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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0052
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2674

Willkommen!

iw HiMAmg Aielikixchts »II- km Acfänc>»iß am 18. Mil? 1Si)S.

vor Monden war es und mit Groll und Trauern
Sahn wir verschwinden hinter Rerkernraueri:
Den greisen, tapfer::, unbeugsamen Streiter.
Jndeß wir grüßend unsre Hüte schwangen,

Ist ins Gefängniß ruhig er gegangen,
voll guten Muths und philosophisch heiter.

Und heute klirrt zum letzten Mal der Uiegel
Und freudig blickt er auf des Stromes Spiegel
Und zu des Fimmels zarter Uosenwolke;
Beim Schreiten über die Gefängnißstusen
wird er begrüßt von den willkommenrufen,
von dem, was frei und selbstbewußt im Volke.

wer nicht gehört zum blöden Troß der Sklaven,
Der drückt die Hand dem Bravsten aller Braven,
Dem alten, kühnen, trotzigen „Soldaten";

Der Unterdrückung und des Unrechts Hasser,
Der lieber frei bei trocknen: Brot und Wasser,
Als Herreukuecht bei edlem wein und Braten.


Wilhelm Liebknecht.


Stets war er taub für Kalter Selbstsucht Lehren,
Blind für das Gold und tapfer im Entbehren,
Stets hat er hoch und stolz sein Haupt getragen!
Und wenn stch rings der Horizont verdunkelt,
So hat sein Auge Heller nur gefunkelt;

Er lernte nie das Ulügeln und das Zagen.

Begeistert und begeisternd war fein wesen,
Und die zu Waffenbrüdern er erlesen,

Die nannten stets ihn froh und unerschrocken!
Er hat die Seinen vorwärts stets getrieben
Unwiderstehlich, weil er selbst geblieben
Ein Jüngling war trotz eisengrauer Locken.

Ein Ruf geht durch die Reihen und die Glieder:
„Nun haben wir den alten Stürmer wieder
Und lasse,: froh die rothen Fahnen fliegen.
Nun nehme er für feine Hast die Rache
Und führe uns in: Dienst der guten Sache
Zu neuen Rümpfen und zu neuen Siegen!"

Blitz des stt -Meldungen.

Berlin. Das vertrauliche Aktenstück, welches der Budgetkommission mitgetheilt
worden ist zur Begründung der Flottenvorlage, enthielt die Liste der Marine-Offiziere, die
auf Beförderung warten.

— König Stumm ist abgereist, um dem offiziellen Festjubel der Märzfeier zu ent-
gehen. — Bei den Sozialdemokraten wird Genosse Miquel als Veteran der Revolution die
Festrede halten.

Dresden. Man hat hier einige Personen entdeckt, die mit Konsumvereinlern ver-
> wandt oder verschwägert sind. Dieselben werden jedenfalls als gemeingefährlich ausgewiesen.

Westxreußen. Es ist höchste Zeit, daß den Agrariern wieder einige Liebesgaben
r bewilligt werden, weil sie in ihrer Roth sonst zur direkten Plünderung der öffentlichen
Kassen schreiten könnten.

Paris. Im Prozeß Zola trat ein merkwürdiges Phänomen zu Tage. Jemehr der
Prozeß Staubauf wirbelte, desto k l a r e r sah man die erbärmliche Haltung der Regierung.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Triumphzug der Freiheit über den Erdball. (Illustration.)

— Schnitzel. Von Arno Holz. — Der 18. März 184 8. Mit
sechs Zeitbildern: Versammlung unter den Zelten im März
1848. Kugelgießende Kinder hinter einer Barrikade in Berlin.
Angriff auf die Barrikade am Alexanderplatz. Umritt des
Königs am 21. März. Aufbahrung der gefallenen Barrikaden-
kämpfer in Berlin. Begräbniß der Berliner Märzgefallenen
im Friedrichshain am 22. März. — März-Rosen. Gedicht von
B. Hansemeyer. — Ernstes und Heiteres aus den
Jahren 1848-49: Louis Philipps Doppelgesicht. Karikatur.

— Politische Soiree der Exregenten in England im Jahre
1848. Mit zwei Karikaturen: Kongreß durchgebrannter Fürsten
und Diplomaten in London im Jahre 1848 und Louis Philipp.

— Berliner Tageskrakehl. — Der deutsche Reichsadler. (Jllu-
strirt.) — Dramatischer Krakehl. — Tante Voß. — Brief von
August Buddelmeyer an seine Muhme Suse. (Jllustrirt.) —

— In Wien. (Jllustrirt.) — Wer und was ist durch die Re-
volution ruinirt? — Wien.

Epilog zum Lola-Drozess.

Oiemals kann ein Ltvilist
Missen, was die Lbrc ist.

Denn der Soldateska Macht
Dat die Lbre nur in Dacht.

