Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0251
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2323 - -

Gericht und Polizei im westlichsten Rußland.

Vor einiger Zeit hatte ein französisches Blatt die Mittheilung ge-
bracht, daß der Zar ein leidenschaftlicher Ccllospieler sei. Ein Einwohner
von Z. hatte darauf im Familienkreise die Bemerkung gemacht, daß der
Zar seines Wissens überhaupt nicht Cello spiele. Das Gericht erblickte
in der Insinuation, daß der Zar irgend etwas nicht könne, eine Majestäts-
bclcidigung und oerurtheilte den Angeklagten zri drei Jahren Gefängnis;.
* * *

Der Rittmeister v. E. hatte dem Ingenieur M. durch einen Säbel-
hieb den Schädel gespalten, weil er den in der Garderobe des J'schen
Restaurants hängenden Mantel des Rittnieisters berührt hatte, ohne sich
zu entschuldigen. Das Kriegsgericht hatte den Rittincister zu zwei Monaten
Festung verurtheilt, welche Strafe aber der Zar auf dem Gnadenwege in
eine Stunde Spazierenfahren bei gutem Wetter umwandelte.

In L. kam die Polizei verschiedenen Individuen ans die Spur, die
Visitenkarten benutzten, welche weder eine Angabe über den Druckort
noch den Namen des verantwortlichen Herausgebers enthielten. Es ist
bcr angespannten Thätigkeit der Polizei zu danken, daß sie bereits 748
solcher Subjekte aufgestöbert hat. Die Angelegenheit dürfte noch immer
weitere Kreise ziehen und zu zahlreichen Massenprozessen Anlaß geben.

Dem Schutzmann R., der zu achtzehn Monaten Zuchthaus ver-
"vthcilt worden war, ist diese Strafe in Gnaden erlassen worden, weil
er wiederholt Sozialisten in der Gcfängnißzelle mißhandelt und Geständ-
wsse oder @eib oon ihnen zu erpressen gesucht hatte. dlntas.

An die Vlnstrothon.

Was ohne Licht eine Laterne,
Was ohne Wasser eine Zisterne,
Was ohne Wein eine Flasche,
Was ohne Geld eine Tasche,
Was ein leerer Antoniat,

Was ein Acker ohne Saat,

Was ohne Früchte ein Baum,

Was ohne Pferd Sattel und Zaum,
Was Reime ohne Poesie:

Ist ohne Sozialismus die Denwkratie.

Hodrlspähne.

Dem Hänschen hat im Amte
Das unrecht' Gut behagt,

Drum ward mit Schimpf und Schande
Er aus dem Anit gejagt.

Nun weint, ihr Patrioten!

Des grrroßen Bismarcks Ruhm
Verfocht noch selten Einer
So frech, wie Hänschen Blum.

Der Hausschreiner im Auswärtigen Amt theilt
mir soeben mit, daß nach der neuen Militär-
Strafprozeßordnung Körperverletzungen und Sach-
beschädigungen, wenn sie von aktiven Militärpersoncu an Zivilisten be-
gangen werden, straflos sein sollen. Falls sich Zivilisten etiva widersetzen
sollten, so ist gegen sie das Verfahren wegen Landesfriedensbruchs ein-
zuleitcn. » »

Der wahre Haberermeister
Allein der Bismarck bleibt,

Der deutschen Reichsregiernng
Er lustig 's Haberfeld treibt.

Beim Finanzministcr Miguel, der sechzig Millionen Mark Ueberschüsse
im Geivahrsam hat, wurde ein Einbrnchsversuch gemacht. Die Spuren
der Einbrecher konnte man bis zum Marincministerium verfolgen. - Am
Thatorte wurde ein alter Schiffsschraubenzieher und ein Kalfatcrquast
gefunden. « *

Schiller ist zwar kein moderner, dafür aber ein großer Dichter. Jeden-
falls hatte er eine Ahnung von dein Denunzianten- und Spitzelthum unserer
Zeit, als er dichtete: „Nehmet Holz vom Fichtenstamme."

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.


alten Rheder starben, den Erben verdroß der
Eigenwille des Kapitäns, und er entließ ihn. Der
Groll in des Alten Busen schwoll immer höher,
^ et, der aller schwarzen Künste kundig war,
fafete sich schnell.

Die siebengescheidten Leute, die nicht an Zauber-
est und Hexerei glauben, werden darüber die
^mse rümpfen. Aber ich hab's mit eigenen Augen
besehen, und das gilt mehr. Der abgemeierte
^chiffskapitän war ein Hexenmeister und wandelte
sich in einen Klabautermann. Er verstand sich ja
sein Lebenlang aufs Klabautern, aufs Lärmen.
^ Er fuhr also in dieser Gestalt auf unser
stchiff, hockte verstohlen, nur den Sonntagskindern
sichtbar, an der Ankerwinde und stiftete Unheil,
War unsere Fahrtrichtung einmal gut, wupps,
verwirrte er den: Steuermann die Sinne und
Zeichnete ihm das krauseste Zeug in die Schiffs-
karte. Er verrückte ihm den Lauf der Gestirne,
er verdrehte den Kompaß, und statt in den Hafen
trieb er ins Uferlose. Wenn der Kapitän aus
t'er Kommandobrücke stand, blies er ihm falsche
Komniandoivortc ein, daß es im Schiffsraunie
drunter und drüber ging.

