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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0278

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2620 —-

ww feiern doch öas Tveihncrchtsfest.
Von Robert Seidel, Zürich.

Änd sind wir auch -es Glaubens bar
Voin Heil'gen Christ -er Rinderzeit,
Und rangen wir auch ernst und klar
Lmxor uns aus -em Fabelstreit,
Un- schwand uns auch -er Glaube ganz
Daß aus -er Unechtschaft Aoth und Bann
Gin Heiland voller Himmelsglanz
Uns retten un- erlösen kann —
wir feiern -och die Weihnachtszeit
Un- stecken Lichter auf den Baum
Un- legen an ein Feierkleid
Und schmücken festlich jeden Raum;
wir schaaren uns im Hellen Saal
Und bringen Liebesoxfer dar
Un- laden ein zum Freudenmahl,
wer mehr als wir noch elend war.
wir feiern -och die Weihnachtszeit,
weil wir des hohen Glaubens voll,
Daß nach -es winters Dunkelheit
Lin lichter Frühling kommen soll,

Gin Frühling voller Glanz und Schein
Und voller Blumen ohne Zahl,
Lin Frühling ohne Frost un- Pein
Und ohne Aoth un- Lrdenqual.
wir feiern doch das weihnachtsfest,
weil wir der festen Zuversicht,
Daß endlich doch der stolze Rest
Der Tyrannei zusammenbricht,
Daß über alles Unrecht siegt
Die Freiheit und Gerechtigkeit,
Un- -aß einst süßer Friede liegt
Auf jedem Volk in Ewigkeit.
wir feiern doch die heil'ge Nacht,
weil tief in uns die Hoffnung lebt,
Daß einst in Herrlichkeit und Pracht
Die Menschheit sich zum Himmel hebt,
Un- daß -er Himmel voller Huld
Sich senke auf das Lröenrund,
Und alles Glend, alle Schuld
Austilg' ein freier Menschenbund.

Inhalt drr Unterhaltung«-Beilage.
Revolutions-Kalender für das Jahr 1848. — 1848 -1898.
Gedicht. — Drei Brüder. Eine morgenländische Erzählung.
(Jllustrirt.) — An einen Vogel. Gedicht. — Krischan Wehncke
bei den Feuerländern. Eine Seegeschichte. (Jllustrirt.) —
Schnitzel. — Der rechte Ort. — Immer dieselben. — Galgen-
humor. — Bild aus der Zeit. — Die Gnädige. (Jllustrirt.) —
Eisenbahn-Idyll. Gedicht.

AW" Dieser Nummer liegt Titel und Inhalts-
verzeichnitz für den Jahrgang 1897 bei.

W eil; n a ch t s; ander.
(Zum Titelbild.)
Oer Dämmrung wich der klare Wintertag
Und aus dem herrschaftlichen Forste schreiten
Zwei Männer heim, die nut der blanken Axt
Ihr saures Werk verrichtet. Abgespannt
Und frostgeschüttelt wandern sic dahin
Und wie aus tiefen: Sinnen fährt der Jüngere
Mit Eins empor und halb ihm selber gilt,
Halb den: Genossen, was er murrt uud grollt:'
„Eiu Hundeleben, das ein armer Teufel,
Wie unsereiner, führt, damit der Herr
In Ueppigkeit und Pracht sich wälzen kann!
Vermag das nackte Dasein schon der Mann
In seiner Vollkraft kann: herauszuschlagen,
Was wird mit ihm, wenn seine Kraft versiegt?"
Ter Alte sieht ihn prüfend an und meint:
„Schau, schau! Fcmgt's unter deiner Schädeldecke
So zu rumoren an? Das kommt noch besser,
Denn weißt du auch, was schlimmer ist als das,
Was an dir nagt, daß du die Fäuste ballst?
Daß wir für einen Hungerlohn uns placken
Von früh und spät, das ist nur hart, nieii: Junge,
Doch schrecklich ist's, daß dazu wir verdammt,
Zu wüthen wider unser Fleisch und Blut.
Du weißt doch noch, wie das Gemeindeholz,
Auf das ein altes, sonnenklares Recht
Wir Alle hatten, man uns vorenthielt;

