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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0096

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2439

Wiesbaden.

Ach, die schöne Stadt Wiesbaden
Ist in schrecklicher Gefahr!
Für die Reichstagswahl zum Sturme
Rüstet sich der Rothen Schaar.
Ordnungsmänner, Staatesstützen
Sind von heißer Angst beseelt:
Diesmal kann das Unheil kommen,
Daß der Rothe wird gewählt.
Fürsten, Grafen, Diplomaten,
Höchsten Adels stolze Zier,
Millionäre zweier Welten
Treffen sich am Kochbrunn hier.

Kanzler auch und Staatsmiuister
Kehren hier zuweilen ein,
Und sie sollten Alle, Alle
Künftig roth vertreten sein?
Dieses wäre höchst blamabel,
Säh' wie grimmer Hohn sich an,
Für die Stützen der Gesellschaft —
Rette drum, was retten kann!
Fortschrittsmänncr und Feudale,
Einigt euch zum Ordnungsbrei,
Denn die Stadt ist nur zu retten
Durch Gesinnungslumperei!

Das neue preussische Vereinsgesetz,
wie es die Reaktionäre wünschen.
§ 1. Die preußischen Staatsbürger besitzen ein uneingeschränktes
Vereinsrecht.
8 2. Jede Ausübung dieses Rechtes wird als Mißbrauch der
Vereinsfreiheit bestraft.
8 3. Für staatscrhaltcude Vereine gilt der 8 1, für alle Arbeiter-
vereine der 8 2.
8 4. Staatscrhaltcude Vereine dürfen miteinander in Verbindung
treten. Arbeitervereinen ist dies nicht gestattet, vielmehr ist in letzteren
schon das In Verbindung treten der einzelnen Mitglieder mit einander
verboten.
8 5. Alle diesem Gesetz entgegenstehenden Bestimmungen, soweit
sie nicht weitere Beschränkungen der Arbeitervereine enthalten, sind auf-
gehoben. _

Nus Wollte Carlo.
Der Fürst von Monaco hat sich als Dirigent des europäischen
Konzertes angeboten, weil er sich am besten auf verwegenes Spielen
versteht.

LXZ Hobelspätznr.

Was haben gethan die Mächte,
Als Kreta sie blockirt?
Es haben sich die Mächte
Ganz mächtig dort blamirt.

Es tönt der Vögel lust'ger Sang
Vor meinem Fensterlein;
Ich hör' ihn gern, den holden Klang
Und stimme froh mit ein.
Denn mir behagt der heit're Ton,
Ich pfeife frisch und frei,
Ich pfeife auf die Reaktiou,
Und auf die Klerisei-

Auf die Richtigkeit eines Schwurgerichts-
Erk e n n t n i s s e s tänn man nicht immer s ch w ö r e n.
Die neuen Flotteupläue werden schwerlich zu
Gunsteu des Küstenschutzes gemacht, da sie uferlos sind.


Zur Vergrößerung unserer Kolonialbegeisteruug werden Straußen-
federn und Kamerun-Chokolade populär gemacht. Nächstens folgen
vielleicht Peters-Hanfschuüre, Wehlau-Leder und Schröder-
Flaschen. » «

Viel tausend Blümlein blühen
Rings auf der grünen Au,
Das Hänschen Blum alleine
Ich nirgends mehr erschau.

Das einst als Ordnungszierde
Sich gar so breit gemacht —
Es hat eine Knh gefressen
Dies Blümlein über Nacht.

„Wo mir's wohl geht, ist mein Vaterland", denkt der werkthätige
Mann aus dem Volke. Deshalb sind alle gesetzgeberischen Maßregeln
gegen die Auswanderung aus Deutschland wirkungslos.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.

