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dient. Er brachte der Stephanie Noten, erkundigte sich über den
gedeihlichen Fortgang von Adelheids Stickerei und nannte der Viktoria
eine Quelle für vorzügliche Tanzschuhe. Außerdem wußte er das Ge-
spräch immer wieder durch eine treffende Bemerkung in Fluß zu
bringen, wenn die Anderen sich nur durch ein seufzendes „Ja, ja" über
die Panse hinweg zu helfen vermochten. Dabei war dieser Don Juan
noch im Stande, dem Dienstmädchen, der schmucken Fanny, freund-
liche Blicke zuzuwerfen, wenn sie beim Servieren in seine Nähe kam.
Natürlich geschah dies ganz verstohlen und weder das würdige Eltern-
paar, noch die Töchter des Hauses hatten von solcher Felonie eine
Ahnung.
Eben stockte das Gespräch wieder, da brachte die Frau Postrath
mit einem kühnen Ruck den Erlaß Stephans auf die Tagesordnung
und bemerkte mit einiger Ironie, daß die Postbeamten jetzt überhaupt
nicht mehr heirathen dürften.
„Wie man auch nur an ,so etwas^ denken kann", bemerkte Assi-
stent Meier, das Wort „heirathen" dezent uingehend. Er hatte die
Ironie, welche in den Worten der Hausfrau lag, nicht verstanden.
Letztere warf ihm einen ungnädigen Blick zu und gab ihrem
Gatten einen leisen
Fußtritt, damit er
sein Sprüchlein her-
sage. Er that es mit
vieler Würde; der
Erlaß richte sich nur
gegen unpassende, nicht
standesgenräße Ehen
u. s. tv.
Der Assistent
Huber faßte während
dieser Rede einen küh-
nen Entschluß; er
nahm den Z>vieback,
den er längst im
Auge gehabt hatte,
und ging zu leisen
Kaubewegungen über.
Einen unverkennbaren
Eindruck machte die
Erläuterung, die der
Postrath gab, nur auf
den Assistenten Rein-
hard ; dieser folgte
den gewichtigen Wor-
ten mit freudiger
Miene und fragte sodann:
„Herr Postrath würden also einem jungen, fleißigen Beamten
es nicht verdenken und keine amtlichen Schwierigkeiten erheben, wenn
er ei» braves anständiges Mädchen zu heirathen gedenkt?"
„Gewiß nicht, wenn sie auö guter Familie ist", antwortete die
Frau Postrath für ihren Manu.
Assistent Reinhard schaute die alte Dame mit dankbarer Rührung
an. Seit diesem Augenblick hatte sie ihn ins Herz geschlossen und
richtete noch öfter im Laufe des Abends in mütterlicher Güte das
Wort an ihn. „Wenn ich nur wüßte, welche er haben will", dachte
sie dabei, „die Stephanie, die Adelheid oder die Viktoria."
Wie Alles in der Welt, so geht auch der langweiligste Theeabend
schließlich zu Ende; man verabschiedete sich, und Reinhard wurde dabei
mit freundlichen Redensarten vor den Anderen ausgezeichnet, so daß er
als Letzter die Wohnung verließ und Fanny ihm eigens hinunterleuchten
mußte, da die offizielle Treppenbeleuchtung von dem geizigen Haus-
herrn bereits eingezogen worden war. Dabei passirte das Malheur,
daß Fannys Licht ans dem letzten Treppenabsatz erlosch. In Folge
dessen konnte Niemand sehen, wie der flotte Postassistent ihr einen Kuß
auf die schwellenden Lippen drückte.
Am anderen Tage betrat der Herr Postrath seine Häuslichkeit mit
nachdenklicher Miene.
„Nun?" fragte die Gattin. „Hat er angehalten?"
„Das nicht gerade", gab der Postrath zur Antwort. „Er fragte
nur, ob ich ihm mein schätzbares Wohlwollen nicht entziehen und ob
ihm die Dienstentlassung nicht drohen würde, wenn er sich vcrheirathe."
„Du beruhigtest ihn doch darüber?"
„Allerdings."
„Und um welche unserer Töchter handelt es sich?"
„Das hat er eben nicht gesagt. Er wolle mit seiner Auserlvählten
und deren Mutter sich vorher noch aussprechen."
