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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0242

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2582

„Marschall Vorwärts"

„Leb wohl, Soldat!" So hallt es durch die Reihen;
Sie präsentiren und mit festem Schritt,
Lin greiser Jüngling, geht entlang die Front
Der Marschall vorwärts des Besreiungsheers.
Es grüßt sein Blick die alten, ruhmbekränzten,
Zerfetzten Fahnen und gelassen geht
Der jugendliche Greis - in das Gefüngniß,
Zu den: der Spruch des Richters ihn verdammt.
Er hat die Achseln nur zu diesem Spruch,
wie schon so oft in seinem Rämpserleben,
Lässig gezuckt und um die Lippen irrte
Ein Lächeln kaum, als er das Artel las.
Er kennt die Gegnerschaft zu lang, zu gut,
Am zu erstaunen um zu zagen kennt
Er viel zu gut die treuen Bataillone,
Die immer wieder er zum Sieg geführt.
In seinen Rerker nimmt der jugendliche,
Rampfsrohe Greis die Aeberzeugung mit,
Daß auf dem Posten bis zum letzten Mann
Sie Alle stehn, die Waffen in der Faust.

Er weiß, wenn er nach Monden wiederkehrt,
Muthig wie immer und gestärkt aufs Neue
Durch das Gefühl des Siegs, der sicher kommt,
Daß er die Rechn der Seinen mustern kann
voll Stolz und Freude, wie er's heute thut.
wenn dann der Alte, den nichts bricht noch beugt,
Feuer im Blick, Metall im Rlang der Stimme,
Sein: „Achtung!" kommandirt, dann steht Ivie heute
In endlos langer, festgefügter Mauer
Sein kampferprobtes Proletarierheer.
And wenn sein Blick die Reihen überfliegt,
Dann weiß und fühlt der greise Marschall vorwärts,
Daß wir ein Leib, ein Geist, ein Wille sind.
And durch die Reihen braust's wie Frühlingssturm,
von Regiment zu Regiment und dröhnend
Hallt ein: „Soldat, willkommen!" ihm entgegen,
Dem Feind zum Trotz, aus hunderttausend Rehlen.
Des sei gewiß und drum: „Leb Wohl, Soldat!"

Inhalt der Unkerhaltungs-Beilage.
Karl Grillenberger. — In der Fabrik. Gedicht. — Der
alte Schäfer Thomas. (Zllustrirt.) — Die Arbeiterbewegung
in Dänemark. (Mit 12 Porträts.) — Neues voin Büchermarkt. —
Briefkasten. — Anzeigen.
Zu unseren farbigen Bildern.
In nicht allzuweit zurückliegender Zeit wurde hier und
da an russischen Höfen der Gebrauch geübt, während der
grimmen Winterzeit Menschen nackt auszuziehen, sie mit Wasser
so lange zu begießen, bis sie gefroren waren, um sie dann
als gefrorene Statuen bei Festlichkeiten aufzustellen. Auch
die Gräfin Bathori soll diese Schändlichkeit geübt haben. Die
diesjährige Münchener Kunstausstellung bringt über diesen
Vorgang ein Grauen erregendes Bild. Unsere Satire zeigt
den König von Saarabien, wie er die verhaßte Sozialreform
dem Gefrieren aussetzt. Es ist vieles möglich in Deutschland,
warum nicht auch dieses? Die Umstände sind günstig und
ein gefügiges Preßgelichter ist ununterbrochen an der Arbeit,
um dem Gewaltigen au der Saar zu Willen zu sein.
Ueber Herrn Hagenbeck-Miquel in seinen neuesten wunder-
baren Dressur-Erfolgen spricht das Bild deutlich genug. Der
schlaue Mann kann eben alles. Aber wie lange noch?

Randglossen des Bruder Ztraubinger
über den Vrozeß bes „Hamburger Ächo't
Roburgs Sproß regiert in Belgien
Und am Longo, thut man meldigen,
Abends dann an dem Roulette
Vern er hält'
Linen großen Profit eingesackt.
Also sagt in Brüssel man,
Leopold klagt Leinen an;
Lennt sich aus mit vieler List,
Preßfreiheit in Belgien ist.
Und noch manches Andere, was den Ham-
burgern fehlt.
Und das „Lcho" druckt's voll kalten
Herzens ab in seinen Spalten,
Daß Herr Leopold, juchhe,
Vern verkehrt mit dem Lrupjeh!
Mas Herrn Stenzel aber theuer zu stehen
kommen sollte.

