Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0241
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2315

„Exzellenz geruhen Sich wohl zu befinden?"

„Machen Sie keine Umstände mit Titulirungen; ich bin nicht Philo-
sophieprofessor in Heidelberg. Im klebrigen geht es mir leidlich, abgesehen
von einem chronischen Katarrh sämmtlicher Schleimhäute."

„Offen gestanden — auch ich wunderte mich über die hier herrschende
niedere Temperatur. Könnten Sie mir vielleicht Gründe ...?"

„Na und ob! «seitdem auf höhere Anordnung das schöne Ver-
mittluugsbureau des Fegefeuers in Kraft getreten ist, müssen mir zwei
Drittel unserer Wärnre dahin abgeben. Sie glauben nicht, wie viel Gluth
nöthig ist, unr solch' vermaledeite Sünder auch nur wachsweich zu kriegen."

„Ich kann es mir denken; braucht ja schon ein unschuldiges Hühnerei zu
dieser Transsubstantiation kochendes Wasser.... Wollen Sie mir, gnädige
Frau, einige Fragen gestatten: Was halten Sie vom Absolutismus?"

„Ein wundervolles Institut! liefert uns die überwiegende Mehrzahl
unserer Unterthanen, zumal in der halbverhüllten Form."

„Und sein Spezialfall, die Unfehlbarkeit?"

"Ast geradezu die Grundbedingung allgemeiner Fehlbarkeit. Erfindung
meines werthen Enkels; in allen Ländern patentirt. Liefert hohe Prozente."

„Wie denken Sie über friedliche Reformen a superiori?"

„Nun, Sie haben ja das schöne Sprichwort: Der Weg zur Hölle
ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Immer drauf los mit Reformen —
eine frißt die andere! Vorgclescn, genehnugt und unterschrieben!"

„Wie stellen Sie sich zur Frauenfrage?"

„Abwarten und Thee trinken, lieber Herr. Vorläufig besinne ich
wich auf Variationen über das Thema: Junge Huren, alte Betschwestern."

„Ist Ihnen der Vegetarisnms sympathisch?"

„Darüber zu urtheileu sind wir hier unten nicht kompetent. Die Grütze,
die zu uns kommt, ist weiter nicht mehr verwendbar. Der Ueberschuß an
Stroh kann doch nicht wohl als vegetabilische Substanz in Betracht kom-
wen.... Aber entschuldigen Sie, meine Zeit ist uni, leben Sie so miserabel
wie möglich, dann werde ich ja bald wieder das Vergnügen haben ... ."

Ein Kopfnicken, ein Rauschen und die Dame war mit Hinterlassung
eines bedenklichen Parfüms vcrschivundcn.

Ich erhob inich und wurde von Herrn Bitru bis zum Portal geleitet.

Meine Beinkleider hatten, wie sich nachher herausstellte, durch den
Besuch nicht unbedeutend gelitten. Ich bin darum umsomehr bereit, sie
an den Reichstagsabgeordneten Lieber zur Steuer der Wahrheit und zum
Selbstkostenpreis abzugeben. vr. o.

Äus der Makekenkifle.

Ganz Frankreich vor dem Zaren kroch,
Den Bismarck that's frappiren.

Er sagte: Wär' ich Kanzler noch,
Wie wollt' ich konkurriren.

lind einen Brief aus frühster Zeit
Er fand, worin zu lesen,

Wie einst der Bismarck dienstbereit
Rußlands Lakai gewesen.

Den Brief ließ drucken er sogleich,

Es sollte die Welt erfahren:

„Auch ich, als Kanzler vom Deutschen Reich,
Auch ich kroch vor dem Zaren."

& Hobrlspähne.

Es ist in diesem feuchten Jahr
Der Wein nicht gut gerathen,

Drob ist man unzufrieden sehr
Ain Rhein, in Schwaben und Baden.

In Sachsen und in Preußen theilt
Mau diese Sorge nimmer,

Denn wisset, der Kartoffelschnaps
Gerieth auch Heuer wie immer.

Höflichkeit ist eine schöne Tugend, dachte der
Zar, da ging er nach Darmstadt und gratulirte
den hessischen Sozialdemokraten zu ihren Wahl-
erfolgen. . , «

Das Jammern über die unglücklichen Armenier finde ich ganz über-
flüssig, so lange in Deutschland die Steuerzahler von sogenannten Lieute-
nants massakrirt werden können.

Da sagt man immer, die Arbeiter verständen nichts von Kunst.
Als ob es nicht allein schon eine Kunst wäre, mit den üblichen Hunger-
löhnen seine Familie zu ernähren.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

webcngleich überzogen, aus dem Flieder lockte die
Nachtigall, und ich schritt um das Bosket, wo
das Paar jn trautem Bunde träumte, ein ver-
schwiegener Hüter. Die Monde kamen und gingen,
, Da, ^ ,rar ein klingend kalter Winterabend,
!?er Schnee lag fußhoch und der Ostivind pfiff,
mni das Mädchen zu meinem Herrn. Verstört
war ihr Blick, die Locken hingen ihr wirr in die
bleiche Stirne, sie schluchzte. Hilfe sollte der
8reund ihr gewähren, stützen sollte er sie: sie
hatte ihm Alles geopfert. Als sie aber für sich
und das Wesen, das ihr unterm Herzen sich regte,
bat und flehte, da blieb er kalt wie die Winter-
uacht und rief: „Ich Dich heirathcn? Meine
Standesehre verbietet mir das; Du bist nur ein

armes Bürgermädchen!"

