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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0201

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2543

Bicrxrobe iin Münchener Hofbräuhaus anr platzl.


Nach der Versammlung betrat der Gendarm
Winkelhuber wieder die Gaststube des „Wendel-
stein."
„Da geht's lustig zu", sagte ihm ein Be-
kannter. „Ein Bauchredner ist anwesend, der
amüsirt die ganze Gesellschaft."
„Was? Wo ist der Bauchredner?" donnerte
Winkelhuber.
„Hier! — hier! — hier!" rief es von ver-
schiedenen Ecken.
„Sie sind es!" sagte der Gendarm kate-
gorisch, einen ihm unbekannten jungen Mann
anredend. „Heute entschlüpfen Sie mir nicht!"
„Sie wollen sich wohl schon wieder bla-
miren?" antwortete der Angeredete und un-
mittelbar darauf rief es scheinbar von der
Thüre her: „Herr Gendarm! Kommen Sie
schnell heraus, hier ist er!"
Winkelhuber eilte, dem Rufe zu folgen.
Aber von einem Bauchredner war draußen
nichts zu erblicken.
Als Winkelhuber wieder in das Gastzimmer
trat, war der junge Mann, den er vorhin an-
geredet, gleichfalls verschwunden. Es war wirk-
lich der Bauchredner, der den Gendarm hinaus-
gerufen hatte, um unter der Heiterkeit des
Publikums entwischen zu können.
Winkelhuber trank an dem Abend sich einen
bösen Haarbeutel an, wobei er alle Bauch- und
anderen Redner mit den gräßlichsten Flüchen
belegte. Den Bauchredner hat er aber doch
nicht entdeckt. D
Du sollst nicht stehlen.
Der Mann lag darnieder, ein Kind war krank,
Die anderen hockten und froren;
Die Frau wußte es dem Schicksal Dank,
Daß das letzte noch nicht geboren.

Traurig schritt sie die Straße entlang,
Doch konnte nur langsam sie gehen;
Sie hat noch nicht gebettelt. Der Gang
War schwer und doch mußt es geschehen.
Die Augen brennen, sie zittert fast,
Schier glaubt sie, sie hätte das Fieber.
Sie kam auch mit ihrer armen Last
Bei einem Schlächter vorüber.
Da hingen Würste und Fleisch umher
Und manch' lockender Leckerbissen,
Da hat sie scheu, wie von ungefähr,
Ein Stück schnell herunter gerissen.
Beim Schlächter ist ein frequenter Ort,
Ein ewiges Kommen und Gehen.
Schwer stöhnte sie auf, ging schwankend fort
Und glücklich hat's Keiner gesehen.
Und aus den Geboten klingt herrisch hervor
Der Passus: „Du sollst nicht stehlen."
Die Frau hat gestohlen! Nicht wahr,HerrPastor?
Doch sollst du sie darum nicht schmähten.
Spahrn - Philosophie.
Zwei Spatzen, ein Männlein und ein Fräu-
lein, ein Idealist und eine Realistin, saßen auf
dem schönsten Kirschenbaum im ganzen Garten
und aßen verbotene Früchte.
Das heißt, nur der Spatz nannte sie so und
hatte ein schlechtes Gewissen dabei, wogegen
die Spätzin, ohne je Nietzsche gelesen zu haben,
sagte: „Alles, was erfreut, ist erlaubt".
Mitten in: Diner siel ein Schuß, riß dem
Spatzen einige Schwanzfedern aus und verletzte
die Spätzin tödtlich.
Da seufzte das Männlein: „Hab' ich's nicht
gesagt? Man soll keine Plätze betreten, wo
Warnungsflederwische hängen. Die höhere

Macht strafte uns, weil wir ihre Gebote außer
Acht gelassen haben. Die Menschen wollen,
daß man die ewig giltigen Grundsätze
der Moral nicht verletze."
„Oder vielmehr", versetzte das sterbende
Fräulein, „daß man nicht esse, was sie gern
selber essen möchten."
Schein und Wirklichkeit.
Mancher sagt in tiefem, ehrfurchtsvollem Staunen:
„Seht, der große Staatsmann hat jetzt seine Lannen.
Er wird über irgend ein Problem wohl sinnen,
Herrliche Gedanken durcheinander spinnen."
Doch dem Staatsmann thnt er zu viel Ehre an;
Denn das Sinnen über ein Problem ist Wahn.
Während unser guter Staatsmann vor sich stiert,
Denkt er drüber nach, wie er sich jüngst blamirt.
Selbst ist der Mann.
„Sagen Sie mal, wem hat denn eigentlich der
jungeMeier sein blödsinnigesGigerlthum abgeguckt?"
„Niemandem. Er ist hierin völlig Auto-
didackel.
Gedankensplitter.
Jeden Faden macht Pech zäher und ausdauern-
der, nur den Lebcusfaden nicht.
Von einem Menschen, der zu nichts mehr
fähig ist, sagt man merkwürdiger Weise nicht selten,
er sei zn allem fähig.
Heißt's von Jemand, er sei mit allen
Wassern gewaschen, so will das besagen, mit
ihm sei es ganz und gar nicht sauber.
 
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