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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0253
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sskG Vellage zum „Wahren Aacakl" Lr. 270.

^on dem Blutgerüst ßernieder
Ist der Reindel jüngst gestiegen.
And es malte tiefer Lkel
Klar sich in des Zenkers Zügen -
..'s ist ein schändliches Oewerße.

Ist zuwider mir geworden.

Dieses ew'ge Blutvergießen,

Dieses wüste Nenschenmorden!

.Möchte rußn vom blut'gen Werke!
Mer wer soll mich ersehen?
Gräßlich ist's, für Nenschenßälse
Immer neu das Nester wehen.
Lrastlich ist's. der armen Zünder
Köpfe sehen niederrollen -
Wer an meiner Ztatt wohl könnte
Zolche Arbeit leisten wollen?"

Gin Posten vakant!

Mso sprach der alte Reindel.

Mer in derselben Zlunde,

Durch die Zeitung übermittelt.

Traf ihn eine frohe Kunde.

§!och gedieg'ne Kräfte giebt es
Für das Mnt der blut'gen Rache.

Ja - gefunden hat sich Liner.

Dem das Norden Lhrensache!

Brüsewih, ein Nann von Mel.
Äfsizier im deutschen Zeere,

Zticht den Bürger meuchlings nieder.
Weil es fordert seine..Lhre".

Und er hat Talent ;um Norden.
Denn sein Äpfer ist verschieden
Wie gefällt von Zenkershänden -
Papa Reindel ist zufrieden.

«-4^—

Kann sich jetzt vom Blute säubern,
Kann verdienter Ruhe pflegen.

In bewährte jüng're Kände
Kann das Zenkeröeil er legen.
Briisewih, den edlen Lieutenant.
Zoll statt Reindel man erküren.
Wer die Nenschen niedersäöelt,

Wird das Seil auch wuchtig führen.

Und das Kmt - zu allen Zeiten
8on der Nenge tief verachtet,
Brüsewiß ergebt es. weil er
..Lhrenhalöer" Nenschen schlachtet.
Nebenbei - auch ehrenvoller
Ist es. nach Leseh zu rächen.

Als den ahnungslosen Bürger
§eig im Wirtgshauszu erstechen. -

Die Arbeiter-Glashütte ;u Aldi.

Es war ein Fest- und Feiertag des gesammten
proletarischen Frankreichs, der am 25. Oktober in
der Stadt Alüi (Departement Tarn) begangen
wurde. Und ein Ehrentag des proletarischen Frank-
reichs dazu. Galt es doch die Vollendung eines
Werkes, zu den: die erste Anregung aus dem
tiefen Gefühl der Solidarität aller Ausgebeuteten
und Geknechteten geboren, und dessen Verwirk-
lichung nur durch die dauernde und opferfreitbige
Bethätigung dieser Solidarität ermöglicht worden
ist. Die Arbeiter-Glashütte zu Albi wurde
eingeweiht; zwei von den sechs Schmelzöfen wurden
unter begeistertem Jubel der Glasarbeiter und
Festgäste angezündet. Jur Schmucke blüthen-
prächtiger Guirlarrdeir und flatternder, meist
rother Fahnen prangt der innen und außen
stattliche Bari. Weithin lesbar heben sich am
dreißig Meter hohen Schlot die Buchstaben ab:
V. O. (Verrerie Ouvriäre: Arbeiter - Glashütte)
1896 — R. S. (Rgpublique Sociale: Soziale
Republik). Tisch an Tisch reiht sich in dem ge-
räumigen Fabrikhofe, wo ein brüderliches Mahl,
durch Begeisterung und zündende Reden gewürzt,
die gegen achthundert geladenen Gäste vereint.
Dem Bankett präsidirt Rochefort, der sich uni
das Zustandekomrnen der Arbeiter-Glashütte be-
soirders verdient gemacht hat. Nach dem Festesserr
vermag der weite Raum die Zahl der zur an-
beraumten Versammlrmg Zuströmeirden karmr zu
fassen. Mehrere Tausende lauschen den Worten
Jaurss, der mit flammender Beredtsamkeit die
Geschichte der Kämpfe der Glasarbeiter von
Carmaux kurz skizzirt und die Befreiung des
Proletariats durch das Proletariat zeigt.

Hinter den Festgenossen aber standen in
seltener Einmüthigkeit alle sozialistisch denkenden,
"lle organisirten Proletarier Frankreichs, ohne
Unterschied der Schule und der Sonderbcstreb-
elngen. Die sozialistische Kammerfraktion war
^urch Jaurös, Gsrault-Richard, Vaillant, Car-
»aud re. vertreten. Der Pariser Gemeinderath hatte
seinen Vizepräsidenten, den Blaiiguisten Landrin
ßcfenbet. Die Arbeiter-Glashütte bedeutet eben
»lehr als irgend eine andere Arbeitergenossenschaft.

