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Die Wiener waren nervös; die Leidenschaft
mutzte ihnen eingeflößt werden und das geschah
von Ungarn aus, von Preßbnrg, wo die magya-
rischen Deputirten weilten. „Wir wälzen den
Stein des Sisyphus", ries dort am 3. März
Kossuth, der glänzendste Rhetor der achtundvier-
Mer Bewegung; „wir martern uns auf der
Tretmühle ab mit nutzlosem Thun und aus der
Beinkammer des Wiener Regierungs-
systems qualmt eine erstickende Lust,
welche die Nerven austrocknet. . . ." Nur
die Vereinigung der österreichischen Nationalitäten
auf dem Boden einer Verfassung schütze vor
dem Niedergang der Monarchie; Bureau und
Bajonett vermögen ihn nicht zu hindern.
Das hietz, trivial ausgedriickt, der Katze die
Schelle anhängen. In unzähligen Abschriften
zwkulirend, ward diese sublime Brandrede ge-
lesen >md wieder gelesen; sie hatte ein Echo,
welches die Schläfer aufjagie und in den Cafes
und Kneipen Wiens sprach man so laut und un-
genirt davon, als seien die „Naderer", wie die
Spitzel damals hießen, alle schon draufgcgangcn.
ivohl die Aufregung zu dämpfen sei; die „schlimme
Sophie" bohrte wie besessen gegen Metternich.
Man kam zu keinem Schluß. Die Wiener
Bürger aber, die mohlgebürstetcu und mit Zylinder-
hut versehenen, promenirten vor das Landstände-
lokal, dieser unschuldigen Genossenschaft zu er-
öffnen, man stehe „hinter ihr", ivenn sie die
Wünsche des Volkes dem Herrscher ausrichte.
Auch die Studenten erschienen in stattlicher Ko-
lonne, so sehr Professor Hyc im Leicheubitterton
sie davor warnte. Doch Niemand, der die Formel
fand, bis plötzlich ein helles Lebehoch auf die Frei-
heit schallt und herunter vom Dache des Brunnens
ein junger Tiroler die Kossuthrcde dcklamirt; das
Signal zum brausenden Chor. Was ängstlich
bisher verschwiegen worden, es barst jetzt nur so
aus der Kehle. Abdanken sollte Metternich, zum
Teufel sollte die jesuitische Blase gehen, man
sprach von Waffen, forderte ein konstitutionelles
Oberhaupt und stürmte, da oben die Herren
im Ständesaal staatsmännisch schlotterten, zu
ihnen hinauf — so ungestüm, daß Wände krachten
und Scheiben klirrten und der Landesmarschall
Kolben dreinschlagend. „Kanaillen, Lumpen, da
habt ihr's!" kreischte ihr Hauptmann, wie toll
mit seinem Säbel um sich metzgernd. Einzelne
Gruppen zersprengte die Reiterei. Die Soldateska
hatte es gut. Es gab in Wien noch keine Barri-
kaden-Wissenschaft.
Ward das heiße Eisen nicht geschmiedet, gings
den Studenten an den Kragen; sie, die „Anstifter",
wußten, was ihrer ivartete, wenn es nicht gelang,
die Gewalthaber wuchtig au die Wand zu drücken.
Auf die ehrsamen, mohlsituirtcn Biedermänner,
die momentan schnaubend mit Flinte und Hirsch-
fänger auf den Plätzen erschienen, war wenig
Verlaß; gar zu leicht kippten die um. Boten
rannten deshalb nach den ärmeren Quartieren,
die proletarische Bevölkerung aufzubieten, und die
unteren Schichten griffen auch munter ein nach
ihrer Weise. Sie nahmen Wachtlokale und öffent-
liche Gebäude aufs Korn, schmissen die Fenster
eines Flügels der Hofburg ein, ruinirten die Villa
Metternichs so gründlich, daß nur die nackten
Mauern noch standen, und auf dein Glacis
wurden weithin die Gasrohren bloßgclegt; ge-
Feierliches Leichenbegängniß der Gefallenen in Wien am 17. März 1848.
