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mit weißen Stäben und weißen Binden. Das
Volk verspottete sie als „Leichenbitter". Sie
richteten auch nichts aus, denn schon am Abend
des 15. März ward auf das Volk geschossen.
Am 16. März ließ ein junger Lieutenant in
die dichtgedrängte Masse auf dem Opernplatz
feuern, so daß eine Menge von Todten nnd
Verwundeten umher lagen.
Das Blut, das als „Geschichtskitt" dient,
war geflossen. Jedermann fühlte nun, daß die
Revolution kommen müsse. Am 17. März war
still; es war die Stille vor dem Sturme.
Alles, was über Verschwörungen und über
„ausländische Verschwörer" gefabelt worden ist,
llmg von der „Camarilla", von der Um-
* t»n| Königs ans. Die Bevölkerung war
ul>' Höchste gereizt nnd sobald sich ein Anlaß
Tag der Weltgeschichte. Der Spießbürger ist
in solchen Dingen ja so leicht zu befriedigen.
Als nun vollends der König auf dem Schloß-
balkon erschien und der Bürgermeister Nau-
npn die „Zugeständnisse" noch einmal verlas,
da erreichte der Jubel seinen Höhepunkt.
So schien die drohende Revolution ver-
hütet und die braven Bürger meinten, man sei
in Preußen unvergleichlich weise gewesen.
Aber „das dicke Ende" sollte Nachkommen.
Das eigentliche Berliner Volk war gar nicht
so zufrieden. Nachdem es drei Tage lang vom
Militär mißhandelt worden, war es von Miß- i
trauen erfüllt. Nothleidende Handwerker, brot-
lose Arbeiter sagten: „Von der Preßfreiheit
können wir nicht leben." Als der Minister
Savignp einen Arbeiter fragte, ob er sich
goner stutzten, aber sie ritten von Neuem gegen
die Menge an. Zugleich kam eine Kompagnie
Gardegrenadiere mit gefälltem Bajonett und
mit Tronnnelschlag angerückt. Das Volk wich
vor den Säbeln und Bajonetten zurück.
Da fielen zwei Schüsse. Sie waren zufällig
losgegangen, allein das Volk, in Erinnerung
an die Metzeleien der letzten Tage, glaubte, es
solle wieder gemetzelt werden. Es stäubte aus-
einander mit dem wilden und wüthenden Ge-
schrei: „Verrath! - - Waffen! — Rache!
— Barrikaden!" Im Nu verwandelte sich
Berlin in ei» Schlachtfeld. Zahllos stiegen die
Barrikaden auf, wie mit einem Zauberschlag,
von den Straßen um das Schloß bis in die
entferntesten Stadttheile. Manche Barrikaden
bildeten wahre Kunstwerke in ihrer Art.
bot, mußte ein furchtbarer Ausbru
Und er kam am 18. März.
Dieser Tag ließ sich erst sehr ruhi
rheinische Deputation erschien mit de:
Volkssorderungen und während sb
das Schloß begab und eine Depr
Stadtverordneten ihr nachsolgte,
sich die Bürger in verschiedenen
beschlossen, vor das
...^^urepeznüberreichen. Diese -
sollte durchaus friedlich sein.
Der König gab nach. Er ver
sreiheit, Volksbewaffnung, Eint
Landtags in den nächsten Tagen
währen, nnd als die kölnische ’S1
Garantie forderte, da ließ er zw
scheinen, welche die Verwirklichnn
des Bürgerthums enthielten.
Jetzt war Alles gut in de
braven Bürger. In Blassen str
das Schloß; ße schwenkten die H
den König hochleben; man umar
sich; man nannte den 18. März
Umritt des Mnigs am 21. März. (Zeitbild.)
denn nicht freue, gab dieser die historisch ge-
wordene Antwort: „Alterchen, Du verstehst die
Sache nicht; man hat garnichts bewilligt."
Dieser Mann sprach die Meinung des Volkes
aus, das von einer geschäftlichen Krisis, von
schlechten Zeiten überhaupt und zu einem großen
Theil unmittelbar vom Hunger gequält, von der
Revolution mehr erwartete, als die Befrie-
digung einiger konstitutioneller Herzenswünsche.
