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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0015

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2362

Die politische Ainöerstube.

„N-inder", fragt die Großmama
Von Europa, „sagt mir schnelle:
Wie steht Jedes von euch da
An des neuen Jahres Schwelle?
Habt ihr wieder Zank und Streit?
Hört ihr niemals auf zu schmähten?
Lider ist auf Artigkeit
Eurerseits bestimmt zu zählen?"
Frankreich rückt sich, strahlend schier,
Aus der Stirn die rothe Mütze:
„Folgen will ich, giebst du mir
Nagelneue Schnellgeschütze.
Wie der Teufel schießen die,
Rastlos, daß die Lappen fliegen.
Und vermehrte Insantrie
Muß ich außerdem noch kriegen!"

Deutschland meint dazu voll List:
„Hübsch zu folgen bin ich willig.
Nur was recht dem Einen ist.
Ist dem Andern, mein' ich, billig;
Doch ein paar Kanonen mehr
Und dazu ein paar Brigaden
(Weil ich größer bin wie er)
Könnten sicherlich nicht schaden."
England zieht ein schiefes Maul
Und es klagt mit trotz'gem Wesen:
„Dieses Rußland hat, nicht faul.
Weggedrängt mich vom Chinesen!"
„Li, John Bull", ruft Rußland keck,
„Ich rasire selbst ganz munter
Und allein für meinen Zweck
Ghinas langen Zopf herunter."

Aus dem Winkel heult's und schreit:
„Ach, kein Mensch hat mehr Erbarmen,
Keine Hilfe weit und breit
Mit Italien, der Armen.
Einem solchen groben Strick",
Ruft sie, „will ich nie mehr trauen.
Denn der Kerl, der Menelik,
Hat mich schauderhaft verhauen!"
Spanien wieder würgt und schluckt
An der Perle der Antillen:
„Tuba wäre längst geduckt
Ghne Llevelands bösen Willen.
Bruder Jonathan bethört
Die Rebellen, diese Pinsel —
Er erstrebt, was mir gehört,
Meine schöne Cabaksinsel!"

Nur der kleine Chunichtgut,
Die Türkei, spricht mit Gekicher
„Daß mir Jemand etwas thut.
Davor bin ich lange sicher.
Kommt mir Liner ins Revier,
Steck' ich hinter sich'rem Walle,
Denn die Andern helfen mir —
So sehr lieben sie mich Alle!"

Portugal und Griechenland —
Möchten flott noch weiter pumpen.
Doch die Alte voll Verstand
Mahnt: „Seid still, ihr kleinen Lumpen!"
Und sie ducken sich erschreckt,
Allen wird es flau zu Muthe;
Hinterm Spiegel nämlich steckt
Stumm und ernst die große Ruthe.

Dir neue Eisenzeit.
Verbessert nur die Mordmaschinen,
Daß alles Tod und Flammen speit;
Am Ende muß zum Besten dienen
Dies alles noch der Menschlichkeit.
Werft nur auf nngemess'ne Weiten
Geschosse furchtbar, zentnerschwer,
Die platzend noch nach allen Seiten
Viel hundert Kugeln streu'n umher!
Schafft ein Gewehr recht nett und zierlich,
Das schnellstens schießt und weithin trägt,
Und dessen Kugel ganz manierlich
Gleich durch drei Dutzend Körper schlägt.
Seeungeheuer lasset bauen
Jin Eisenpanzer festgefügt,
Gleich einer Festung anzuschanen,
Die stattlich auf dem Meere liegt.
Laßt überall Torpedos legen
Gehcimnißvoll ins Meer hinaus,
Und stößt solch' Panzerschiff dagegen,
Fliegt's in die Luft mit Mann und Maus!
O Zeit mechanischer Vernichtung,
Wie bitter man dich auch beklagt,
Du schaffst, was Phantasie und Dichtung
Zu träumen sonst nur leis gewagt.
Du legst uns auf manch' schwere Steuer,
Doch bringst die Zeit du, wo wir frei, —
Denn geht kein Mensch mehr in das Fencr,
So sind die Kriege auch vorbei!
Das Geheimnis;.
A. : Was wollten denn eigentlich die Spitzel
bezwecken, als sie sich so eingehend mit den: Aus-
wärtigen Amte der Neichsregierung beschäftigten?
B. : Sie wollten das undurchdringliche
Geheimniß erforschen, wo der „neueste Kurs"
eigentlich hinaus will!
Der Selbstmörder.
„Unaufgeklärt sind leider die Motive..."
— Philisterpack! Gelt, das wär' süßer Zucker,
Beim Kaffee in der Morgcnzcitung Tiefe
Zu lesen, was ihn drückte, jenen Schlucker!