auch den „Hammerschmied". Dieser Mann be-
saß großen Einfluß auf den Diktator, um so
mehr, da dieser ihm die bedeutende Summe von
500000 Sesterzen schuldete. Opiuüus hatte über-
haupt infolge seines ungeheuren Aufwandes, der
ihm die Gunst der Bevorzugten erhalten mußte,
eine sehr anständige Schuldenlast. Einem Freunde
des Nasika war er eine ähnliche Summe schuldig
wie diesem.
Nasika hatte von der nicht genügend blut-
gierigen Stimmung des Opimius gehört, und
deshalb ging er zu ihm. Er eignete sich in jeder
Hinsicht für die Rolle des Scharfmachers ganz
außerordentlich. Keine Gelegenheit hatte er ver-
säumt, öffentlich dafür einzutreten, daß mit Gajus
Gracchus und seinem Anhang nicht die geringsten
Unistände gemacht, sondern sie einfach massakrirt
werden müßten.
Bei der Unterredung zwischen Opimius und
Nasika fühlte sich der Diktator zuerst von der
Brutalität des Stuhlbeinheldcn angewidert, bis
dieser so nebenher ihr Schuldverhältniß erwähnte.
In dem Augenblick ward es dem allmächtigen
Herrn ganz anders zu Sinn, und er sprach nach
unserer Handschrift: „Nicht wahr, edler Publius,
du kannst mir nächstens wieder mit einigen
hunderttausend Sesterzen helfen und wirst dich
auch bei deinem Freunde, der noch mehr Sklaven
hat als du — die meisten in ganz Nom —, ver-
wenden, daß er mir ebenfalls noch einige Hundert-
tausende verschießt?" Nasika antwortete: „So-
b"ld Gajus Gracchus todt ist, steht dir soviel
^ Verfügung, wie du brauchst. Richtet er noch
weiter Unheil an, so kann weder ich noch mein
freund em Aß ausleiheu!"
Als Nasika fort war, ging nach unserer Hand-
schrift — punms zu den Truppen und hielt an sie
eine donnernde Ansprache: nicht Noth, sondern
Uebermuth und Gottlosigkeit seien die Beweg-
gründe des Aufstandes; die Optimnten, Senatoren
und Ritter seien voll in ihrem Recht; man dürfe

die Rebellen nicht mehr als Brüder ansehen, son-
dern müsse sie als schädliches Gethier ausrotten.
Ob unsere Handschrift recht berichtet oder nicht,
mag dahingestellt bleiben. Eins missen wir. Auch
der jüngere Gracchus ist den Klauen der Habgier
und der Standesinteresscn erlegen, aber der Glaube
aii das Volk, der Freiheitssinn und Heldenmuth
der Gracchen leben, und ihnen gehört die Zukunft.

Woher flammt der Reichthum des
Rommerxienraths Völls,ick?
Er selbst: Ich habe ihn mir durch meinen
Fleiß redlich erworben.
Seine Frau: Er verdankt ihn seinem großen
Geschäftsgenie.
Die Schwester: Der Herr hat ihn gesegnet.
Der Bruder: Fortuna hat ihm gelächelt.
Freisinniger Hausfreund: Er hat sich
ihn erspart.
Levi Nathan: Er hat seine Kunden über's
Ohr gehauen.
Die Wahrheit: Er hat ihn aus seinen Ar-
beitern herausgepreßt.

Der Zickzack-Kurs.
Heute so und morgen so.
Heute Heu und morgen Ztroh.
Heute schneidig, morgen schwächlich.
Heute eifrig, morgen gemächlich.
Heute heiß, morgen erkaltet.
Heute modern, morgen veraltet.
Heute zivilisirt, morgen barbarisch.
Heute kapitalistisch, morgen agrarisch.
Heute Kewerbefreiheit, morgen zünftig.
Heute muckerisch, morgen vernünftig.
Heute Sold-, morgen Doppelwährung.
Heut' der Enterbten „Patrimonium",
Morgen der Kurs von König Ztuinm.
Heute gewebt, morgen aufgetrennt:
In der Inkonsequenz konsequent.

Sächsische Grmüthlichkeit.
A. Ist es wahr, daß der Redakteur der
„Neuen Welt", E. Steiger, von der Polizei als
Gefangener gefesselt transportirt wurde?
B. Freilich; die Polizei dachte: der Mann,
dessen Schreibweise andere Leute fesselt,
kann auch einmal selbst gefesselt werden.
Die Dunkelmänner.
Es treiben der Dunkelmänner gar viel
Umher sich in deutschen Gauen,
Sie üben ihr altes verworfenes Spiel,
Das Volk über's Ohr zu hauen.
Da steigt manch brennender Seufzer empor
In diesen traurigen Tagen:
O träte doch wieder ein Hutten hervor.
Die Dunkelmänner zu schlagen!
Getrost! Es endet auch eure Qual —
Das Seufzen wird nicht viel frommen —
Nicht einmal, sondern viel tausendmal
Ist wieder der Hutten gekommen.
Gewaltiger als ein einzelner Helo
Ist das Volk der Arbeit in Schaaren.
Bald treibt es überall in der Welt
Die Dunkelmänner zu Paaren.

Das europäische Konzert.
Im europäischen Konzert kann es keine rechte
Harmonie geben, weil die englische Pauke ein Loch
hat, die französische Klarinette verstimmt ist, der
italienische Dudelsack sich um den Takt nichts
kümmert, die deutsche Flöte zu hoch flötet und
der russische Bombardon sich gar zu laut macht.
Der Muflerpatrivt.
Dem Vaterland er Opfer bringt
Aus and'rer Leute Taschen mit Freuden.
Fürs Vaterland ist er stets bereit,
Aus der Haut des Volkes Riemen zu schneiden.
 
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