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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0019
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2641 «-

Die Bilderstürmer.

setzen, wenn sie ihm nicht zu Willen sei. Um nun
dem alten Manne diesen Kummer zu ersparen,
habe sic dem Verlangen des Freiherrn entsprochen.

Stockend, in abgerissenen Sätzen hatte sie alles
erzählt, und dabei liefen ihr die Thränen über
die bleichen Wangen.

Wie ein Blitzstrahl schmetterte dieses Bekennt-
nis; den Alten zu Boden. An diesem Abend ver-
sah Klaus Hasbecker sein Anit nicht. Das erste
Mal in fünfundzwanzig Jahren.

Bleich, mit zusammengepreßten Lippen und
funkelnden Augen saß er da. Er konnte das
Schreckliche nicht fassen.

„Der Schuft! O, der Schuft!" murmelte er.

Seine Pulse flogen vor Aufregung, während
er all das Gemeine überdachte. Allmählich be-
gann er seine Enkelin zu hassen, weil sie ihm
nichts von dem Vorhaben des Schurken gesagt
hatte, sondern gleich den höchsten Preis gezahlt.
Aber hatte sie es nicht um seinetwillen gethan?
Er grübelte darüber nach und erwog es nach allen
Seiten. Freilich, seinetwegen, nur seinetwegen.

Ein unbezähmbarer Drang nach Rache stieg
in ihm auf. Und mit wahrer Wollust nährte er
den Gedanken. — Hätte er den Lump vor sich
gehabt, er hätte ihn niedergeschlagen auf der Stelle.

Am andern Morgen machte er sich mit seiner
Enkelin auf den Weg nach der Kreisstadt, um
der Staatsanwaltschaft von dem Geschehenen Mit-
theilung zu machen.

Vierzehn Tage vor Weihnachten fand die Ver-
handlung gegen den Freiherrn Max von Hallstein
vor deni Landgericht statt.

In pathetischer Weise bestritt dieser das ihm
zur Last gelegte Verbrechen und erklärte, daß die
Enkelin des Klägers freiwillig seinem Wunsche
nachgekommen sei. — Im Uebrigen aber ließ er
durch seinen Rechtsanwalt Widerklage erheben,
denn der Kläger habe ihn unter den Dorf-
bewohnern in gröblichster Weise verleumdet.

Nach längerer Verhandlung sprach das Gericht
den Angeklagten frei, und betonte, daß unmöglich
ein Mann mit der Bildung des Angeklagten sich
eines solch gemeinen Verbrechens schuldig machen

könne. Auf erhobene Widerklage hin aber ver-
urtheilte cs den Nachtwächter Klaus Hasbecker
wegen wissentlicher Verlcmndung unter Annahme
mildernder Umstände zu vier Wochen Gefängniß.

Wankenden Schrittes verließ Klaus Hasbecker
an der Seite seiner Enkelin den Gerichtssaal.
Jhin war, als ob der Himmel über ihm zusammen-
stürzen sollte. Er konnte keinen klaren Gedanken
fassen, in seinem alten Schädel wirbelte es wild
durcheinander. Nur das eine wußte er, daß ein
ruchloser Bube Schmach und Schande auf sein
schneeweißes Haupt gehäuft, sein Glück zerstört
und seinen makellosen Namen besudelt habe.

Vier Wochen Gefängniß! Vier lange, lange
Wochen zwischen kahlenKerkermaucrn leben! Klaus
schüttelte sich bei dem Gedanken.

Es war schon finster, als sie in das Dorf
kamen. Er freute sich darüber. Sahen ifjn doch
die Nachbarn nicht kommen; brauchte er doch nicht
Rede und Antwort zu stehen. Durch das Urtheil
des Gerichts war er auch in den Augen der Dorf-
bewohner gerichtet.

Müde, todmüde lehnte er sich in den Sorgen-
stuhl und sah zu, wie seine Enkelin Feuer an-
zündcte. Eine Thräne rann ihm über die Wange.
Das also mar das Ende seines langen Lebens.

Vier Wochen Gefängniß. Das blieb immer
an ihm hängen, und wenn er hundert Jahre
alt würde. — Er konnte den Gedanken nicht ab-
schütteln, er fraß wie ein schleichendes Gift.

Als Klaus Hasbecker gegen zehn Uhr seinen
Dienst antrat, wirbelte der Schnee in dichten
Flocken zur Erde. Ein rauher, kalter Nordwind
peitschte dieselben wild durcheinander und trieb sie
deni alten Manne in kurzen Stößen ins Gesicht.

Der aber fühlte nicht die eisige Kälte. Die
Flamme des Aufruhrs glühte in seiner Brust.
Langsam schritt er in dem Unwetter vorwärts;
er achtete nicht des Weges, er mußte nur an die
ihm zugefügte Schmach denken. Ein glühender
Haß stieg in ihm auf, Haß gegen den Schand-
buben, der Schuld mar an seinem Unglück.

Vorwärts schritt der Alte, hinein in die
gähnende Finstcrniß. Er war ganz erfüllt von

den gährenden, drängenden Gedanken, die ihm
das Hirn zermarterten.

Da plötzlich schwand ihm der Boden unter
den Füßen. Eiskalt umflutheten ihn die Wasser
des Dorfteiches. Ein dumpfer, gurgelnder Schrei
bebte von seinen Lippen. Dann war alles ruhig.

Nur der Wind heulte und brauste in den
Kronen der Bäume und trieb den Schnee in
dichten Schwaden vor sich her, denselben hie und
da zu hohen Mauern aufthürmcnd.

Wie das stöhnte und wüthete. Aechzend und
knarrend bogen sich die hohen Erlen, die den Teich
umsäumten, vor der Macht des Sturmes, und
ihre Wipfel peitschten das dichte Flockengewirr
mit tausend Ruthen.

Der Wintersturin sang dem armen Alten das
Grablied.

Dir Bilderstürmer.

von IC. F. Me^er *

Ich sprach: So, Hutten, kauu's nicht länger geh'n,
Heut mußt du wieder einmal Menschen seh'n!

Und sprang ins Boot und bahnte mir den Pfad
Mit Ruderschlag ans rechte Seegestad'.

Ein stattlich Dorf erzielt' ich mit dem Boot
Da regte sich's als wäre Feuersnoth.

Wo sich der Dorsbach in den See ergoß,

Lärmt eine Männerschaar, ein Kindertroß.

Aus ihrem Kirchlein schleppten mit Geschrei
Die Bilder ihrer Heil'gen sie herbei

lind warfen in die Fluth den ganzen Hort
Mit manchem schnöden Witz und frechen Wort.

Der Strudel führte weg den alten Graus
Und wnsch der Märi'rer blut'ge Wunden aus.

Wachsherz, Votivgcschenk, Reliquienschrein
Flog alles lustig in den Bach hinein -

* Aus „Hutten's letzte Tage". Von K. F. Meyer. Leipzig,
Verlag von H. Haessel.
 
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