„Aber er wird doch nicht etwa — eine Fremde —?"
Dieser Verdacht schnürte der Frau Postrath fast die Kehle zu,
aber der Gemahl beruhigte sie. Er habe dem jungen Manne allerdings
auf den Zahn gefühlt; derselbe habe angegeben, die Familie sei durch-
aus ehrenwerth und er, der Herr Postrath, kenne seine Braut sehr
gut. Dabei habe der
Schlingel schelmisch
gelächelt.
„Dann ist kein
Zweifel", sagte die
Frau Postrath mit
einem Seufzer der
Erleichterung. „Wenn
ich nur wüßte, ob es
die Stephanie, die
Adelheid oder die Vik-
toria wäre."
Das bevorstehende
große Ereigniß wurde
bei Tisch eingehend
besprochen und jede
der drei Grazien
glaubte, sich für die
Glückliche halten zu
dürfen.
Nach Tische er-
schien Fanny, das
Dienstmädchen, be-
scheiden vor der Herr-
schaft und bat, man
möge sie für heute
Abend zu einem Besuche bei ihrer Mutter beurlauben, woselbst sie
ihre Verlobung zu feiern gedenke.
„Verlobung?" fragte man erstaunt. Daß ein Dienstmädchen sich
verloben könne, kam den Herrschaften ganz sonderbar vor. „Wer ist
denn der Verlobte?" fragte die Frau Postrath geringschätzig.
„Der Herr Assistent Reinhard", sagte das Mädchen.
Die vier Damen wären am liebsten in Ohnmacht gefallen, aber
sie begnügten sich damit, unglaubliche Gesichter zu schneiden.
Die Verlobung und die Heirath fand bald darauf statt und Rein-
hard wurde nicht gemaßregelt, denn der Postrath war ein ehrenwerthcr
Mann, der sein Wort nicht brechen wollte.
Die Stephanie, die Adelheid und die Viktoria haben bis heute
noch keine Männer bekommen, und somit steht die Familie noch immer
in Opposition gegen Stephans grausamen Erlaß. M
Die vier Damen wären am liebsten in Ohnmacht gefallen.
dient. Er brachte der Stephanie Noten, erkundigte sich über den
gedeihlichen Fortgang von Adelheids Stickerei und nannte der Viktoria
eine Quelle für vorzügliche Tanzschuhe. Außerdem wußte er das Ge-
spräch immer wieder durch eine treffende Bemerkung in Fluß zu
bringen, wenn die Anderen sich nur durch ein seufzendes „Ja, ja" über
die Panse hinweg zu helfen vermochten. Dabei war dieser Don Juan
noch im Stande, dem Dienstmädchen, der schmucken Fanny, freund-
liche Blicke zuzuwerfen, wenn sie beim Servieren in seine Nähe kam.
Natürlich geschah dies ganz verstohlen und weder das würdige Eltern-
paar, noch die Töchter des Hauses hatten von solcher Felonie eine
Ahnung.
Eben stockte das Gespräch wieder, da brachte die Frau Postrath
mit einem kühnen Ruck den Erlaß Stephans auf die Tagesordnung
und bemerkte mit einiger Ironie, daß die Postbeamten jetzt überhaupt
nicht mehr heirathen dürften.
„Wie man auch nur an ,so etwas^ denken kann", bemerkte Assi-
stent Meier, das Wort „heirathen" dezent uingehend. Er hatte die
Ironie, welche in den Worten der Hausfrau lag, nicht verstanden.
Letztere warf ihm einen ungnädigen Blick zu und gab ihrem
Gatten einen leisen
Fußtritt, damit er
sein Sprüchlein her-
sage. Er that es mit
vieler Würde; der
Erlaß richte sich nur
gegen unpassende, nicht
standesgenräße Ehen
u. s. tv.
Der Assistent
Huber faßte während
dieser Rede einen küh-
nen Entschluß; er
nahm den Z>vieback,
den er längst im
Auge gehabt hatte,
und ging zu leisen
Kaubewegungen über.
Einen unverkennbaren
Eindruck machte die
Erläuterung, die der
Postrath gab, nur auf
den Assistenten Rein-
hard ; dieser folgte
den gewichtigen Wor-
ten mit freudiger
Miene und fragte sodann:
„Herr Postrath würden also einem jungen, fleißigen Beamten
es nicht verdenken und keine amtlichen Schwierigkeiten erheben, wenn
er ei» braves anständiges Mädchen zu heirathen gedenkt?"