Die gekränkte Majestät
Stenzel vors Gerichte läd'.
Und allda ward festgestellt
Daß Herr Leopold, Belgiens Held,
Nit Putzmamselln und Lrupjehs gar nicht
verkehrt.
Stiehlt der dicke Nilan nun.
Lob' ihn drum als braves Huhn,
Schreib', an Ferdinand klebt kein Blut,
Morden nie der Sultan thut, —
Dann kriegst du nicht wie Stenzel achtNonate
Raboisenwache.
Beleid'gung fremder Majestäten
Hat man sich bei uns verbeten,
Leinem krümme man ein Haar,
Sonst macht dir's Justitia klar:
Mas Bruder Straubinger, der alle Welt
kennt, längst schon weiß.
Drr Rrlter in der Noth.
Herr Mammon senior suchte vermittelst einer
Annonce im Tageblatt eine junge Hilfskraft für
sein Geschäft und wartete in seinem Bureau, daß
sich Bewerber um die Stelle zeigen möchten. Das
Dienstmädchen trat ein und meldete, es stände
draußen ein Reflektant, der aber so verdächtig
aussehe, daß sie sich nicht getraue, ihn einzulassen.
„Laß ihn nur herein!" befahl Herr Mammon.
Darauf schob sich ein Mann in zerlumpten
Kleidern und mit einem dicken Knotenstock in der
Hand zur Thüre herein. Sein Gesicht glich dem
einer hungrigen Bulldogge, der Blick hatte etwas
verletzend Brutales.
„Was willst Du, Streich?" rief unwirsch Herr
Mammon und fügte leise brummend hinzu: „Steht
mein Geschäft bereits in so schlechtem Rufe, daß
ein solches Subjekt als Bewerber aufzutreten
wagt?"
„Ja, ich bin Streich, Herr Mammon, Sie
kennen mich also; und ich bin ein solcher Staats-

kerl, daß alle meine Freunde mich Staats-Streich
nennen. Weshalb sehen Sie mich denn so weg-
werfend an? Ich bin doch der Einzige, der Ihr
Geschäft noch wieder auf den Damm bringen kann."
„Höre, Streich", erwiderte Herr Mammon
ärgerlich, „ich brauche einen ganz anderen Mann,
als Du bist. Immerhin kannst Du dafür sorgen,
daß meine Leute Dich jeden Augenblick zu finden
wissen. Nur im äußersten Nothfall werde ich
Deine Dienste verlangen. Aber dann sei auch
bereit!"
Als er hierauf dem Strolch einige Nickelmünzen
in die Hand gedrückt hatte, stolperte dieser, einen
boshaficn Blick zurückwerfend, nach der Thüre.
Nun meldete das Dienstmädchen einen feinen
Herrn, der sich der ausgeschriebenen Stelle wegen
vorzustellcn wünsche, und sogleich erschien ein
geschniegeltes Herrchen mit verschmitzter Miene
und spinnenartigen Fingern. Er begrüßte den
Hausherrn sehr höflich, wobei seine Blicke spioni-
rend in alle Ecken huschten.
„Wie heißen Sie?" fragte freundlich Herr
Mammon.
„Ich heiße Dolus."
„Nun, Herr Dolus, der Posten in meinem
Geschäft, den ich besetzen will, erfordert eine außer-
ordentliche Geschicklichkeit und Vielseitigkeit."
„Ich verstehe, Herr Mammon. Ich werde
sicher allen Ansprüchen genügen und auch das
Schwierigste fertig bringen."
„Soll mich sehr freuen, Herr Dolus. Ich
sehe schon, ich kann Ihnen vertrauen. Es handelt
sich vor allen Dingen darum, den Kredit meines
Geschäfts wieder zu heben, die Gegner meiner
Unternehmungen unschädlich zu machen." Herr
Mammon trat ganz dicht an den Bewerber
heran und zischte unmittelbar vor seinem Gesicht:
„Können Sie einen Menschen, dem nichts Schlech-
tes nachzuweisen ist, der mir aber im Wege steht,
ins Gefüngniß bringen?"
„Ins Zuchthaus, wenn Sie es wünschen",
antwortete gelassen Herr Dolus.
 
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