Den Anstoß zu ihrer Gründung gab eine
Aussperrung, bezw. ein Streik, der den Glas-

arbeitern von Carmaux von dem Direktor Res-
seguier der dortigen Glaswerke aufgezwungen
wurde. Dies zu deni Zwecke, das selbständige
politische Klassenleben des Proletariats der Gegend
zu ersticken und die Geiverkschaft der Glasarbeiter

Jauris hält die Festrede.

zu zerstören. Die Kohlengräber und Glasarbeiter
von Carmaux hatten bei den letzten Kammer-
wahlen dem Vertreter der Kapitalistenklasse, dem
Baron Reille, eine gründliche Niederlage bereitet
und statt seiner den Sozialisten Jaurss in das
Palais Bourbon entsendet. Auch bei den Ge-
meinde-, Bezirks- und Generalrathswahlen gingen
sie selbständig vor, und dies mit Erfolg. Die
Sozialisten eroberten den Genieinderath, und ein
von den Kohlenbaronen gemaßregelter Gruben-
arbeiter, Genosse Calvignac, wurde zum Bürger-
meister gewählt. Des grollte das Kapital. Es
fühlte sich in seinem Herrenrecht ausschließlicher
Machtvollkommenheit beeinträchtigt und lauerte
auf einen Vorwand „der Wühlerei ein Ende zu
machen und die Ordnung wiederherzustellen".

Der Kampf gegen die Arbeiterschaft wurde
durch eine plumpe Herausforderung eröffnet. Der
sozialistische Bürgerineister von Carmaux wurde
seines Amtes enthoben. Eine Verurtheilung zu
vierzig Tagen Gefängniß wegen vorgeblicher Be-

aintenbeleidigung sollte ihn unfähig gemacht haben,
öffentliche Ehrenämter zu bekleiden.

Im August 1895 entließ der Direktor der
Glaswerke von Carmaux, Resssguier, den kurz
vorher zuin Bezirksrath erwählten Glasbläser
Baudot nebst einem Kameraden. Als Grund
dafür wurde angegeben, daß die Gemaßregelten,
um den, Glasarbeitcrkongreß zu Marseille bci-
zuivohnen, einige Tage im Betrieb gefehlt hätten,
ohne um Urlaub nachgesucht, noch solchen erhalten
zu haben. Der Direktor hatte bis dahin noch
nie im Falle kurzer Abwesenheit von der Arbeit
ein Urlaubsgesuch verlangt. Die Arbeiter faßten
deshalb die Entlassung auf als eine Quittung
für Baudots Wahl und als eine Kriegserklärung
gegen ihre politische Selbständigkeit. Die Gewerk-
schaft der Glasarbeiter forderte unter Androhung
des Ausstandes die Wiedereinstellung der Gemaß-
regelten. Resssguier weigerte sich, die Dclegirten
auch nur zu empfangen.

Der Streik brach aus, da aber Jaurss zum
Frieden redete, erklärten die Ausständigen sehr
bald, auf ihre Forderung verzichten und die Ar-
beit bedingungslos wieder aufnehmen zu wollen.
Das Kapital wollte jedoch keinen Frieden, es
wollte den Krieg. Wozu denn trug es die Hunger-
peitsche in der Hand? Sie sollte den Arbeitern
um die Ohren und auf den Rücken sausen und
ihnen die politische Bethätigung, die Theilnahme
an der Gewerkschaft vertreiben. Ein Theil der
„Rebellen" sollte „zur gnädigen Straf'" für
immer oder für längere Zeit aufs Pflaster fliegen,
der andere sich mit niedrigeren Löhnen begnügen.
So lautete Resssguiers vorgefaßter Beschluß. An
ihm scheiterten alle Versuche der Arbeiter, durch
Unterhandlungen den Konflikt beizulegen. Unter
solchen Unfftänden war eine Wiederaufnahme der
Arbeit unmöglich. Der kurze Streik wurde nun
zur wochenlangen, monatelangen Aussperrung, die
fast tausend Arbeiter, Hunderte proletarischer
Familien mit unsäglichem Wehe bedrohte. Un-
erschütterlich blieb der Wille der Arbeiter, „be-
scheiden aber fest ihre Rechte als Arbeiter und
Bürger zu vertheidigen: die Freiheit der Wahl,
das Recht der Koalition."

Die Ausständigen ließen sich weder reizen, noch
schrecken. Auch nicht als die Behörden eine gewalt-
thütige Auflehnung der arbeitenden Bevölkerung
 
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