Und sie wankte hinaus, und mich trieb die
Angst hinter ihr her. Sie lief, lief^bis sie athem-
los an der Strombrückc war. Ein Satz, ein Schrei
und die Fluchen schließen sich über ihr. Ich aber
rannte verzweifelt am Ufer auf und ab, die Flocken
fielen und halb erstarrt trottete ich endlich heim.

Die Arme aber, die in den Fluthen geendet,
hatte einen Bruder; der forschte und fragte, bis
er der Schwester Schicksal erkundet. Es war ein
schlichter Wcrkmann; im Lärm der Fabrik, mitten
UN Getriebe der Räder und Werkzeuge bewegte ihn
°er Gedanke, daß er Annas, der Schwester, Tod
ru sühnen habe.

Der von Düsewitz aber hatte sich mit der
Achter eines reichen Bankiers verlobt und ein
huschendes Fest folgte dem anderen. Wie zärtlich
er zu der jungen Braut! Sie saßen im
^-alon, ich lag zusammcngeknäuelt auf dem Teppich
a>» Schreibtisch. „Geliebter", flüsterte sie, „Du
w>t mir doch auch stets treu." Und er schwor
lausend Schwüre, und sie legte ihr blondes Köpfchen
zärtlich an seine Schulter. Dann ging er.

^ Er ging zum Stelldichein mit einer Anderen.

der Abenddämmerung wollte er sie treffen, da
w° der Fluß unter der Strombrücke seine Wogen

dahinwälzt. Da steht vor ihm, finster, entschlossen,
ein Mann und faßt ihn an der Brust. Der Offi-
zier reißt den Säbel aus der Scheide. Doch es
ist zu spät, sein Gegner schlägt ihn mit den Worten
nieder: „Stirb, Verderber meiner Schwester!"
Die Wasser rauschen, im Grase liegt der stolze
Junker, umwittert von den Schatten des Todes.

Der Rächer aber schreitet erhobenen Hauptes
der Stadt zu und stellt sich dem Gericht."

So erzählte der Pudel Schnapp!, und athcm-
los lauschte die ganze Pudelfamilie.

Skurmbrschwörung.

^Äenn die Brise kommt, wenn die Möge steigt,
MenndasZchiffaufbäumtundsichseitwärtsneigt:
Dann mit „Richtung! Stillgestanden!"
Wappnen wir den Ariegermuth,

Und an unferni kalten Blut
Wird der freche Wind zu Schanden.

Wenn der wilde Sturm übers Master fegt.
Wenn das Schiff sich schwer auf die Seite legt:
Dann marschiren wir im strammen
Stechschritt munter auf und ab,

Und auf „Halt!" da schlagen, klapp!

Alle Hacken fest zusammen.

Wird das Schiff der Wuth des Vrkans ein Spiel,
Und das Master strömt durch den lecken Mel:
Bon der Lüfte Heer umschrieen
Und umkracht vom Sturz der Raa,

Rufen dreimal „Hoch! Hurrah!"

Wir mit durchgedrückten Unieen.

Wenn das morsche Wrack mit den Wirbeln ringt.
Wenn das Wasser uns an die Uehle dringt:
Trotzend den Aaturgewalten
Singen wir das Aegirlied,

Und dann heitzt's: „Im zweiten Glied
Ukaul auf, Uerls, und Takt gehalten!" A

Zur spanischen Anleihe.

Jn dem schönen Lande Spanien,

Wo Kastanienbäume rauschen,

Wo die schweren Trauben reifen
Und das Volk von Zwiebeln lebt,

Wandeln stolz erhobuen Hauptes
Jn blaublüt'gen Hochgefühlen,

Von der Arbeit nie gequält,
Weltverachteud die Hidalgos.

Sind beivußt sich ihres Ruhmes,

Denn es haben ihre Ahnen
Einst der Mauren viel genictzelt
Und der Ketzer viel verbrannt;

Haben ganz Amerika
Und Europa ausgeplündert,

Und wo sie nur hiugetreten,

Wuchs nicht einmal mehr das Gras.

Wie gewonnen, so zerronnen
Ist der ungeheure Reichthum,

Und von Rothschild möcht' man pumpen
Heute blankes, baares Geld.

Vorsicht ist der Weisheit Mutter,

Denkt der große Anischel Rothschild;
Tiefbetrübt mit leeren Beuteln
Zogen heivt die edlen Spanier.

So geh n alle Herrlichkeiten
Ueberraschend schnell zum Teufel,
Spaniens Plötze, Kanitz, Mirbachs —
Für die Börse sind es Lumpen!

„Die Katze hat sieben Leben", sagt ein
schwäbisches Sprichwort; wenn man glaubt, sie
todtgeschlagen zu haben, ist sie gleich darauf wieder
lebendig, frisch und gesund. Vermuthlich wurde
deshalb der verflossene Parteitag der Sozialdemo-
kratie, die ja auch schon so oft todtgeschlagen wurde,
in Sieblcben abgehalteu.
 
Annotationen