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Da werd' ich eines Steingebilds
gewahr,

Mit schwiel'gen Händen hob's
ein Männerpaar

Und ich erschrak. Es war ein
zart Gebild:

Die Magd Maria lächelte so
mild

Und sah das grobe Volk so
rührend an,

Als spräche sie: Was Hab' ich
euch gethan!

Wie kam das Werk in dieses
Kirchleins Raum?

In Nürnberg selber sah ich
Bess'res kaum.

Man fühlte, baß ein Meister
spät und früh

Daran gewendet lauter Lieb' und
Müh'.

Zerstören, was ein gläubig Herze
schuf,

Gehorsam einem leisen Engel-
ruf,

Vernichten eine fromme Schöpfer-
lnst,

Ein Frevel ist's! Ich fühlt's in
tiefer Brust. . .

Gebiet' ich Halt? Ich? Ulrich
Hutten? Nein . ..

Ihr Männer, stürzt das Götzen-
bild hinein!

Ich trat hervor und rief's mit
strengem Mund.

Sie warfen. Etwas Edles ging
zu Grund.

Drr Trunk.

Blaufarbne Krüge brachten her
sie dann,

Sie schenkten ein und das Gelag
begann.

—„Dem fremden Herrn ein Glas!
Thut uns Bescheid,

Wenn Ihr nicht einer von den
Stolzen seid!

Stoßt an, Herr Ritter! ... Ihr
verzieht dm Mund?

Trinkt! Unser Wein ist süffig
und gesund!

Potz Hagel! Ist Euch unser Wein
zu schlecht?

Seid Ihr ein Päpstler oder
Fürstenknecht?

Schmeckt's?" — Köstlich.—„Noch
ein Glas und eines noch!

Der deutsche Herr auf Ufnau
lebe hoch!"

Ich trank und würgt' — es war
ein saurer Schluck —

Und schied mit einem biedern
Händedruck.

Ich machte mich davon mit guter
Art

Und lachte still ergötzt in meinen
Bart:

Der ich dem Kaiser und dem
Papst gedreut,

Dem Volke zu Gefallen log ich
heut'.


Me erste Frage.

Sie graben in der Erde Bauch,

Um Schätze dort zu heben,

Für kargen Lohn in bitt'rer Roth,

Sie wagen dort ihr Leben.

Ein Blitz, ein Knall, die finst're Macht,
Stürzt sich auf gute Beute,

Verschüttete in ew'ge Nacht
Zweihundert arme Leute.

Der Herr spielt grade Pharao,

Da bringt die Tranerkunde
Ein Bote, Thränen noch in: Aug'

Und spricht mit bangem Munde:

„Zweihundert Mann es uns erschlug!
Welch' Unglück, Euer Gnaden!"

Der Herr springt auf: „Um Gottes Will'n,
Sag' an, wie groß der Schaden?!"

flic ArlititerlikMgliilg in Frankreich.

Von 1890—1897.
von Dr. 33. Äritschewskr (Paris).

Die Aufgabe dieses Artikels ist nicht,
ein historisches Bild von der französischen
Arbeiterbewegung zu geben. Darüber ist an
anderer Stelle nachzulesen. Wo immer von
den französischen Arbeitern die Rede sein ivird,
stets werden die europäischen Proletarier mit
Verehrung zu den Februar- und Junikämpfern,
den echten Blutzeugen des Befreiungskampfes
der Arbeit vom Druck des Kapitals, empor-
blicken. — Heute wollen wir die französische

Arbeiterbewegung der neuesten Zeit schildern, >
die außerordentlich reich an lehrreichen Vor- j
gangen ist, so daß wir glauben, die deutschen '
Arbeiter iverden mit Interesse unserer Dar-|
stellung folgen.

Zum ersten Male schlossen sich die haupt-
sächlichsten sozialistischen Elemente Frank-
reichs auf dem Marseiller Kongreß von 1879
auf dem Boden des modernen Sozialismus
zusammen. Die 1882 eingetretene Spaltung
in eine „marxistische" Minderheit und eine
„possibilistische" Mehrheit, welch' letztere nach
und nach sowohl die letzten Ziele des Sozialis-
mus, wie die proletarische Klassenkampftaktik
verleugnen sollte, hat die normale Entwick-
lung der Bewegung hintangehalten. Vielleicht
in noch iveit stärkerem Grade wirkte in der-
selben Richtung der Boulangismus vom Ende!
der achtziger Jahre. Das mit der Entwicklung
der kapitalistischen Industrie seit 1871 ange- i
Wachsens Proletaria! war bereits dahin ge-!
kommen, eine dumpfe Unzufriedenheit mit der
Bourgeoisrepublik zu empfinden. Insofern j
es aber mit den bürgerlichen Parteien, ein-
schließlich der kleinbürgerlich-demokratischen!
Radikalen, brach, schaarte es sich um die
Fahne des demagogischen Generals Boulanger, j
der ja allen Schichten der Unzufriedenen etwas !
versprach.

Die junge sozialistische Partei begann ihre >
Anziehungskraft auf die Masse des Proletariats !
erst nach dem schmählichen Zusammenbruch
des Boulangismus auszuüben. Das zeigte sich
namentlich in den ersten Maikundgebungen,
in den Gemeindewahlen von 1892 und
im Bergarbeiterstreik von Carmaux
(1892).

Die Regierung der Bourgeoisrepublik, die
soeben mit dem boulangistischen Sammelsurium
fertig geworden war, glaubte die proletarische
Klassenbewegung ebenso leicht unterdrücken zu
können. Der Erfolg war der gleiche wie
überall, wo die Polizei den Kampf gegen die
geschichtliche Entwicklung aufnimmt. Die
Unterdrückungsversuche haben den Sozialis-
mus nur in beit Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses gerückt und damit die Bewegung
rascher gestärkt als die voraufgegangene Agita-
tions- und Organisationsarbeit.

Die erste Maifeier von 1890, das Resul-
tat des in Paris 1889 abgehaltenen inter-
nationalen sozialistischen Kongresses, brachte
in über hundert größeren Städten mehr als
400000 Manifestanten auf die Straße, welche
dem Präsidium der Deputirtenkammer in Paris,
den Gemeinde- und Regierungsbehörden in der
Provinz Massenpetitionen für den Achtstunden-
tag überbrachten. Die Bourgeoisie gerieth vor
der ungewohnten Massenkundgebung in pani-
schen Schrecken. Sie sah darin nichts weniger
als das Signal zur sofortigen sozialen Revo-
lution. Der Minister des Innern, Constans,
ein Bismarck in Duodez, benutzte nun die
Angststimmung der herrschenden Klasse, um
für die Maifeier von 1891, trotz oder vielmehr
gerade wegen des durchaus friedlichen Ver-
laufs der Maifeier von 1890, Vorkehrungen
wie für eine Straßenschlacht zu treffen. Alle
Industriezentren wurden mit Militär über-
schwemmt und die friedlichen Manifestanten
durch Kavallerieattacken auseinandergejagt.

Den Gipfelpunkt erreichte dieprovokatorische
Gewaltorgie im Gemetzel von Fourmies
(einem Jndustrieort im Norddepartement).
 
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