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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0060
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Louis Phil ipp.

Die rechte Seite des Gesichts vor 1846, die linke Seite nach 1848.

(Karikatur a. d. I. 1848.)

politische Soiree der Erregenteil in England

im Jahr» 1848.

Gegend: England. Dekoration: Ein Zimmer im Schlosse
Louis Philipps.

(LoniS Philipp und Guizot sitzen und spielen Schach.)

Guizot. Ew. Majestät haben heut kein Glück!

(Er schiebt einen Bauer vor.) äftatt!

Philipp. Nein, das ist unerhört! Ich habe
noch die Königin und sämmtliche Offiziere, und
dennoch wirklich matt.

Guizot cmchelnd). Ja, die Offiziere stehen rings
um den König und doch nicht einer, der ihn vor
dem Matt retten könnte.

Philipp. Warten Sie, ich gebe eine Haupt-
figur auf.

Guizot. Es ist zu spat, Majestät! Sie
könnten sie alle opfern, aber den König retten
Sie nicht mehr.

Philipp (in höchster Aufregung, wirst das Spiel um).

Es ist zu spät! Ja, dieses Donnerwort wird mir
ewig in den Ohren klingen. Ich mußte früher
opfern, ich mußte Sie opfern, Guizot, dann rettete
ich mein Spiel, an dem ich achtzehn Jahre kom-
binirt habe.

Guizot (nimmt eine Prise). Schon wieder die
alte Geschichte. Daß Ew. Majestät den Thron
nicht vergessen können, obgleich die Asche davon
bereits in alle Winde gestreut ist. Beruhigen Sie
sich. (Mit Nachdruck.) Die Flammen, die den fran-
zösischen Thron verzehrten, sind noch nicht gesättigt.
Schon lecken sie gierig nach Deutschland hinüber;
schon umzüngeln sie die Hauptstützen der deutschen
Throne: den Despotismus. Wehe den deutschen
Fürsten, sollten sie Blut in die Flammen gießen,
um sie zu löschen. Blut ist Oel in solchem Feuer.

Philipp (erstaunt). Ist Ihnen diese Weisheit
über Nacht gekommen, Herr Ex-Minister? Doch
wohl, denn sonst würden Sie sich nicht eines
solchen Mittels zum Löschen bedient und es mir
nicht angerathen haben.

Guizot. Danke für das Prädikat Ex; ist
mir doch etwas von Ex—cellenz geblieben. Was
aber den fraglichen Punkt betrifft, so ist diese
Weisheit schon sehr alt. Aber Ew. Ex-Majestät
erinnern sich vielleicht der Geschichte vom Fuchs,
der trotz seiner Weisheit in die Falle ging, vor
deren Gefahren er seine Jungen stets warnte.
Er wußte mit größter List zu rauben, bis endlich
doch die Falle zusammenklappte, und er nur mit
Zurücklassung seines Schivanzes der ihm drohen-
den Gefahr des Todtschlagens entrann.

Philipp (vergnügt). Bravo! bravo! Minister-
chen. Das geht ganz herrlich; denn ein König
ohne Land ist wie ein Fuchs ohne Schwanz. Nun
ich denke, das Klügste ivar, daß wir unseren Raub
in Sicherheit brachten. So ein hundert Milliön-
chen sind schon der Mühe werth, etwas dafür zu
wagen. Wir sitzen jetzt wie die Dachse in ihren
Löchern und zehren von unserem eigenen — nein,
von dem Fette unseres geliebten Volkes, das wohl
noch einige Zeit brauchen wird, bevor es wieder
zu Kräften komnrt.

Guizot (sür sich). Na, endlich ist er wieder
bei heiterer Stimmung. (Laut) Nicht ivahr, cs ist
! doch immer noch besser: ein König ohne Land, als
einer ohne Kopf zu sein?

Philipp (ängstlich). Sprechen Sie nicht davon,
nur davon nicht. Ich fühle immer so ein Kitzeln
hinter der Halsbinde, wenn man mich daran er-
innert. Ach, Guizot! Es war doch eine schöne
Zeit, ivo die Unterthanen sich nur kriechend dem
Throne nahen durften, wo die Könige noch die
Macht besaßen, jedes ihnen mißliebige Wort mit
dem Stempel des Hochverraths zu bezeichnen,
wo es nur eines einzigen Winkes der von Gott
gesalbten Hand bedurfte, um Hunderte von
Unterthanenköpfen in den Sand rollen zu lassen.
Ach, die schöne, alte, goldne Zeit! Sie ist nicht
mehr.

Guizot. Deutschland kriegt dafür die schwarz-
roth-goldene.

Metternich (kommt hereingestllrjt). Guten Mor-
gen, Vettern! Ach! War das eine Hetze.

Guizot und Philipp (bestürzt). Wie? —
Metternich?

Guizot. Also auch in die Wiener ist der
Teufel gefahren?

Metternich. Drin saß er schon lange, jetzt
ist er blos ausgefahren.

