Der Frühling.
„Klieg, Räserchen, flieg.
Der Hecker ist im Krieg.
Der Ltruve ist im Vberland
Und macht die Republik bekannt.
Klieg, Läferchen. flieg."
Der Wiuier.
„Halt, Räferchen, halt!
Rust die Zentralgewalt,
Der Hecker ist gegangen.
Der Ltruve ist gefangen.
Probier's einmal und flieg."
(Fliegende Blätter, 1848.)
Der Leckerig.
Aufstand der badischen Republikaner vom April J848.
Friedrich Hecker und Gustav von Struve,j
die beiden populärsten Führer der badischen Demo-
kratie, waren zugleich auch die größten Revolutions- '
Romantiker von 1848. Ihre leicht zu erhitzende
Phantasie ließ sie die Dinge nicht so auffassen,
wie sie waren, sondern ivie sie sich dieselben
wünschten. Ein fast unglaublicher Optimismus
bestimmte ihr Thun und Lassen und nur daraus
kann man sich erklären, lvie der Heckerzug oder
Heckerputsch zu Stande kam, der uns heute fast
wie ein Märchen erscheint.
Auf dem Vorparlament zu Frankfurt a. M.
hatten Hecker und Struve eiue entschiedene Nieder-
lage erlitten; sie hatten vergebens die Einführung
der deutschen Republik beantragt und auch
nicht vermocht, das Vorparlament zusammen zu
halten, damit es die Neugestaltung Deutschlands
in die Hand nähnie. Man überließ Alles dem
eigentlichen Parlament, das im Mai zusammen-
treten sollte, und setzte einen Fünfziger-Ausschuß
ein, der für die Ausführung dieses Beschlusses zu
sorgen hatte. Hecker und Struve wurden nicht
in diesen Ausschuß gewählt und kainen voll In-
grimm nach Baden zurück. Dort hatten die Be-
schlüsse des Vorparlaments in der sehr zahlreichen
republikanischen Partei eine große Aufregung her-
vorgerufen und die Hitzigsten und Entschlossensten
verlangten, daß man sofort losschlage. Sie wollten
die Neugestaltung Deutschlands mit den Waffen
herbeiführen, denn sie hatten kein Vertrauen mehr
zu einem Parlament.
Der Gedanke des Losschlagens wurde auch
dadurch nahe gelegt, daß in Baden die Volks-,
bewaffnung in höherein Grade eingeführt war,
als anderwärts, denn außer der überall organi-
sirten Bürgerwehr gab es auch Freikorps,
wie das vom ehemaligen badischen Lieutenant
Franz Sigel organisirte Sensenkorps zu
Mannheim, das zur Hälfte mit Sensen bewaffnet
war, und die gleichfalls von Sigel organisirte
Volkswehr des Seekreises. Das badische
Militär fraternisirte vielfach mit den demokrati-
schen Freischaaren.
An den Grenzen des badischen Seekreises stell-
ten sich württembergische und bayerische Truppen
auf, vorläufig nur beobachtend, was die Auf-
regung sehr steigerte. Man dachte hier indessen
nicht an einen Freischaarenzug, sondern wollte
sich eventuell dem Frankfurter Parlament zur
Verfügung stellen.
Hecker und Struve wurden durch mancherlei
Umstände zum Losschlagen getrieben. Zu ihrem
eigenen Optimismus kam auch der Optimismus
Anderer. Die beiden Parteihäupter wurden von
Deputationen und in Briefen zur Schilderhebung
aufgcfordert. Man dürfe die kostbare Zeit nicht
ungenutzt verstreichen lassen, hieß es; das ganze
badische Volk und namentlich die Bauern seien
Friedrich Hecker.
für die Republik, das Militär werde sogleich zum
Volke übergehen, die Bewegung werde über die
Grenze dringen und das ganze deutsche Volk mit
sich reißen. Von denen, die sich mit solchen kind-
lichen Illusionen trugen, waren nachher, als es
Ernst wurde, nur die wenigsten unter den Waffen
zu sehen.
Dazu kam, daß die badische Regierung sich
anschickte, gegen die beiden Parteiführer einen
Hochverrathsprozeß einzuleiten. Und zur selben
Zeit gerieth das ganze badische Volk in Er-
regung durch die Truppeuuiärsche am Rhein,
welche durch die Bildung der demokratischen
Legion durch Georg Herwegh in Paris ver-
anlaßt waren.