„Gewiß nicht, wenn sie auö guter Familie ist", antwortete die
Frau Postrath für ihren Manu.
Assistent Reinhard schaute die alte Dame mit dankbarer Rührung
an. Seit diesem Augenblick hatte sie ihn ins Herz geschlossen und
richtete noch öfter im Laufe des Abends in mütterlicher Güte das
Wort an ihn. „Wenn ich nur wüßte, welche er haben will", dachte
sie dabei, „die Stephanie, die Adelheid oder die Viktoria."
Wie Alles in der Welt, so geht auch der langweiligste Theeabend
schließlich zu Ende; man verabschiedete sich, und Reinhard wurde dabei
mit freundlichen Redensarten vor den Anderen ausgezeichnet, so daß er
als Letzter die Wohnung verließ und Fanny ihm eigens hinunterleuchten
mußte, da die offizielle Treppenbeleuchtung von dem geizigen Haus-
herrn bereits eingezogen worden war. Dabei passirte das Malheur,
daß Fannys Licht ans dem letzten Treppenabsatz erlosch. In Folge
dessen konnte Niemand sehen, wie der flotte Postassistent ihr einen Kuß
auf die schwellenden Lippen drückte.
Am anderen Tage betrat der Herr Postrath seine Häuslichkeit mit
nachdenklicher Miene.
„Nun?" fragte die Gattin. „Hat er angehalten?"
„Das nicht gerade", gab der Postrath zur Antwort. „Er fragte
nur, ob ich ihm mein schätzbares Wohlwollen nicht entziehen und ob
ihm die Dienstentlassung nicht drohen würde, wenn er sich vcrheirathe."
„Du beruhigtest ihn doch darüber?"
„Allerdings."
„Und um welche unserer Töchter handelt es sich?"
„Das hat er eben nicht gesagt. Er wolle mit seiner Auserlvählten
und deren Mutter sich vorher noch aussprechen."
„Aber er wird doch nicht etwa — eine Fremde —?"
Dieser Verdacht schnürte der Frau Postrath fast die Kehle zu,
aber der Gemahl beruhigte sie. Er habe dem jungen Manne allerdings
auf den Zahn gefühlt; derselbe habe angegeben, die Familie sei durch-
aus ehrenwerth und er, der Herr Postrath, kenne seine Braut sehr
gut. Dabei habe der
Schlingel schelmisch
gelächelt.
„Dann ist kein
Zweifel", sagte die
Frau Postrath mit
einem Seufzer der
Erleichterung. „Wenn
ich nur wüßte, ob es
die Stephanie, die
Adelheid oder die Vik-
toria wäre."
Das bevorstehende
große Ereigniß wurde
bei Tisch eingehend
besprochen und jede
der drei Grazien
glaubte, sich für die
Glückliche halten zu
dürfen.
Nach Tische er-
schien Fanny, das
Dienstmädchen, be-
scheiden vor der Herr-
schaft und bat, man
möge sie für heute
Abend zu einem Besuche bei ihrer Mutter beurlauben, woselbst sie
ihre Verlobung zu feiern gedenke.
„Verlobung?" fragte man erstaunt. Daß ein Dienstmädchen sich
verloben könne, kam den Herrschaften ganz sonderbar vor. „Wer ist
denn der Verlobte?" fragte die Frau Postrath geringschätzig.
„Der Herr Assistent Reinhard", sagte das Mädchen.
Die vier Damen wären am liebsten in Ohnmacht gefallen, aber
sie begnügten sich damit, unglaubliche Gesichter zu schneiden.
Die Verlobung und die Heirath fand bald darauf statt und Rein-
hard wurde nicht gemaßregelt, denn der Postrath war ein ehrenwerthcr
Mann, der sein Wort nicht brechen wollte.
Die Stephanie, die Adelheid und die Viktoria haben bis heute
noch keine Männer bekommen, und somit steht die Familie noch immer
in Opposition gegen Stephans grausamen Erlaß. M
Die vier Damen wären am liebsten in Ohnmacht gefallen.