Auch unter der Mannschaft spukte er. Doch
die Mehrzahl kehrte sich nicht an den heimlichen
Rauner: sic hatten ihre eigenen Gedanken, und
wenn sie unten allein saßen, redeten sie von
Freiheit und Gleichheit und allgemeiner Wohl-
whrt. Die schmucken Jungen gefielen mir sehr,
"d es Hut auf mich ein wenig von ihnen abgefärbt.

Wir schlingerten eines Tages so durch die
^"sserwüste; Klabautermann hatte seinen tollsten
. n9- Die Bosheit fraß ihn: an der Leber, er war
ganz gelb geworden vor Galle. Und als

drei Firmeninhaber in ihrer Kajüte znsammen-
^ »e» und ihre Bündnißtreue unter einander
'°°ten, da polterte es an der Thüre. Eine Sturz-
stUe schlug durch die Luke, und auf den Tisch
lstg, von unsichtbarer Hand geschleudert, ein
"Pergament mit großem Siegel. Darein war zu

lesen, daß der frühere Schiffsführer im Ein-
verständnisse mit seines letzten Chefs Großvater
insgeheim hinter dem Rücken der zwei Kompagnons
einen Geheimbund mit den: Hanptvertreter der
Konkurrenzfirma, dem russischen Großhändler,
abgeschlossen hatte. Dieser Versicherungsvertrag
aber richtete sich gegen die eigenen Kompagnons
zu Nutz und Frommen der Versicherungsnehmer.
Die überraschten Kompagnons lasen, lasen, lasen.
Ihre Gesichter wurden länger und langer. Sie
stießen sich unterm Tische mit den Füßen an
und gingen verschnupft und ärgerlich eine Weile
vor die Thüre. Draußen rollten die Wogen an
die Schiffswände, daß der ganze Bau schwankte und
die Gläser auf den: Kajütentische Polka tanzten.

Auf dem Takelwerke aber hopste Klabauter-
mann und übcrschlng sich vor Freude. Er klopfte
mit dem Hammer auf die Spieren, daß die
Splitter flogen, grinste von einem Ohr zum
andern und lachte...."

„Warum hat man den Klabautermann nicht
ergriffen und in Eisen gelegt?" fragte Jochen.

„Döskopp, der Klabautermann versteht eben
zu hexen. Ehe ihn Einer erwischt, verwandelt er
sich in einen Fuchs, eine Katze, eine Brummfliege,
einen Haifisch. Der ist nicht zu fassen."

„Und was ist denn aus dem Dreimaster ge-
worden?" warf Jochen wiederum ein.

„Du bist aber hellschens neugierig," erwiderte
Hindrik. „Das Schiff fährt heute noch und auch
der Klabautermann ist immer noch thütig."

„Aber wie steht es denn mit den Kom-
pagnons?" drängte der Schiffsjunge.

„Ach was, ein Schafskopp kann mehr fragen,
als ein Reichskanzler zu beantworten im Stande
ist." Also sprach Hindrik, trank den Rest seines
Grogs, klopfte das Pfeifchen aus, strich deni
Schiffsjungen Jochen über die semmelblonden
Haare und schob zur Kambüse hinaus, die Racht-
wache zu beginnen.

iTler läbd' jetzt, halb un halb in Drauer,

De guden Bchdunden, die sein rar.

Wer awwer macht, ein 's Lähm so sauer?
Färschd Bismarck, der mei Heros war!
Haste denn so viel Eist, un Kalle
An so viel Bache noch in Wanst,

Daß in so dehligaden Falle

Du um de Weld »ich schweigen gannst?

Was willst, was gannste broffedieren,
Ukachste de Eiche dick voll Rooch?

Du wärschd dei Bennomeh verlieren
An uns gommbromiddirfchde ooch.

Bei deinen neisten dollen Bidde

Ziehd's uns wie Bcißmaddismus grumm —

Bezähme, edler Färschd, ich bidde,

Dei großes Bchlawwradorium!

Uler fein ja gans uff deiner Beide,
Berehrder Färschd, ooch Heide noch, —

Bur reize nich gewisse Leide —

•Sonft griech'n mer in ä Nauseloch.

Du därfst nich eegal Bchdeene schlenkern
In Eanzlersch un in Eaisersch Haus —

Ls gommd ja bei den ew'gen Bchdenkern
Bur änne Lrzblamahfche 'raus!
 
Annotationen