Vas Münchner „Mädchen ans der Fremde".
Im Juni 1848 sprachen die Herren der
Frankfurter Paulskirche über die Zentral-
gewalt. Zweiundsechzig Redner schütteten ihre
Herzen aus. Einzelnen bangte ob nahender
Wühlerei. „Wir Alle säßen nicht hier, wenn
nicht so lange gewühlt worden wäre", tröstete
sie Robert Blum. Dann rief er, zu einer
anderen Gruppe sich wendend: „Es gab einen
Staat in Deutschland, der auch auf dem histo-
rischen Rechtsboden stand; auf dem histori-
schen Rechtsboden, den Sie so häufig uns ver-
führen. Dieser Staat ward in seinen
Grundvesten erschüttert durch den Fuß
einer Tänzerin."
In Bayern war's thatsächlich geschehen.
Zu seiner Krone „von Golde schwer" hatte
Ludwig I. einen rechtschaffenen Sparren geerbt.
Er schwärmte für die Poesie und träumte
von einem Isar-Athen; er huldigte der Poesie
und rührte das Saitenspiel selber mit drolli-
gem Eifer; er war ein gemüthlicher Herr und
liebte Brünetten und Blondinen in zwangloser
Reihenfolge. Nur wollte er nicht gestört sein.
Bayern war das Paradies der Pfaffen.
Spät erst kam dem König die Einsicht, daß
die Sakristei nicht alles Heil verbürge, nament-
lich als Fürst Leiningen im Frühling 1846
bemerkte, bei weiterer Dauer der ultramontanen
Wirthschaft würde die Revolution in
Bayern ein gepflügtes Feld vorfinden.
„Im Oktober", lesen wir bei Treitschke,
„erschien die Tänzerin Lola Montez auf dem
Münchner Theater, ein verrufenes Weib, das
schon in Ostindien, in England, in Paris, in
Baden, überall seltsame Abenteuer erlebt hatte.
Tochter eines schottischen oder irischen Vaters
und einer kreolischen Mutter, besaß sie den
Zauber nordischer und südländischer Schönheit
zugleich und verdiente es wohl, daß Stieler
sie für die Galerie der Wittelsbacher malte.
Eine Künstlerin war sie nicht; aber wenn sie
in dem leidenschaftlichen Tanze El Ole allen
Liebreiz ihrer üppigen und doch schlanken
Glieder zeigte, dann widerstanden die Männer
nicht leicht dem Gluthblick dieser wundersamen
Augen. Frech, schamlos, unersättlich in der
Wollust, wie die Sempronia der katilinarischen
Verschwörung, verstand sie unter Freunden
auch anmuthig, ja geistreich zu plaudern; sie
tummelte sich gewandt auf feurigen Rossen,
sang seelenvoll zur Zither, trug spanische Ro-
manzen lebendig und mit wohltönender Stimme
vor; ihren Feinden ging sie herzhaft zu Leibe,
mit der Reitpeitsche oder auch mit Ohrfeigen.
Den König bethörte sie auf den ersten Blick
vollständig; es war, als ob sie ihm einen
Minnetrank gereicht hätte."
Das „Mädchen aus der Fremde" hatte,
von der Theaterintendanz abgewiesen, keck eine
Audienz beim König nachgesucht. „Was .soll
ich jede hergereiste Tänzerin sehen?" ineinte
dieser. „Es wäre schon der Mühe werth",
versetzte ein Flügeladjutant, „sie ist sehr
hübsch." Nun sprang die Pforte vor ihr auf.
Ein sauberes Exemplar, aber doch schon
stark gelesen, diese Lola. Durch wie viele
Hände sie damals bereits gewandert war,
haben die Gelehrten nicht festzustellen vermocht.
Irgendwo in Spanien oder Irland zuchtlos,
als richtiger Wildling ausgewachsen, heirathete
sie früh, um früh dem Gatten zu entlaufen
und dem Dirnenfach sich zuzuwenden, auf
welches sie auch ihr Temperament und eine
verblüffende Unverschämtheit wiesen. Nach
den unlängst erschienenen Aufzeichnungen eines
Engländers besaß sie die ihr von Treitschke
nachgerühmten feineren Qualitäten keineswegs.
