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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0042
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2664

Aes Zweifels Beute, wendet an den Vater
In grauer Dämmerstunde sich -er Sohn,
Verstörten Sinnes und gequälten Herzens:

,,Sag, was ist Wahrheit? was ist Wissenschaft?
was gelten, was bedeuten sie im Leben?"

Der Alte wiegt gedankenvoll das Haupt
Und sinnend streichelt seine Hand den Bart.

Dann huscht ein schalkhaft Lächeln über das Gesicht,
Als er dem Jungen Antwort nun ertheilt.

,,Im Mittelpunkt -es Ganzen steht -er Thron
Und feine Stütze ist der Kirchenglaube.

Daß es so sei, sein müsse und nicht anders
Je werden könne, hat die Wissenschaft
Durch ihre würd'gen Lehrer zu beweisen.

Ls liegt ihr ob, alltäglich festzustellen,

Daß es Regierte und Regierende
Von jeher gab und ewig geben wird,

Daß Tausende mit Sätteln aus dem Rücken
Und Einzelne mit Sporen an den Fersen
Geboren werden und daß Tausende

Im Schweiß -es Angesichtes schaffen müssen,
Damit nach Wahrheit Liner forschen kann.

In viele Kerzen ist nun leider Gottes
In neuster Zeit ein böser Geist gefahren,

Der Geist -es Zweifels, dem nichts heilig;

Lr nagt und bohrt und unterwühlt das Ganze
Und borgt dabei der Wissenschaft Gewand.

Doch wider ihn und sein verderblich walten
Schützt uns und alle Güter der Kultur
Die axprobirte wahre Wissenschaft,

Die ungehindert sich entfalten kann,
weil ihr der Staat im Uothfall mit Gendarmen
Umsichtig, nachdrucksam den Rücken deckt, (heit,
Verstehe so, mein Sohn, die Wissenschaft und wahr-
So wird's auf Lrden stets Dir wohl ergehn."

Verständnißinnig hat's der Sproß erwogen,

Dann spricht für die erhaltene Belehrung
Lr seinen schuld'gen Dank dem Alten aus,

Geht hin und wird — ein strammer Sozialist.

Auf -er Suche nach Wahrheit.

Inhalt der Unterhaltung» -Beilage.

Chorgesang der Wiener Studenten-Legion von 1648. Lied
mit Noten. — Brief aus der Unterwelt. — Ernstes und
Heiteres aus den Jahren 1848-49: „An der schönen
blauen Donau." Von D. G-. (Jllustrirt.) — Momentbilder
aus der deutschen Kolonialpolitik. (Jllustrirt.) — Nevolutions-
kalender für das Jahr 1848. — Heiteres aus dem Jahre 1848:
Neue erfolgreiche Manier, eine Bittschrift zu überreichen.
(Jllustrirt.) Große außerordentliche Zauber-Vorstellung.
Chinesische Farbenspiele. (Jllustrirt.) — Anzeigen.

Anno 1848.

Äinanzminister in Audienz.

„was striugc» Mir Eure Erzellenz?"
„„Majestät! Der neuen Prägung prosten!

Ähre Eleganz ist sehr zu losten.""

„5o weisen Sic doch den Goldfuchs her?!

Nlestt er den» an den Fingern so sehr?

Möchten wohl gleich das Zpielding stehallen?

Zieh da! Nun Können Mir wieder schallen."

„„Die Prägung enlspricht der Neuzeit Bedarf:
Die Anschrist ist zierlich und lesbar scharf;

Ahr Bildnist, Sire, ist wohlgelrosten:

häösch länglich das Ghr, der Mund halst offen.""

(Du griff nach dein halse sich der Monarch)
„verdammt! Die Täuschung ist gar zu arg,

Ach must an Ludwig de» Aechzehnkcn denken
Und Mich in seine Geschichte versenken.

„Das ist ja Mein höchsteigener Napf,
vom Rumpfe so schön geschnitten am Rrops!
Voll Ach das nehmen als Vorbedeutung,

Dast Mein prozest schon in voröereitung?

„Meine Unterthancn Haffen Mich sehr,

Polizei! Pastoren! Voldaten her!

Die Murrenden rUlleln schon an den Thoren,

hilf Himmel, Mein Nops! Ach bin verloren!"

A. r.

Ein Spiegelbild.