Wie wir's uns nahmen und wie dann nut Macht,
In Hellen Haufen Förster und Soldaten
Und Heger kamen, wie sie nns vertrieben
Und wie sein eigner Bruderssohn den Frieder,
Den alten Frieder, mit dein Bajonett
So gründlich „stupfte", daß gcuug er hatte
Für immerdar! Das erst, das schreit gen Himmel,
Daß für den Herrn der Eine schaffen muß
Und daß derselbe Herr dafür den Andern
Bezahlt, daß er den Armen uiederhält.
Das Recht wird Unrecht — Herrgottsakerment,
Wird's niemals anders?"
Schweigend stehn die Föhren.
Ein wundersamer Ton dringt plötzlich durch die
Kronen,
Bald sanft, bald stärker schwellend, grollend.
Wie fernen Wetters tosend Ungestüm.
Und aus den: Dickicht taucht hervor ein Licht,
Aus dessen Mitte naht ein jugeudstolzes Weib
Den Murrenden und also tönt ihr Wort:
„Es bleibt nicht so, doch soll es besser werde,:,
So muß der Bauer mit den: Arbeitsmann
Zusammenhalten. Nicht ins Haus getragen
Wird euch die Freiheit als ein Christgeschenk;
Sie will erstatten sein. Den: Kämpfer wird
Es nicht an Beistand fehlen, aber fragen
Darf er den Pfaffen und den Büttel nicht;
Er wird den Weg, der in die Freiheit führt,
Von ihnen nie erfahren, sondern frohnden,
So lange Mark er in den Knochen hat!"
Die Lichtgestalt verschwand; die Beiden sahen
Ihr sinnend nach.
„Recht hat sie, tansendmal!"
Kam's von des Jüngern Lippen und der Alte
Sprach's wie ein Echo nach und eisern war
Der stumme Händedruck, den Beide tauschten.


Neueste Nachrichten.
— Der Trödler Veiteles ist wegen Majestäts-
beleidigung in Mpslowitz zu vier Monaten Ge-
füngniß verurtheilt morden, weil er den: Lieutenant
Schneidigmann auf einen „Rock des Königs" nichts
hat pumpen wollen.
— Die Besetzung der Kiao-Tschau-Vucht seitens
der deutschen Marine beginnt bereits handels-
politische Bedeutung zu zeitigen. Es ist kürzlich
dortselbst ein Schooner verfrachtet worden mit
chinesischen Zöpfen für Rechnung deutscher Anti-
semiteu.
— Das Zentrum beginnt stark slottenfreund-
lich zu werden. Auch der Papst wünscht eine
Flottenvergrößcrung für Deutschland, da man
ihn: versprochen hat, daß das zunächst fertig ge-
stellte Linienschiff die Jesuiten zurückholen soll.
— Reinhold Begas, der Schöpfer des National-
denkmals in Berlin, ist mit den: Nachtschnellzng
nach Peking gereist, un: dort Vorstudien zu einen:
Hohenlohe-Denkmal in Porzellan zu machen.
— Die „Kreuzzeitung" bringt einen rührende::
Weihnachtsartikel, laut welchen: alle Unwahr-
haftigkeit, Habsucht, Herrschsucht und alle gemein-
schädlichen Umtriebe aus der Welt verschwinden
sollen. Man schließt daraus, daß die „Kreuz-
zeitung" ihr Erscheinen einstellen und der Bund
der Landwirthe sich auflösen will.

Allerhand patriotische Geister.
Die Einen holen ihren Seelenschwung
Und ihre löbliche Begeisterung
Aus wohlgebaute:: schwarz-weiß-rothen Phrasen,
Die sie in frumben Leitartikeln lasen.
Den Anderen ist dazu Bier vonnöthen:
Das Hochgefühl rückt an, das Hirn geht flöten.
Man sinkt sich an die teutschen Männerbänche.
— Knrzun:: die Sache wirkt wie eine Seuche.

Der nächsten Nummer (Nr. 2SS) liegt der Lustige Almanach des Wahren Jared bei. Etwaige Mehrbestellungen bitten wir ungesäumt an uns zu richten.
WG- Zur Noki; für den Buchbinder: Drr Jahrgang 1897 umpastk dir Nummern 273—297. "WW
 
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