Daraus erklärt sich auch Alles, was nachher
geschah. Der Aufstand vom 18. März war
nicht das Produkt einer Verschwörung, sondern
ein unmittelbarer Ausbruch des Volkszornes.
Als der König den Balkon verlassen hatte,
wurde das Schloßportal von Militär besetzt
nnd zwar vom ersten Garderegiment, das be-
sonders brutal gegen das Volk vorgegangen
war. Als man die verhaßten Grenadiere sah,
erhob sich ein wildes Geschrei: „Militär
fort!" Die Volksmasse stieß und drängte sich.
Die Verwirrung stieg, als eine Schwadron
Dragoner mit blanken Säbeln gegen die Masse
anritt. „Zurück!" schrie das Volk, die Dra-
Das Volk war meistens schlecht bewaffnet,
aber zum verzweifeltsten Kampfe entschlossen.
Die Arbeiter betheiligten sich in Masse, aber
auch viele Bürger. Aus der Borsigschen Fabrik
kamen allein tausend Arbeiter.
Um drei Uhr erschien vor dem Schlosse eine
große Fahne mit der Inschrift: „Ein Miß-
verständniß! Der König will das Beste!"
Aber es war zu spät. Schon heulten die Sturm-
glocken und bald entbrannte die Straßenschlacht
unter dem Donner des Geschützes und dem
Knattern des Gewehrfeuers.
Um halb vier Uhr griff das Militär an.
Die schwachen Barrikaden der Jäger- und
Oberwallstraße wurden bald genommen und
der General Prittwitz, der die Truppen be-
fehligte, die etwa zwölftausend Mann stark
waren, hoffte nun den Aufstand leicht bewäl-
tigen zu können. Er sollte sich sehr täuschen,
denn die Hilfe, die er von außen erwartete,
konnte nicht kommen. Er selbst war durch ein
ungeheures Barrikadennetz an der Entfaltung
seiner Macht verhindert.
mit weißen Stäben und weißen Binden. Das
Volk verspottete sie als „Leichenbitter". Sie
richteten auch nichts aus, denn schon am Abend
des 15. März ward auf das Volk geschossen.
Am 16. März ließ ein junger Lieutenant in
die dichtgedrängte Masse auf dem Opernplatz
feuern, so daß eine Menge von Todten nnd
Verwundeten umher lagen.
Das Blut, das als „Geschichtskitt" dient,
war geflossen. Jedermann fühlte nun, daß die
Revolution kommen müsse. Am 17. März war
still; es war die Stille vor dem Sturme.
Alles, was über Verschwörungen und über
„ausländische Verschwörer" gefabelt worden ist,
llmg von der „Camarilla", von der Um-
* t»n| Königs ans. Die Bevölkerung war
ul>' Höchste gereizt nnd sobald sich ein Anlaß
Tag der Weltgeschichte. Der Spießbürger ist
in solchen Dingen ja so leicht zu befriedigen.
Als nun vollends der König auf dem Schloß-
balkon erschien und der Bürgermeister Nau-
npn die „Zugeständnisse" noch einmal verlas,
da erreichte der Jubel seinen Höhepunkt.
So schien die drohende Revolution ver-
hütet und die braven Bürger meinten, man sei
in Preußen unvergleichlich weise gewesen.
Aber „das dicke Ende" sollte Nachkommen.
Das eigentliche Berliner Volk war gar nicht
so zufrieden. Nachdem es drei Tage lang vom
Militär mißhandelt worden, war es von Miß- i
trauen erfüllt. Nothleidende Handwerker, brot-
lose Arbeiter sagten: „Von der Preßfreiheit
können wir nicht leben." Als der Minister
Savignp einen Arbeiter fragte, ob er sich
goner stutzten, aber sie ritten von Neuem gegen
die Menge an. Zugleich kam eine Kompagnie
Gardegrenadiere mit gefälltem Bajonett und
mit Tronnnelschlag angerückt. Das Volk wich
vor den Säbeln und Bajonetten zurück.