Our wer einen Meter Llccb
Oeben sieb lässt rasseln trecb,

And bst bunte Lappen an —

Dieser ist ein Lbrcnmann.

Mer zu seiner Achseln Lier
Troddeln trägt von Golde schier,
Dieser soll der Götze sein
Für den Döbel nur allein.

Diesem Götzen soll der Staat
Sptern Alles, was er bat.

Illecbt, Gesetz und Lbrlicbkeit
Sei ihm teil zu jeder Leit.

Dass man Mabrbeit ollen spricht,
Dieses soll er dulden nicht,

Denn das Deer wird leicht blamirt,
Menn die Mabrbeit triumpbtrt.

Mach' der Mabrbeit Ikämpen stumm,
Ldles Srdnungsrittertbum,

And dann sprich mit trecbem Ton
Von der Lbre der Oatton!

Frühlings-Idylle.

Der Frühling und die Liebe, das ist nach
Heinrich Heine, der es wissen mußte, das schönste
auf der Erde.

Welch ein lustiges Treiben. in der neu er-
wachten Welt! Die milde Märzsonne arbeitet
wie ein Untersuchungsrichter, sie lockt aus der
alten Mutter Erde Alles heraus, was sie irgend
zu enthüllen hat. Die jungen Gräser schießen
aus dem feuchten Boden, die Veilchen kommen
bescheiden, wie der Abgeordnete Lieber, zum Vor-
schein, die Blätter der Maulbeerbäume und der
Antisemiten drängen sich ans Tageslicht, der Kirsch-
baum und der grobe Unfug-Paragraph treiben
neue Bliithcn, die Linde erneuert ihr Laub und
hier und da werden sogar schon Stimmzettel ge-
druckt.

Wie herrlich ein Spaziergang in solcher Früh-
lingszeit! Das winterliche Schweigen, welches
bisher nur von heiseren Krähen oder hungrigen
Agrariern unterbrochen wurde, ist zu Ende. Es
regen sich fröhliche Klänge in Busch und Hain.
Die Finken, die Drosseln und die Gesangvereine
stimmen neue Lieder an zum Preise der ewig
schönen Natur. Auch der Storch kehrt wieder,
und sogar in verbesserter Auflage, denn Professor
Schenk hat ihn gezähmt und dressirt. Der älteste
Weidcnbauni treibt Keime zu neuen Ruthen, wes-
halb man sich nicht wundern darf, daß auch im
Schädel des alten Miquel noch neue Steuerpläne
keimen.

Wie mächtig braust der Strom dahin, ge-
schwellt von den Gewässern der Gebirge, die
sich, oft unter Verübung nächtlicher Ruhestörung,
brausend zu Thal stürzen. Wenn der Philister

auf der Brücke steht und die schäumenden Wasser
sieht, die unaufhaltsam dem Meere zu eilen, dann
murmelt er andächtig: „Ja, ja, wir brauchen
eine Flotte." Und er kauft sich eine Marine-
Ansichtspostkarte, um sich über nautische Dinge auf
dem Laufenden zu halten.

Der Bauer vertrant das Samenkorn der Erde
an mit Segenswünschen für das Gedeihen der
Kornzölle, er legt Kartoffeln, damit es den Jun-
kern nie an Schnaps, Spiritus, überhaupt an
Geist gebricht, auch Hanf wird gesät, damit es
wenigstens am Strick nicht fehle, menn ein sich
selbst erkennender Spitzel auf den guten Gedanken
kommt, sich aufhängen zu wollen.

Der Frühling ist schön, auch wenn er Sturm
und Ungewitter bringt. Wie mächtig schüttelt
ein tosender Westwind das alte Gemäuer der
Herrenhäuser, wie wuchtig schlägt eine Rede Bebels
in das „hohe Haus" in Berlin! Da machen
Minister lange Hälse und Schwarze schütteln ihr
Gefieder und werden unsicher über die Summe
von Langmuth, die sie ihren Wählern Zutrauen
können. Auflösungsgerüchte schwirren durch die
Luft und König Stumm kriegt Bauchweh vor
Aerger über das allgemeine Wahlrecht.

Wohl erzeugt der Frühling auch schädliches
Gethier. Die Raupen nehmen überhand, be-
sonders in den Köpfen derjenigen Geheimräthe,
welchen die ehrenvolle Aufgabe zugefallen ist, die
Sozialreform zu verzetteln. Auch die Reptilien
wagen sich frecher hervor und die Offiziösen lügen
bereits auf Vorrath für die Wahlagitation. Aber
all' das giftige Gewürm ist nicht im Stande, uns
den schönen Frühlingstag zu verderben, der Welt
und Menschen verjüngt und uns ermuthigt, den
Blick empor zu heben zum Lichte der Wahrheit.

Der Krregsminister ronkra Bebel.

Volksmehr? Welch' schreckliche Idee?
Das Volk sei wehrlos, heut' und je!
 
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