Hatte die liberale Schweiz gesiegt uu
einen König abgeschüttclt, galt es, st«
Aiit Adressen, die weder Hörner noch <0
üug das an. Das war so deutsch'
„nahte" der Krone in Demuth. Der
reichische Gewerbeverein schritt voran
tisch-juridische Leseverein, das Zentru
tcüigenz" folgte nach, die akadenüs
stieß hinzu; zweitausend Hörer der
Unterzeichneten ein Gesuch um Rede-
um Lehr- und Lernsreiheit, um gleicht
Konfessionen und verwandte Dinge.
Jungen der Aula sollten ausgepeits
war die Ansicht einer Hoswanze und
von billigem, albernem Spott ergoß si
über die Knaben, die statt komme
sausen und zu randaliren, die revolut
Hut wurden. Grüne Politiker in der
aussassend und drollig eifernd, und doc
Korps, von dem ein poetischer Schim
Rebellion hin leuchtete.
Wo die Konfusion am größten, is
am nächsten; am 13. März war s
der kaiserlichen Burg erwogen Staat
milienrath im Schweiße ihres Ang
zum sauren Gange sich herbciließ. Mit einem
Rudel Kollegen, geschoben, geschleppt von den
Studenten, ging er nach der Burg, ward nicht
vorgelassen und vertröstet, daß man das „zum
allgemeinen Wohle Dienende" schleunigst anzu-
ordnen gedenke; das amtliche Gauner-Deutsch.
Weithin kreiste indessen schon das Gerücht von
Exzessen, die beim Ständchauscstattgefunden hätten.
Dorthin geschickte Patrouillen vernwchten sich nicht
durchzuquetschen und eine Kompagnie böhmischer
Grenadiere richtete ebenso wenig aus; man lachte
vergnügt, als sie in eine Seitengasse schwenkte,
hob aber, zumal sie wicderkommen konnte, Steine
und Brettertrümmer auf. Da tauchte die Gestalt
des Stadtkommandanten, des Erzherzogs Albrecht
auf. Unter ihm hatten die Wachen zum öftern
Personen niedergeknallt, nur weil sie nicht eilig
genug Zigarre oder Pfeife aus dem Munde ge-
nommen; er war deshalb sehr unbeliebt. Sie
möchten die Vivats sparen und sich trollen, schnarrte
er die Hüte und Kappen Schwenkenden an, salu-
tirte ironisch, als gezischt ward, — und jetzt traf
ihn ein Holzsplitter. Der Herr Erzherzog ritt ab
und gleich darauf kamen im Laufschritt Pioniere,
auf den Knäuel Wehrloser feuernd und nüt dem
(Zeitbild.)
spenstisch flackerte das brennende Gas zum Nacht-
himmel auf.
Der Tobten und Verwundeten waren fünfzig
an diesem 13. März. „Freilich, es fehlte furcht-
bar wenig, daß vor den Thoren der Burg selbst
ein Blutbad angerichtct wurde. Die Menge stand
dort so dicht, daß ihre Vorderreihe hart an die
Bajonette der abspcrrcnden Postenkette und an die
Mündungen der daselbst aufgefahrenen Kanonen
geschoben war. Einer der vielen Erzherzöge, die
sich unnütz inachten, befahl zu kartätschen; allein
ein verständiger Feuerwerker nahin den Artillc-
risten die brennenden Lunten weg und trat sie aus.
Feuerwerker müssen Verstand besitzen,
Erzherzöge müssen geboren werden."
