Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0076
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 2698

-*»* Sammlung.

Ding denn verloren ganz und gar
Der Väter Stolz und Dotken?

Sank in den Staub der Freibeit Aar,
Zm Flug durcb's Derz getroffen?

Dat, abzuscbütteln scbvveres Zocb,

Das Volk umsonst geblutet?

Sind wir leibeigen immer nocb
And immer nocb geknutet?

Dart immer nocb die träge Scbaar
Der bocbgebor'nen protzen

Statt Brot uns Steine reicben dar,

Von unserm /park scbmarotzen?

Dei „Liebesgaben" scbwelgen taul
Von unserm Lcbweiss nocb immer?

Dart böbnen uns aus sattem /Paul
Vom „Ootbstand" das Gewimmer?

Mir förderten voll /putb und Ikratt
Ikultur mit tausend Debeln;

And dürfen sie die Missensebatt
/Pit Paragrapben knebeln?

And müssen wir wie Ibunde zabm
Nocb immer denn pariren,

Menn sie uns obne Scbeu und Scbam
/Pit Dritten regaliren?

Da bockt nun der pbilister Scbaar
Wei Mein und Vier am Skattiscb!

«D Volk, du bist ein Niese zwar,

Docb Niesen sind pblegmatiscb.

Du lässt dicb böbnen obne Lorn,

Dir bürden aut die Lasten

And lässt vertbeuern dir dein Ikorn
And musst am Droge tasten!

D tüble docb, wie stark du bist,

And recke deine Glieder.

/Pit Gradbeit gegen Drug und List
verspreng' die Fesseln wieder!

Du darfst als Sklave ntebt und ikneebt
Zm Derrendienst versumpfen;

And geltend maebe du dein Neebt,

Mo sie aut Anreebl trumpfen!

G zeige wieder deine Ikratl
Den feigen /pammons-Nittern.

Vor deiner beissen Leidensebatt
Zur Freibeit lass sie zittern!

And wenn der Fretbett Sturm erbraust,
Dass rings die Neste knacken.

Lass sausen deine Niesenfaust
Dem Nüeksebritt Ln den Nacken,

Inhalt der Unterhaltung» -Beilage.

Darwinismus im Hühnerhofe. Zwei Illustrationen. —
Er n st es und Heiteres aus den Jahren 184 8/4 9:
Maikäserlied. Gedicht. (Jllustrirt.) — Der Heckerzug. Von W. B.
Mit vier Porträts und zwei Illustrationen: Tod des Generals
v. Gagern; Barrikadenbau bei der Rheinbrücke in Mannheim.
— Zweite Beilage: Zum ersten Mai. Lied mit Noten.
Den deutschen Arbeitergesangvereinen gewidmet. — Die
Zentrumsfraktion unter der Einwirkung des Flottengesetzes.
(Nach Kaulbachs „Thurmbau zu Babel".) — Anzeigen.

Schone Aussichten.

Von Aiautschau — wird mir so flau!

Die große Masse der gelben Rasse,

Die Nimmersatte, ißt Reis mit Ratte,

Und wenn die Streber der Arbeitgeber,

Der feisten, frommen, dahinter kommeil,
wird man beginnen, uns anzusinnen,

Dem Uulibrauche mit unserm Bauche,
wie wir's auch hassen, uns anzuxaffen.

Durch Chinas Söhne drückt man die Löhne
Und auf die Ratten, die runden, glatten,

Die gut zu speisen, wird man verweisen
Uns unterm Titel: ,,Dolksnahrungsmittel".

Kapitalisten sind böse Christen,

Für die der Garung schon noble Nahrung,

Die's nöthig finden, was 'raus zu schinden
Mit Ach und wehe, wie es auch gehe,

Die unser Denken auf Ratten lenken
Und Vorurtheile zu unserm Heile
Trotz unserm Fluchen zu heben suchen.

Schon seh' ich nagen in künst'gen Tagen
Mich mit Entzücken an Rattenrüchen
Und nach Bedürfen die Würmer schlürfen,

Die nach dem Regen des Bodens Segen.

Ach Aiautschau — mir wird so flau!

Lin ostelbischer Proletarier.

Der alte selige Windthorst.

(Szene: Deutscher Reichstag.)

Präsident von Buol: Da besonders aus
meiner eigenen Partei der alte selige Windthorst
wiederholt für und gegen das Flottengesetz an-
gernfen worden ist, so habe ich mich, gestützt ans
unsere intimen Beziehungen mit dem Jenseits,
direkt an den alten seligen Herrn gewandt. Er

hat versprochen, heute Nacht persönlich zu er-
scheinen, um uns aus unseren Zweifeln zu be-
freien. Ich beraume daher die nächste Sitzung
um Mitternacht 12 Uhr an.