Zwei Mächte, alt und stark und edel,

Der Säbel und der heil'ge Wedel,

Die haben, wie man sagt, am Strick
Und springen nächstens ins Genick
Mit wildem Satz der Republik!

Ob ihr's gelingt, sich glücklich und mit Ehren
Des mörderischen Anfalls zu erwehren?

Betrachte man die Dinge wie man wolle —
Begegnen wird man wahlverwandtem Grolle,
Der jede freie Regung haßt
Und jedem nach der Gurgel faßt,

Der nicht in seine Kreise paßt.

Im hochgelobten deutschen Kaiserreiche
Wie in der Republik — es ist das Gleiche!

Mephisto und seine Großmutter.

(Die Großmutter sitzt am Spinnrad hinter dem Höllen-
ofen und spinnt. Sie braut sich im Ofen einen Eisbrecher.
Mephisto liegt behaglich auf einem glühenden Rost und raucht
eine Zigarre aus dem Strick eines Gehängten.)

Die Großmutter (bestiindig mit dem Kopfe
wackelnd): Bist Du nicht lustig, mein süßes Raben-
oieh? Was fehlt Dir?

Mephisto: Ich habe Sodbrennen.

Die Großmutter: Au je, das kommt von
der Politik!

Mephisto: Das rebellische Proletariat stößt
mir auf. Ich Hab' den Sozialismus im Magen.

D i e G ro ß m utter: Halt' Dich an die Agrarier,
sag' ich Dir, mein Schwefelprinz, halt' Dich an
die Agrarier!

Mephisto: Ja, meine allerbeste lausige Altsche,
was soll ich aber für sie thun, damit sie mir
ihre Gunst bewahren?

Die Großmutter: Stopf' ihnen doch 'mal
wieder den Rachen voll!

Mephisto (finnt nach,: Potz Wetter, Hagel
und Pest! Wozu bin ich der Gott der Läuse?
Die amerikanischen Aepfel sollen Läuse haben.

Die Großmutter: Gieb ihnen zum Obst
aber noch etwas Gethier.

Mephisto: Einen Kuß will ich Dir geben,
altes Höllenmensch (sie kiiss-n sich L In Götz von Ber-
lichingen) und den amerikanischen Pferden die Roh-
krankheit. (Ab nach Berlin.,

Sächsische Gemütlzlichbeit.

„Es war nur ein ganz kleines Kettchen",
sagte der sächsische Justizminister, als ihm im
Landtage vorgehalten wurde, daß ein Redakteur
in Ketten transportirt worden sei. Wenn nun
nächstens ein Angeklagter in Sachsen vor Ge-
richt steht, der das Unglück gehabt hat, einen
Menschen todtzuschießen, dann wird er mit freund-
lichem Lächeln versichern: „Aber es war nur
eine ganz kleine Kugel". Und der Mann
wird natürlich glänzend freigesprochen, zum Be-
weis, daß in Sachsen die Gemüthlichkeit noch
nicht ausgestorben ist.

Die Post als Heiralhsbureau.

Im Reichstag preist man in hohem Ton
Der unteren Postbeaniten Lohn,

Und würdevoll spricht der alte Lingens:

„Die Telephonistinnen, die bringen's
So weit in der Welt heut wie sonst Keine.
Mein Enkel heirathet nächstens eine."

Professor Paasche sich hören läßt:
„Landbriefträger, das ist das Best'.

Wie gesund ist doch das Laufen und Wandern!
Meine Tochter sagt, sie nimmt keinen Andern."

Kongrrtz der Taschendiebe.

Gleichzeitig mit dem Parteitag der Konser-
vativen fand in Dresden, wie uns berichtet wird,
im „Hotel zum langen Finger" ein Kongreß der
Taschendiebe statt. Auf demselben wurde
folgende Resolution angenommen: „Der Kongreß
deutscher Taschendiebe erachtet es für geboten, daß
gegenüber den sich jetzt vielfach vordrängenden,
rein materialistischen Bestrebungen die idealen
Ziele unserer Vereinigung kräftig betont werden.
Eine Interessengruppe sind die Taschendiebe nie-
mals gewesen und können sie niemals werden.
Sie haben immer das ideale Ziel verfolgt: Pflege
der Kunst im Stibitzen. Ihr Sinn war stets
auf das wahrhaft Gute gerichtet, wegen Liebes-
briefe, Gedichte, Zahnstocher und dergleichen haben
sie niemals die Hand in anderer Leute Taschen
gesteckt.
 
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