Im kaiserlichen Palast ging es während des
Straßengetünunels kunterbunt genug zu; Ernst
mit Possenelement gemischt. Eine fast rührende
Anarchie in den heiligen Hallen! Die Etikette
am Boden, die Großschnauzigkeit der Höflinge
durch Bauchweh abgelöst. Von den zärtlichen
Verwandten im Käfig verwahrt, murmelte der
blöde gute Ferdinand einmal über das andere:
„Ich laß nit schießen!" Seine Sippe hätte nur
Die Wiener waren nervös; die Leidenschaft
mutzte ihnen eingeflößt werden und das geschah
von Ungarn aus, von Preßbnrg, wo die magya-
rischen Deputirten weilten. „Wir wälzen den
Stein des Sisyphus", ries dort am 3. März
Kossuth, der glänzendste Rhetor der achtundvier-
Mer Bewegung; „wir martern uns auf der
Tretmühle ab mit nutzlosem Thun und aus der
Beinkammer des Wiener Regierungs-
systems qualmt eine erstickende Lust,
welche die Nerven austrocknet. . . ." Nur
die Vereinigung der österreichischen Nationalitäten
auf dem Boden einer Verfassung schütze vor
dem Niedergang der Monarchie; Bureau und
Bajonett vermögen ihn nicht zu hindern.
Das hietz, trivial ausgedriickt, der Katze die
Schelle anhängen. In unzähligen Abschriften
zwkulirend, ward diese sublime Brandrede ge-
lesen >md wieder gelesen; sie hatte ein Echo,
welches die Schläfer aufjagie und in den Cafes
und Kneipen Wiens sprach man so laut und un-
genirt davon, als seien die „Naderer", wie die
Spitzel damals hießen, alle schon draufgcgangcn.
ivohl die Aufregung zu dämpfen sei; die „schlimme
Sophie" bohrte wie besessen gegen Metternich.
Man kam zu keinem Schluß. Die Wiener
Bürger aber, die mohlgebürstetcu und mit Zylinder-
hut versehenen, promenirten vor das Landstände-
lokal, dieser unschuldigen Genossenschaft zu er-
öffnen, man stehe „hinter ihr", ivenn sie die
Wünsche des Volkes dem Herrscher ausrichte.
Auch die Studenten erschienen in stattlicher Ko-
lonne, so sehr Professor Hyc im Leicheubitterton
sie davor warnte. Doch Niemand, der die Formel
fand, bis plötzlich ein helles Lebehoch auf die Frei-
heit schallt und herunter vom Dache des Brunnens
ein junger Tiroler die Kossuthrcde dcklamirt; das
Signal zum brausenden Chor. Was ängstlich
bisher verschwiegen worden, es barst jetzt nur so
aus der Kehle. Abdanken sollte Metternich, zum
Teufel sollte die jesuitische Blase gehen, man
sprach von Waffen, forderte ein konstitutionelles
Oberhaupt und stürmte, da oben die Herren
im Ständesaal staatsmännisch schlotterten, zu
ihnen hinauf — so ungestüm, daß Wände krachten
und Scheiben klirrten und der Landesmarschall
Kolben dreinschlagend. „Kanaillen, Lumpen, da
habt ihr's!" kreischte ihr Hauptmann, wie toll
mit seinem Säbel um sich metzgernd. Einzelne
Gruppen zersprengte die Reiterei. Die Soldateska
hatte es gut. Es gab in Wien noch keine Barri-
kaden-Wissenschaft.
Ward das heiße Eisen nicht geschmiedet, gings
den Studenten an den Kragen; sie, die „Anstifter",
wußten, was ihrer ivartete, wenn es nicht gelang,
die Gewalthaber wuchtig au die Wand zu drücken.
Auf die ehrsamen, mohlsituirtcn Biedermänner,
die momentan schnaubend mit Flinte und Hirsch-
fänger auf den Plätzen erschienen, war wenig
Verlaß; gar zu leicht kippten die um. Boten
rannten deshalb nach den ärmeren Quartieren,
die proletarische Bevölkerung aufzubieten, und die
unteren Schichten griffen auch munter ein nach
ihrer Weise. Sie nahmen Wachtlokale und öffent-
liche Gebäude aufs Korn, schmissen die Fenster
eines Flügels der Hofburg ein, ruinirten die Villa
Metternichs so gründlich, daß nur die nackten
Mauern noch standen, und auf dein Glacis
wurden weithin die Gasrohren bloßgclegt; ge-
Feierliches Leichenbegängniß der Gefallenen in Wien am 17. März 1848.