Philipp. Wer hätte das gedacht. Ich glaubte,
die Wiener könnten nur tanzen, singen und Back-
hähndel essen. Warum schickten Sie nicht den
Strauß mit der Geige dazwischen? Der hätte
ihnen die Revolution in die Beine getrieben.

Metternich. Ach, ich habe ihnen ein so
hübsches Konzert aufspielen lassen, von Klein-
gewehrfeuer und Kanonendonner zurecht gemacht.
Da kamen so ein fünfzigtausend Rebellen und
fingen an, mit unseren Musikanten Quadrille
zu tanzen. Heißa! Das ging lustig. Manche
vergnügte Seele ist bis in den Himmel ge-
sprungen.

Guizot. Ich verstehe. Aber mein Freund
Metternich mußte auch springen.

Metternich. Freilich, freilich (bedeutsam). Und
ich bin nicht der Letzte. Aber sauer ist mir's ge-
worden, denn ich habe mich seit Jahren daran
gewöhnt, immer langsam — rückwärts zu gehen,
und diesem schönen Beispiele folgte das ganze
Deutschland. Da traten wir dem Zeitgeiste auf
die Hühneraugen und schub! giebt er uns einen
Tritt vor den — Entschuldigen Sie!

Philipp. Bitte, keine Umstände. Wie ist es
aber mit Ihnen von wegen (er reibt mit dem Daumen
den Zeigefinger).

Metternich. I nun, das macht sich. Man
ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen, und unsere
geliebten Unterthanen, die verfluchten Schufte! —
Unter uns.

Philipp (lächelt und nickt beifällig).

Metternich. Die ließen sich ja pflichtschul-
digst von mir die Röckchen und Hosen ausziehen.
Als ich ihnen aber ans Hemde wollte, da fingen
sie an sich zu schämen und wehrten sich.

Philipp. Ja, es ist unerhört! Wie mag's
denn in Preußen stehn?

Alle drei (lach-n). Ach die Schlafmützen!

Guizot. Wenn sie eklich werden, so ruft man
den zehnjährigen Grundbesitz zusamnien, und daun
setzt sich der Philister mit der Vossischen hinters
Weißbier und freut sich über die Deklamationen
eines Hansemanns und Vincke.

Metternich. Wie ich hörte, soll's aber doch
gähren. Jndeß vermuthe ich, es ist blos Weißbier.

Guizot. Nichts weiter als Weißbier.

Ein Diener (tritt ein und meidet). Seine
Königliche Hoheit der Prinz von Preußen. (Ab.)

Alle drei (verwundert). Von Preußen! Hm! —

Prinz von Preußen (tritt ein). Morgen!

(setzt sich, stützt den Kopf in die Hand).

Philipp. Darf ich meinen Augen trauen!
Wie kommen Sie hieiher, Vetter? Sie scheinen
mir nicht wohl, Prinz. Wie ist Ihnen?

Prinz von Preußen. Danke für die gütige
Nachfrage. Spottschlecht!

Philipp. Ew. Liebden sollten zur Ader
lassen. Herr Charles! Mein Arzt!

Prinz von Preußen (springt auf). Wer
spricht hier von Aderlässen? O ich komme von
einem Aderlaß, von einem Blutbade, wie die
Welt noch nie gesehen.

Guizot. Bitte um Entschuldigung. Frankreich
liegt auch in der Welt. Oder sollte Paris —?

Prinz von Preußen. Ach was Paris!
Ja es hat sich hervorgethan, dieses Paris, — hält
aber dennoch keinen Vergleich mit Berlin aus.

Guizot (ihn unterbrechend). Wenn ich mir er-
lauben darf zu fragen: steht Berlin noch?

Prinz von Preußen. Leider ja, aber meine
Schuld ist's nicht; denn ich habe für das Gegen-
theil nach Kräften arbeiten lassen.

Philipp. Also wieder so ein kleiner Kar-
toffelkrawall?

Prinz von Preußen. Diesmal war's ein
großer. Das Volk würfelte mit uns um die
Macht. Ich warf 200, die Rebellen 1100 und
somit haben sie's Spiel gewonnen.

Guizot (lächelnd). Ei, ei, das nennt man
Hazard. Da haben Sie ja Ihr ganzes Vermögen
aufs Spiel gesetzt.

Prinz von Preußen. Süchtig. Ist jetzt
Alles Nationaleigenthum geworden.

Metternich. Ich sehe wohl, wir haben alle
in Verzweiflung va banque! gerufen, und alle
verloren. Aber um Vergebung, mein Prinz,
dienten Ihnen denn Frankreich, Oesterreich und
viele andere Staaten nicht zur Lehre? Sie hatten
doch erfahren, daß an unserm großen Staais-
instrument die Saiten geplatzt waren, weil wir
sie zu straff angezogen hatten; warum stimmten
Sie sie nicht ein wenig herab?

Prinz von Preußen. Konsequenz ist
Mannestugend! Was nicht biegen will, muß
brechen.
 
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