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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0064
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->>> Ochsengrcrfen unö Schlotbarone.

^)ie „Politik -er Sammlung"— welch ein schlauer
Gedanke das von Miquel wieder war!

Ja, Exzellenz, mit diesem Stichwort haben
Sie für die Wahl das Ihrige gethan
Und als der Ränke Vater sich erwiesen,

Als welchen man schon lange Sie verehrt!

So harmlos klingt, so friedlich und verständig,
So selbstverständlich dieses Losungswort,

Und der Philister glattgestirnte Schaaren,

Die fallen taufendweis darauf hinein.

Das Wort „Kartell", das einstmals Wunder that,
Ist gänzlich abgenutzt, es — riecht sogar
wie alter Käse; wir bedurften sehr
Des neuen Wortes für die alte Sache.

Nun ist es da! wir übersetzen es,

Damit's ein Röder für die Dummen werde:
„Alle wie ein Mann wider die verruchte,
Vaterlandslose, unverschämte Rotte,

Die unsres Reiches Stützen unterwühlt
Und die Gemüther unsres Volks vergiftet
Mit Zukunftsbildern und mit wilden Lehren!"
Im Stillen aber liest das Wort man anders;

Da heißt es einfach: „Todtschlag jeder Freiheit,

Ausrottung jeder unbequemen Regung,
Rneblung der Presse und des offnen Worts
Und Schaffung einer tiefen Friedhofsstille
Im Deutschen Reich, in der kein Widerspruch
Sich regen kann, wenn wir mit Liebesgaben
Im großen Stil freigebig uns bedenken
Und aus des Volkes Haut uns Riemen schneiden."
Das ist ja doch zuletzt des Pudels Rern;
wir haben Oberwasser in Berlin
Und mäß'ger Klugheit nur bedarf es jetzt,

Um einen Fischzug wie noch nie zu thun.
wir haben's einmal gründlich schon besorgt
Und reiche Beute fiel uns in den Schoß —
warum soll es zum zweiten Mal nicht glücke,!,
Da der Moment dem günst'ger ist als je?
wenn eine Hand die andre hilfreich wäscht,
Rann das Lrgebniß für die Schlotbarone
Und für Ostelbiens arme Strohdachflicker
Nur glänzend fein. So laßt uns denn ans Werk
Mit Eifer gehn und Unverfrorenheit,
wie sie von jeher unsre Zierde war,

Und was der Fuchs ersann, das führt der Eber,
Das führt der Wolf, das führt der Bulle aus!

Inhalt der Unkerhallungs -Beilage.

Nevolutionskalender für das Jahr 1848. — Frühlings-
Einzug. Gedicht. — Aus dem Elysium. Brief an den „Wahren
Jacob". — Feudales Schäferlied. — Sturm. Gedicht. — Die
Beichte. Erzählung von H. Kirchhoff-Nienzi. (Jllustrirt.) —
Moralisten. Gedicht. — Ramses. Gedicht. — Wieder da-
heim ! Gedicht. (Jllustrirt.) — Die Arbeiterbewegung in den
Niederlanden. (Mit zwei Porträts.) — Herr Tipfelmeier.
(Jllustrirt.) — Heiteres aus den Jahren 1848 und
18 4S: Berliner Klubs. (Jllustrirt.) Die Probepike. (Jllustrirt.)
Unteroffizier und Soldaten. (Jllustrirt.) Jllustrirtes Schlag,
wort der Gegenwart. — Anzeigen.

Nationale Wissenschaft.

Was aus Amerika entstammt,

Wird von der Wissenschaft verdammt.
Und wenn du, Yankee, noch fo tobst,
Wir sagen'» dir zum Trotz:

Voll Läuse krabbelt all dein Obst,
Deine Pferde haben den Roh,
Trichinen hat dein Schwein,

Dein Schmäh ist niemals rein.
Dasselbe ist'« mit den Ferkeln,

Deine Rinder smd voll Tuberkeln.

Und nun gar dein Petroleum,

Das ist uns Deutschen doch zu dumm;
Laut Zeugnitz: Leuchlkrasi minimal,
Doch Explosivkraft kolossal.