Hatte die liberale Schweiz gesiegt uu
einen König abgeschüttclt, galt es, st«
Aiit Adressen, die weder Hörner noch <0
üug das an. Das war so deutsch'
„nahte" der Krone in Demuth. Der
reichische Gewerbeverein schritt voran
tisch-juridische Leseverein, das Zentru
tcüigenz" folgte nach, die akadenüs
stieß hinzu; zweitausend Hörer der
Unterzeichneten ein Gesuch um Rede-
um Lehr- und Lernsreiheit, um gleicht
Konfessionen und verwandte Dinge.
Jungen der Aula sollten ausgepeits
war die Ansicht einer Hoswanze und
von billigem, albernem Spott ergoß si
über die Knaben, die statt komme
sausen und zu randaliren, die revolut
Hut wurden. Grüne Politiker in der
aussassend und drollig eifernd, und doc
Korps, von dem ein poetischer Schim
Rebellion hin leuchtete.
Wo die Konfusion am größten, is
am nächsten; am 13. März war s
der kaiserlichen Burg erwogen Staat
milienrath im Schweiße ihres Ang
zum sauren Gange sich herbciließ. Mit einem
Rudel Kollegen, geschoben, geschleppt von den
Studenten, ging er nach der Burg, ward nicht
vorgelassen und vertröstet, daß man das „zum
allgemeinen Wohle Dienende" schleunigst anzu-
ordnen gedenke; das amtliche Gauner-Deutsch.
Weithin kreiste indessen schon das Gerücht von
Exzessen, die beim Ständchauscstattgefunden hätten.
Dorthin geschickte Patrouillen vernwchten sich nicht
durchzuquetschen und eine Kompagnie böhmischer
Grenadiere richtete ebenso wenig aus; man lachte
vergnügt, als sie in eine Seitengasse schwenkte,
hob aber, zumal sie wicderkommen konnte, Steine
und Brettertrümmer auf. Da tauchte die Gestalt
des Stadtkommandanten, des Erzherzogs Albrecht
auf. Unter ihm hatten die Wachen zum öftern
Personen niedergeknallt, nur weil sie nicht eilig
genug Zigarre oder Pfeife aus dem Munde ge-
nommen; er war deshalb sehr unbeliebt. Sie
möchten die Vivats sparen und sich trollen, schnarrte
er die Hüte und Kappen Schwenkenden an, salu-
tirte ironisch, als gezischt ward, — und jetzt traf
ihn ein Holzsplitter. Der Herr Erzherzog ritt ab
und gleich darauf kamen im Laufschritt Pioniere,
auf den Knäuel Wehrloser feuernd und nüt dem
(Zeitbild.)
spenstisch flackerte das brennende Gas zum Nacht-
himmel auf.
Der Tobten und Verwundeten waren fünfzig
an diesem 13. März. „Freilich, es fehlte furcht-
bar wenig, daß vor den Thoren der Burg selbst
ein Blutbad angerichtct wurde. Die Menge stand
dort so dicht, daß ihre Vorderreihe hart an die
Bajonette der abspcrrcnden Postenkette und an die
Mündungen der daselbst aufgefahrenen Kanonen
geschoben war. Einer der vielen Erzherzöge, die
sich unnütz inachten, befahl zu kartätschen; allein
ein verständiger Feuerwerker nahin den Artillc-
risten die brennenden Lunten weg und trat sie aus.
Feuerwerker müssen Verstand besitzen,
Erzherzöge müssen geboren werden."
Im kaiserlichen Palast ging es während des
Straßengetünunels kunterbunt genug zu; Ernst
mit Possenelement gemischt. Eine fast rührende
Anarchie in den heiligen Hallen! Die Etikette
am Boden, die Großschnauzigkeit der Höflinge
durch Bauchweh abgelöst. Von den zärtlichen
Verwandten im Käfig verwahrt, murmelte der
blöde gute Ferdinand einmal über das andere:
„Ich laß nit schießen!" Seine Sippe hätte nur