Etwas über Schulwesen.
Die preußischen Schullehrer fordern eine Lohn-
erhöhung und es ist wirklich ein Lehrerbcsoldungs-
gesetz im Werke, welches einigermaßen mit dieser
Forderung rechnen soll. Aber das Zustande-
kommen dieses Gesetzes zieht sich so lange hinaus,
daß die Schulmeister wahrscheinlich erst einen
großen Streik inszenircn müssen, um zu einem
Resultat iu dieser Sache zu kommen.
Wer da weiß, wie eifrig der preußische Staat
sonst das edle Geschäft des Geldausgcbens betreibt
und wie freudig er z. B. für das Militär die
gewaltigsten Summen hergiebt, der muß sich
wundern, daß er für die braven Lehrer so wenig
übrig hat. Ist Miquel, der in Uebcrschüssen
schwelgt, ein Knauser geworden? Das ist kaum
anzuuehmen, also muß die Schuld wohl an den
Schulmeistern selbst liegen, welche sich der Lohn-
erhöhung vielleicht nicht würdig zeigen.
Der preußische Schulmeister ist bekanntlich der
Sieger von Sadowa, und als solcher im Militär-
staate eine beachtenswerthe Person. Aber der
Tag von Sadowa liegt weit zurück in der Welt-
geschichte, heute trägt der Schulmeister höchstens noch
zur Veredelung der Kolonialpolitik bei, indem er
den Negern die Schönheiten der deutschen Sprache
lehrt, durch Einpaukung der Worte: „Guten
Morgen", „Stillgestanden", „Maulhalten".
Das genügt zur Erfüllung der patriotischen
Aufgabe des Lehrerstaudes keineswegs. Der Lehrer
muß es vielmehr nach wie vor darauf anlegen,
zu gewinnende Schlachten vorzubereiten.
Für diesen Zweck ist es in erster Linie nöthig,
schon bei den kleinen Kindern das National-
gefühl in stärkster Weise hervorzurufen. Der
Lehrer soll z. B. schon in die biblische Schöpfungs-
geschichte den Patriotismus einfließen lassen, indem
er u. A. bemerkt: es schied sich das Nasse von dem
Trockenen, das Nasse war nun das Meer und
das Trockene war Preußen; „weßhalb die preußi-
schen Schullehrer noch heute auf dem Trockenen
sitzen", könnte er für sich insgeheim hinzufügcn,
den Schülern aber müßte er erklären, daß aus
diesen: Umstande hervorgeht, wie die ganze Welt
ursprünglich preußisch war, und wie jede Er-

oberung, die Preußen jemals gemacht hat oder noch
machen wird, nur eine berechtigte Zurücknahme
seines angestammten Eigenthums ist. — Bei der
Stelle „so ward aus Abend und Morgen der
erste Tag", wäre darauf hinzuweisen, daß die
Nacht schwarz, der Tag aber sehr hell mar und
beide zusammen die schwarz-weiße preußische Flagge
bildeten.
Während in dieser Weise der Patriotismus
gepflegt wird, darf auch die Wehrhaftigkeit
nicht außer Acht gelassen werden. Der Schul-
meister muß die Lust zum Waffenhandwcrk
schon in den zartesten Kinderhcrzen wecken. Er
kann z. B. darauf Hinweisen, mit welcher Bravour
Kain seinen Bruder Abel erschlug, obgleich er
nicht einmal, wie Lieutenant Brüsewitz, einen
Offizierssäbel besaß, sondern das Geschäft mit
einem ganz ordinären Knüppel besorgte.
Beiläufig darf erwähnt werden, wie schon in
frühester Zeit, nachdem die Menschen aus dem
Paradiese — unter dem man das heutige
Berlin zu verstehen hat — ausgcwiesen worden
waren, die Noth der Landwirthschaft existirte.
Denn es heißt, „im Schweiße deines Angesichts
sollst du dein Brot essen", und weil damals
noch kein Bund der Landwirthe existirte, welcher
Liebesgaben zu erhaschen wußte, so lebten die
Bauern fast so kümmerlich, wie heute die preußi-
schen Schulmeister.
Wenn es gilt, preußische Beamtcntüchtigkeit
zu rühmen, so genügt der Hinweis auf den pom-
merischen Landrath Noah, der die Sintfluth
voraussah und eine schwimmende Vichversiche-
rungs-Aktiengesellschaft gründete, damit vor Allen
die Ochsen nicht aussterben sollten — welchen
Zweck er auch gründlich erreicht bat.
Die siegreiche Flucht des auserwählten Volkes
vor dem König Pharao, die Eroberung von Je-
richo mittels der aus echtem Berliner Blech her-
gestellten Kricgsposaunen sind als altpreußischc
Nuhmesthaten zu verzeichnen. Der kleine David,
der dem König Saul einen Sang an Aegir vor-
trug, die Harfe spielte, den Niesen Goliath vor
den Kopf schlug, den Tempel baute und nebenbei
das Volk regierte, war ein Universalgenie, welches
wahrscheinlich preußisches Blut in den Adern hatte.
 
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