Da fielen zwei Schüsse. Sie waren zufällig
losgegangen, allein das Volk, in Erinnerung
an die Metzeleien der letzten Tage, glaubte, es
solle wieder gemetzelt werden. Es stäubte aus-
einander mit dem wilden und wüthenden Ge-
schrei: „Verrath! - - Waffen! — Rache!
— Barrikaden!" Im Nu verwandelte sich
Berlin in ei» Schlachtfeld. Zahllos stiegen die
Barrikaden auf, wie mit einem Zauberschlag,
von den Straßen um das Schloß bis in die
entferntesten Stadttheile. Manche Barrikaden
bildeten wahre Kunstwerke in ihrer Art.
bot, mußte ein furchtbarer Ausbru
Und er kam am 18. März.
Dieser Tag ließ sich erst sehr ruhi
rheinische Deputation erschien mit de:
Volkssorderungen und während sb
das Schloß begab und eine Depr
Stadtverordneten ihr nachsolgte,
sich die Bürger in verschiedenen
beschlossen, vor das
...^^urepeznüberreichen. Diese -
sollte durchaus friedlich sein.
Der König gab nach. Er ver
sreiheit, Volksbewaffnung, Eint
Landtags in den nächsten Tagen
währen, nnd als die kölnische ’S1
Garantie forderte, da ließ er zw
scheinen, welche die Verwirklichnn
des Bürgerthums enthielten.
Jetzt war Alles gut in de
braven Bürger. In Blassen str
das Schloß; ße schwenkten die H
den König hochleben; man umar
sich; man nannte den 18. März
Umritt des Mnigs am 21. März. (Zeitbild.)
denn nicht freue, gab dieser die historisch ge-
wordene Antwort: „Alterchen, Du verstehst die
Sache nicht; man hat garnichts bewilligt."
Dieser Mann sprach die Meinung des Volkes
aus, das von einer geschäftlichen Krisis, von
schlechten Zeiten überhaupt und zu einem großen
Theil unmittelbar vom Hunger gequält, von der
Revolution mehr erwartete, als die Befrie-
digung einiger konstitutioneller Herzenswünsche.
Daraus erklärt sich auch Alles, was nachher
geschah. Der Aufstand vom 18. März war
nicht das Produkt einer Verschwörung, sondern
ein unmittelbarer Ausbruch des Volkszornes.
Als der König den Balkon verlassen hatte,
wurde das Schloßportal von Militär besetzt
nnd zwar vom ersten Garderegiment, das be-
sonders brutal gegen das Volk vorgegangen
war. Als man die verhaßten Grenadiere sah,
erhob sich ein wildes Geschrei: „Militär
fort!" Die Volksmasse stieß und drängte sich.
Die Verwirrung stieg, als eine Schwadron
Dragoner mit blanken Säbeln gegen die Masse
anritt. „Zurück!" schrie das Volk, die Dra-
Das Volk war meistens schlecht bewaffnet,
aber zum verzweifeltsten Kampfe entschlossen.
Die Arbeiter betheiligten sich in Masse, aber
auch viele Bürger. Aus der Borsigschen Fabrik
kamen allein tausend Arbeiter.
Um drei Uhr erschien vor dem Schlosse eine
große Fahne mit der Inschrift: „Ein Miß-
verständniß! Der König will das Beste!"
Aber es war zu spät. Schon heulten die Sturm-
glocken und bald entbrannte die Straßenschlacht
unter dem Donner des Geschützes und dem
Knattern des Gewehrfeuers.
Um halb vier Uhr griff das Militär an.
Die schwachen Barrikaden der Jäger- und
Oberwallstraße wurden bald genommen und
der General Prittwitz, der die Truppen be-
fehligte, die etwa zwölftausend Mann stark
waren, hoffte nun den Aufstand leicht bewäl-
tigen zu können. Er sollte sich sehr täuschen,
denn die Hilfe, die er von außen erwartete,
konnte nicht kommen. Er selbst war durch ein
ungeheures Barrikadennetz an der Entfaltung
seiner Macht verhindert.