Sie tanzte ordinär, sie drückte sich deutsch und
französisch und englisch gleich ungeschlacht aus,
Ludwig I.
ihr Wörterschatz hielt die Mitte zwischen dem
einer prätentiösen Kammerjungfer und dem
eines Fischweibes, ihr Geist genügte knapp
für einen Rauchsalon. Sie hatte in London
und Warschau als Balleteuse, in Brüssel als
Straßensängerin gewirkt, in Paris das Lager
mit einem Journalisten getheilt, auch an
anderen Orten sich getummelt. Auf einen
fürstlichen Gimpel wetzend, studirte sie emsig
den Almanach von Gotha. Zwar entging ihr
in Berlin der erhoffte Prinz, dafür eroberte
sie den schnurrigen Fürsten von Reuß-Loben-
stein-Ebersdorf, Heinrich den Zweiundsieb-
zigsten. Aber in Ebersdorf war's hunde-
langweilig. Mit bescheidenem Honorar verließ
sie seine „Staaten", wirbelte nach Heidelberg,
und von diesem Musensitze aus nach München.
Der alte „Ludwigl" richtete ihr ein warmes
Nest ein, so daß ihr nichts mehr im Wege
war, als ihr eigenes Naturell. Die Münchener
nahmen keinen Anstoß an ihrem Metier; man
war's gewöhnt, schreibt Bluntschli in seinen
Memoiren, daß der König Nebenfrauen hul-
digte. Aber Lolas Finger griffen hitzig in die
Fäden der Politik, und dieser Frevel ward ihr
nicht verziehen. Mochte die Buhlerin ihres
Amtes warten — das Mitregieren verbat man
sich, das war zu viel von einem fremden
Mensch! Gesellschaftlich boykottirt, rächte sie
sich durch Impertinenzen; sie biß den ihr ver-
haßten Polizeidirektor von Pechmann weg und
noch ein Dutzend Beamter bekam den Abschied.
„Ludwigl" that, was Lola wünschte, —, „ein
Thor ist immer willig, wenn eine Thörin will",
hat Heine gesungen — er pries sogar ihren
Busen in höckerigen Gedichten. Von einem
Verehrer ehrlich gewarnt, betheuerte er, nie-
mals die letzte Gunst der Holden begehrt zu
haben, und sämmtliche bayerische Bischöfe er-s
hielten die Versicherung in Abschrift. „Um
so verrückter", meinte ein Minister Sachsens,
als er davon hörte.
J,n Grunde war Lola der politische Kurs
ganz egal, wenn sie nur kommandiren, sich
als Regentin gebahren durfte. Die Ultra-
montanen würden ihr diese Beschäftigung
gerne gestattet, ihr auch den Mangel an
Tugend nicht verübelt haben — inan war
schon über Schlimmeres hinweggehopst —
hätte sie nur der'schwarzen Flagge
schworen. Allein das Mädchen aus der Frernb^
mochte wittern, daß das Kabinet v. Abel auf
dem letzten Loche pfeife; dreist schlug es sich
auf die andere Seite, höhnte die Kuttenträger
und warf sich zur Beschützerin liberaler Be-
strebungen auf.
Die Gegnerschaft knirschte und lauerte
drauf, zu vergelten; sie sammelte, was über
den Wandel der Dame verlautete, und die
Blätter, mit Ausnahine der bayerischen, welchen
das Papagenoschloß vorgehängt war, strotzten
von Späßen über Lola. Das Albernste schwatzte
sich herum, und während Europa lachte,
schmachtete der König mit „teutscher" Treue;
als das Liebchen, nicht mehr zufrieden mit dem
ihr geschenkten Haus und anderen Spenden,
obendrein Gräfin von Landsfeld werden wollte,
{ nickte er zustimmend.
Doch die Sache hatte ihren Haken. Erst
mußte das „fremde Mensch" das bayerische
Staatsbürgerrecht haben, und pfiffig verwei-
gerte das Ministerium den Akt; jetzt winkte
Gelegenheit, im Mantel fronnner Zucht und
Sitte von einer Bühne herunter zu schreiten,
auf der es nicht mehr geheuer war. Es sandte
in der zweiten Woche des Februar 1847 ein ge-
heimes Memorandum an den Gebieter, in
welchem er ob seines sträflichen Verhältnisses
regelrecht abgekanzelt wurde. Bleibe ihr „heißes
Flehen" unberücksichtigt, erklärten die Herren
zuletzt, so möge man sie ziehen lassen. DaS
war ein neuer Ton. Das geheime Schriftstück
drang auch natürlich schnell in die Oeffentlich-
feit, ward überall gelesen und glossirt. Lola
schäumte vor Wuth, das von ihr gefütterte
Gesindel schäumte mit und „Ludwigl dichtete".
In einem Sonette bombastete er den fort
gejagten Gesellen nach:
„Ihr, die Ihr knechten mich gewollt, erzittert!
Ich preis es, das entscheidende Ereigniß,
DaS Eure Macht auf ewig hat zernichtet."