Nachdem die Uhr kurz zuvor die Mittcrnachts-
stunde verkündet hatte, wurde die Sitzung eröffnet.
Die Galerien sind leer, ebenso die Journalisten-
tribüne. Aus der Hoflogc quellen Weihrauchwolken
hervor und erfüllen das sogen, „hohe Haus" mit
jenem eigenartigen Geruch, der die Seele himmel-
wärts zieht. Man hatte dortselbst (in der Hofloge
nämlich) eine Messe zelebrirt. Das Haus ist stark
besetzt. Der Präsident läutet mit der Glocke und
ertheilt Sr. Exzellenz D>'. v. Windthorst das Wort.

Und siehe da. Von dem Zentrumssitz in der
Mitte des Hauses, ganz vorne bei den Steno-
graphen, erhebt sich ein kleines Männchen im
schwarzen Gehrock, gerade so, wie ihn die Zeit-
genossen gekannt haben, schreitet der Tribüne zu,
steigt die Treppe auf der linken Seite empor,
nimmt eine Prise nnd beginnt zu reden, während
Alles athcmlos lauscht.

„Meine Herren", so begann der alte selige
Windthorst, „wenn die Katze nicht zu Hause ist,
pflegen die Mäuse auf dem Tische zu tanzen, so
heißt es in einem alten Sprichwort. Obwohl
nun viele Sprichwörter einen recht abgeschmackten
Sinn haben, das eben zitirte scheint mir doch den
Nagel auf den Kopf zu treffen.

(Sehr richtig!)

Der Abgeordnete Bebel ruft „sehr richtig"; ich
möchte dem geehrten Herrn benierken, daß mir
Zurufe aus der Mitte des Hauses lieber
sind; was ich von Bebels Liebe zur deutschen
Flotte zu halten habe, das weiß ich. Ich bin
trotzdem aber Herrn Bebel dankbar, daß er mich
sofort auf das Thema brachte, auf die neueste
Flottenvorlage nämlich, die meinen lieben Zcu-
trumsthurm so stark ins Wanken gebracht hat.

(Der alle Herr trippelt dabei ganz merkwürdig mit den Füßen,

als wenn er auf Kohlen stünde.) Sie wollen wissen,

wie ich über die Vorlage denke? Nun, wenn ich
ganz aufrichtig meine Meinung darüber abgeben

soll (er macht einen kleinen Hoppsa und schreit laut: Au!),

so möchte ich die Regierung doch mal fragen, wie
es mit dem Schulgesetz steht, was sie uns so
lange versprochen hat. Ich bin gerade kein Handels-
mann und liebe die do ut ckes-Politik nicht, aber
eine Hand wäscht doch die andere.

(Zuruf.)

Sehen Sie, Herr Kollege Spahn, daß wir Beide
ganz übereinstimmeu. Die Flotte kann ein sehr
nützliches Ding sein, um so nützlicher, wenn die
Kirche die Jugend in der Schule vor dem ewigen
Verderben retten darf» Und dann die soziale Frage!
(Aha!)^

Mit Ihrem Aha! beweisen Sie gar nichts, Herr-
Auer. Die soziale Frage kann nur die Kirche
lösen, aber es muß die katholische sein. Und
da die Hauptkraft der Kirche darin besteht, daß
ihre Priester frei ihres Amtes walten können, so
ist das Gesetz über die Jesuiten endlich aufzuheben,
selbst auf die Gefahr hin, daß wir dafür noch
einige Kreuzer mehr bezahlen müssen.

(Hört! hört!)

Ja, Herr von Hertling, Sie haben vollkommen
recht, hören muß cs die ganze Welt, daß es uns
auf einige Dutzend Kreuzer gar nicht ankommt,
wenn die Kirche ebenfalls bedacht wird.

(Beifall.)

Nun ist ja auch das Budgetrecht und der
demokratische Gedanke angeschnitten worden, und
da muß ich doch sagen, daß beide Dinge recht
schön und von mir immer vertreten worden sind,

— (die kleine Exzellenz trippelt ärger denn je) — aber —
(jetzt schreit der Redner laut auf)."

Abg. R o e r c n: Fehlt Ihnen etwas, Herr Doktor?
Der alte selige Windthorst (fortfahrend).
„Ach nein, ich wollte gerade über die Opportunität
sprechen, und da brannte es mir wieder so schreck-
lich an den Fußsohlen. Ja, ja, mein lieber
 
Annotationen