Die deulsche Wissenschaft ist fix,
Fürwahr, entgehen kann ihr nix;

Und geben die Junker einen Wink:
Hei, find die Professoren flink!

Der Teufel von Elsfleth.

Line Leegeschichte.

Jan Sassen hatte sich in seinem Geburtsort
Geestemünde zur Ruhe gesetzt. Das heißt nicht
als Rentier oder gar als Staatspensionär,
sondern er hatte den gefahrvollen Seemanns-
beruf aufgegeben und führte nun, wahrschein-
lich in Folge einer ihm angeborenen Vorliebe
für „geistigen Stoff", statt des Steuerruders eine
Wirthschaft, die den schönen Namen „Zum
fliegenden Fisch" trug.

Durch die jahrelange Seefahrerei war Jan
in den Besitz einer hübschen Naturaliensamm-
lung gelangt, deren einzelne Theile die Wände
der Gaststube schmückten; an der etwas rauch-
geschwärztenDecke hingen das Modell eines Segel-
schiffes, sowie einige „fliegende Fische", gewisser-
maßen als Wahrzeichen des Hauses; Tische und
Fußboden waren sauber gescheuert, so daß

der ganze Raum einen behaglichen Eindruck
machte.

Jan Sassen war übrigens ein Prachtkerl.
Immer heiter und gut gelaunt, war er auch
stets bereit, die unglaublichsten Geschichten und
Erlebnisse in fremden Ländern und auf See
zu erzählen, und so blieb es denn nicht aus,
daß sich bei ihm ein Freundeskreis bildete, der
meistens aus alten Matrosen und Handwerkern
bestand und Abends beim Grog oder Kümmel
und Vier den Geschichten von der „Uoa oon-

striotor", „den vergifteten Pfeilen der Aschanti-
neger", „dem Halsband der Ceylonesen" und
„den Zöpfen der Chinesen" lauschten; wenn
die Geschichten auch den meisten Gästen sehr
bekannt waren, so störte doch Keiner den Rede-
fluß des Erzählers. Wagte aber dennoch Einer
eine zweifelnde Bemerkung zu machen, so fuhr
Jan den ungläubigen Thomas mit der stereo-
typen Redewendung an: „Gah doch sülws henn
un kiek di de Saak an!"

Auf eine That aber war unser Freund be-
sonders stolz und das war die „Zähmung des
i Teufels", die er auf einer Reise nach New Jork
fertig gebracht hatte.

Wenn am Stammtisch die richtige Stimmung
herrschte, so spielte wohl einer der Gäste auf das
bedeutende Ereigniß im Leben Jans an; dann
dauerte es gar nicht lange und der alte See-
mann saß zwischen seinen Gästen und spann
sein Garn wie der Besten einer.

Geben wir dem würdigen Jan nun das
Wort, um die kuriose Begebenheit aus seinem
eigenen Munde zu hören und versuchen wir,
sie zugleich den Lesern des „Wahren Jacob"
zugänglich zu machen.

„Also" (mit „also" fing Jan alle seine Er-
zählungen an), „also hört zu. Ich war noch
ein junger Mensch und fuhr als Matrose.
Claus, Hein, Carsten und ich, wir Vier hatten
schon manche Reise gemeinschaftlich gemacht und
! saßen nun in Geestemünde auf dem Trockenen.

! Das Geld war ausgegangen und um nicht
noch mehr Schulden bei unserem Baas zu
machen als schon da waren, ließen wir uns
auf der Elsflether Bark „Marie" anheuern.
Der Kapitän, Peter Warnken, war zwar als
böser Bruder verschrieen, doch hatten wir keine
Angst, denn auffressen konnte er uns nicht.
Wir gingen an Bord und anderen Tages mit
günstigem Winde in See. Unser Bestimmungs-
ort war New Jork.

An den ersten acht Tagen ging alles glatt
ab. Die Kost war gerade nicht besonders gut
I und der Dienst schwer, aber diese Widerwärtig-
 
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