.

Dxr Bärgrrmerstrr von Meerane.

Le sein in vielen unsrer Bundesschtaaden
(Ich nehme da sogar nich Brechen aus)

Zu milde mid den Lohziahldemograden
Un gehren nich genug das Rauhe raus.

In Gegensatz zu diesem äußerst laxen
Verfahren, das uns anderwärts bedriebd,

Hat man im Muster-Geenigreichs Lachsen
Lchdeds änne große Dapfergeed geihbd.

Hier machen se de Lache schdramm un richdig.
Denn de Beheerden sein Lie nämlich dichdig;
6>b se nun geeniglich, ob gommunal.

Das is in diesen Kalle sehr egal.

Besondersch awmer is de reene Lahne
Ter Bärgermeester in der Lchdadt Meerane,
Der gärzlich Bebein, der ja fehre rohd.

Das effendliche Reden gans verbohd.

Hier genn se lern, die andern Zibbelmitzen,
was da zu duhn is, wenn de Rohden schrei»,
wie da de heilge Vrdnung is zu fchditzen,
wie de Gesetze auszu egen sein.

Le wer» gurird von ihrem alden Wahne
Durch dich, o Bärgermeester von Meerane,
Der du in Gämse mit der Rohden List
De reenste, hellste, scheenste Berle bist!
 
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