Im Juni 1848 sprachen die Herren der
Frankfurter Paulskirche über die Zentral-
gewalt. Zweiundsechzig Redner schütteten ihre
Herzen aus. Einzelnen bangte ob nahender
Wühlerei. „Wir Alle säßen nicht hier, wenn
nicht so lange gewühlt worden wäre", tröstete
sie Robert Blum. Dann rief er, zu einer
anderen Gruppe sich wendend: „Es gab einen
Staat in Deutschland, der auch auf dem histo-
rischen Rechtsboden stand; auf dem histori-
schen Rechtsboden, den Sie so häufig uns ver-
führen. Dieser Staat ward in seinen
Grundvesten erschüttert durch den Fuß
einer Tänzerin."
In Bayern war's thatsächlich geschehen.
Zu seiner Krone „von Golde schwer" hatte
Ludwig I. einen rechtschaffenen Sparren geerbt.
Er schwärmte für die Poesie und träumte
von einem Isar-Athen; er huldigte der Poesie
und rührte das Saitenspiel selber mit drolli-
gem Eifer; er war ein gemüthlicher Herr und
liebte Brünetten und Blondinen in zwangloser
Reihenfolge. Nur wollte er nicht gestört sein.
Bayern war das Paradies der Pfaffen.
Spät erst kam dem König die Einsicht, daß
die Sakristei nicht alles Heil verbürge, nament-
lich als Fürst Leiningen im Frühling 1846
bemerkte, bei weiterer Dauer der ultramontanen
Wirthschaft würde die Revolution in
Bayern ein gepflügtes Feld vorfinden.
„Im Oktober", lesen wir bei Treitschke,
„erschien die Tänzerin Lola Montez auf dem
Münchner Theater, ein verrufenes Weib, das
schon in Ostindien, in England, in Paris, in
Baden, überall seltsame Abenteuer erlebt hatte.
Tochter eines schottischen oder irischen Vaters
und einer kreolischen Mutter, besaß sie den
Zauber nordischer und südländischer Schönheit
zugleich und verdiente es wohl, daß Stieler
sie für die Galerie der Wittelsbacher malte.
Eine Künstlerin war sie nicht; aber wenn sie
in dem leidenschaftlichen Tanze El Ole allen
Liebreiz ihrer üppigen und doch schlanken
Glieder zeigte, dann widerstanden die Männer
nicht leicht dem Gluthblick dieser wundersamen
Augen. Frech, schamlos, unersättlich in der
Wollust, wie die Sempronia der katilinarischen
Verschwörung, verstand sie unter Freunden
auch anmuthig, ja geistreich zu plaudern; sie
tummelte sich gewandt auf feurigen Rossen,
sang seelenvoll zur Zither, trug spanische Ro-
manzen lebendig und mit wohltönender Stimme
vor; ihren Feinden ging sie herzhaft zu Leibe,
mit der Reitpeitsche oder auch mit Ohrfeigen.
Den König bethörte sie auf den ersten Blick
vollständig; es war, als ob sie ihm einen
Minnetrank gereicht hätte."
Das „Mädchen aus der Fremde" hatte,
von der Theaterintendanz abgewiesen, keck eine
Audienz beim König nachgesucht. „Was .soll
ich jede hergereiste Tänzerin sehen?" ineinte
dieser. „Es wäre schon der Mühe werth",
versetzte ein Flügeladjutant, „sie ist sehr
hübsch." Nun sprang die Pforte vor ihr auf.
Ein sauberes Exemplar, aber doch schon
stark gelesen, diese Lola. Durch wie viele
Hände sie damals bereits gewandert war,
haben die Gelehrten nicht festzustellen vermocht.
Irgendwo in Spanien oder Irland zuchtlos,
als richtiger Wildling ausgewachsen, heirathete
sie früh, um früh dem Gatten zu entlaufen
und dem Dirnenfach sich zuzuwenden, auf
welches sie auch ihr Temperament und eine
verblüffende Unverschämtheit wiesen. Nach
den unlängst erschienenen Aufzeichnungen eines
Engländers besaß sie die ihr von Treitschke
nachgerühmten feineren Qualitäten keineswegs.
Sie tanzte ordinär, sie drückte sich deutsch und
französisch und englisch gleich ungeschlacht aus,
Ludwig I.
ihr Wörterschatz hielt die Mitte zwischen dem
einer prätentiösen Kammerjungfer und dem
eines Fischweibes, ihr Geist genügte knapp
für einen Rauchsalon. Sie hatte in London
und Warschau als Balleteuse, in Brüssel als
Straßensängerin gewirkt, in Paris das Lager
mit einem Journalisten getheilt, auch an
anderen Orten sich getummelt. Auf einen
fürstlichen Gimpel wetzend, studirte sie emsig
den Almanach von Gotha. Zwar entging ihr
in Berlin der erhoffte Prinz, dafür eroberte
sie den schnurrigen Fürsten von Reuß-Loben-
stein-Ebersdorf, Heinrich den Zweiundsieb-
zigsten. Aber in Ebersdorf war's hunde-
langweilig. Mit bescheidenem Honorar verließ
sie seine „Staaten", wirbelte nach Heidelberg,
und von diesem Musensitze aus nach München.
Der alte „Ludwigl" richtete ihr ein warmes
Nest ein, so daß ihr nichts mehr im Wege
war, als ihr eigenes Naturell. Die Münchener
nahmen keinen Anstoß an ihrem Metier; man
war's gewöhnt, schreibt Bluntschli in seinen
Memoiren, daß der König Nebenfrauen hul-
digte. Aber Lolas Finger griffen hitzig in die
Fäden der Politik, und dieser Frevel ward ihr
nicht verziehen. Mochte die Buhlerin ihres
Amtes warten — das Mitregieren verbat man
sich, das war zu viel von einem fremden
Mensch! Gesellschaftlich boykottirt, rächte sie
sich durch Impertinenzen; sie biß den ihr ver-
haßten Polizeidirektor von Pechmann weg und
noch ein Dutzend Beamter bekam den Abschied.
„Ludwigl" that, was Lola wünschte, —, „ein
Thor ist immer willig, wenn eine Thörin will",
hat Heine gesungen — er pries sogar ihren
Busen in höckerigen Gedichten. Von einem
Verehrer ehrlich gewarnt, betheuerte er, nie-
mals die letzte Gunst der Holden begehrt zu
haben, und sämmtliche bayerische Bischöfe er-s
hielten die Versicherung in Abschrift. „Um
so verrückter", meinte ein Minister Sachsens,
als er davon hörte.
J,n Grunde war Lola der politische Kurs
ganz egal, wenn sie nur kommandiren, sich
als Regentin gebahren durfte. Die Ultra-
montanen würden ihr diese Beschäftigung
gerne gestattet, ihr auch den Mangel an
Tugend nicht verübelt haben — inan war
schon über Schlimmeres hinweggehopst —
hätte sie nur der'schwarzen Flagge
schworen. Allein das Mädchen aus der Frernb^
mochte wittern, daß das Kabinet v. Abel auf
dem letzten Loche pfeife; dreist schlug es sich
auf die andere Seite, höhnte die Kuttenträger
und warf sich zur Beschützerin liberaler Be-
strebungen auf.
Die Gegnerschaft knirschte und lauerte
drauf, zu vergelten; sie sammelte, was über
den Wandel der Dame verlautete, und die
Blätter, mit Ausnahine der bayerischen, welchen
das Papagenoschloß vorgehängt war, strotzten
von Späßen über Lola. Das Albernste schwatzte
sich herum, und während Europa lachte,
schmachtete der König mit „teutscher" Treue;
als das Liebchen, nicht mehr zufrieden mit dem
ihr geschenkten Haus und anderen Spenden,
obendrein Gräfin von Landsfeld werden wollte,
{ nickte er zustimmend.
Doch die Sache hatte ihren Haken. Erst
mußte das „fremde Mensch" das bayerische
Staatsbürgerrecht haben, und pfiffig verwei-
gerte das Ministerium den Akt; jetzt winkte
Gelegenheit, im Mantel fronnner Zucht und
Sitte von einer Bühne herunter zu schreiten,
auf der es nicht mehr geheuer war. Es sandte
in der zweiten Woche des Februar 1847 ein ge-
heimes Memorandum an den Gebieter, in
welchem er ob seines sträflichen Verhältnisses
regelrecht abgekanzelt wurde. Bleibe ihr „heißes
Flehen" unberücksichtigt, erklärten die Herren
zuletzt, so möge man sie ziehen lassen. DaS
war ein neuer Ton. Das geheime Schriftstück
drang auch natürlich schnell in die Oeffentlich-
feit, ward überall gelesen und glossirt. Lola
schäumte vor Wuth, das von ihr gefütterte
Gesindel schäumte mit und „Ludwigl dichtete".
In einem Sonette bombastete er den fort
gejagten Gesellen nach:
„Ihr, die Ihr knechten mich gewollt, erzittert!
Ich preis es, das entscheidende Ereigniß,
DaS Eure Macht auf ewig hat zernichtet."