Man schilderte diese Legion, die meist aus
deutschen Arbeitern bestand, als eine raub- und
mordgierige Bande, und es wurde dadurch in
Württemberg am 25. März der bekannte tragi-
komische „Franzosenschrecken" hervorgerufcn.
Hessisches Militär erschien in Baden, was die
Bevölkerung sehr erbitterte und die beiden Illu-
sionäre Hecker und Struve in der Meinung bc-
Tustav von Struve.
stärkte, der Sieg lasse sich ohne eigentlichen Kampf
erringen.
Hecker sollte in Mannheim, Struve iu
Freiburg, Fickler im Seekreis die Leitung des
Aufstandes übernehmen. Auf Fickler, den im
Seekreis sehr populären Abgeordneten und ge-
wandten Agitator, wurde große Hoffnung gesetzt.
Allein Fickler ward am 8. April zu Karlsruhe,
als er eben nach dem Seekreis abreisen wollte,
von seinem bisherigen Freunde Mathy verhaftet
und dingfest gemacht. Diese That war ein Akt
schnöden Verraths, denn Mathy war nicht nur
bis vor wenigen Tagen Ficklers erklärter Partei-
genosse gewesen, sondern verdankte dentselben
außer verschiedenen anderen Freundschaftsdiensten
auch sein Landtagsmandat.
Mathy ward zuin badischen Staatsrath ge-
macht. Das Philisterthum war so dumm, seine
That als einen „Akt antiker Aufopferung" anzu-
sehen und ihn sogar in das Frankfurter Parla-
ment zu wähle».
Mathy kehrte nach Manuheini zurück, wo das
Volk wegen Ficklers Verhaftung in Wuth ge-
rathen mar. Vom Rathhausbalkon herab suchte
sich Mathy damit zu rechtfertigen, Fickler habe
einen Einfall „französischen Raubgesindels" nach
Baden veranlassen wollen, was natürlich eine
Lüge war, wie sich nachher herausstellte. Die
„guten Bürger" stimmten aber vorläufig Mathy
zu und Hecker wurde es dadurch unmöglich, in
Mannheim eine Volkserhebung herbeizuführen.
Er faßte einen schnellen Entschluß und reiste
am 9. April nach Konstanz ab, wo sich einige
seiner entschlossensten Freunde schon eingefunden
hatten. Theodor Mögling, Oekonomierath aus
Brackenheim, August von Willich, ehemaliger
preußischer Artillerielieutenant, Karl Bruhn (der
später in Hamburg den „Nordstern" herausgab)
und Andere waren schon dort; auch Struve hatte
sich cingefunden.
„Klieg, Räserchen, flieg.
Der Hecker ist im Krieg.
Der Ltruve ist im Vberland
Und macht die Republik bekannt.
Klieg, Läferchen. flieg."
Der Wiuier.
„Halt, Räferchen, halt!
Rust die Zentralgewalt,
Der Hecker ist gegangen.
Der Ltruve ist gefangen.
Probier's einmal und flieg."
(Fliegende Blätter, 1848.)
Der Leckerig.
Aufstand der badischen Republikaner vom April J848.
Friedrich Hecker und Gustav von Struve,j
die beiden populärsten Führer der badischen Demo-
kratie, waren zugleich auch die größten Revolutions- '
Romantiker von 1848. Ihre leicht zu erhitzende
Phantasie ließ sie die Dinge nicht so auffassen,
wie sie waren, sondern ivie sie sich dieselben
wünschten. Ein fast unglaublicher Optimismus
bestimmte ihr Thun und Lassen und nur daraus
kann man sich erklären, lvie der Heckerzug oder
Heckerputsch zu Stande kam, der uns heute fast
wie ein Märchen erscheint.
Auf dem Vorparlament zu Frankfurt a. M.
hatten Hecker und Struve eiue entschiedene Nieder-
lage erlitten; sie hatten vergebens die Einführung
der deutschen Republik beantragt und auch
nicht vermocht, das Vorparlament zusammen zu
halten, damit es die Neugestaltung Deutschlands
in die Hand nähnie. Man überließ Alles dem
eigentlichen Parlament, das im Mai zusammen-
treten sollte, und setzte einen Fünfziger-Ausschuß
ein, der für die Ausführung dieses Beschlusses zu
sorgen hatte. Hecker und Struve wurden nicht
in diesen Ausschuß gewählt und kainen voll In-
grimm nach Baden zurück. Dort hatten die Be-
schlüsse des Vorparlaments in der sehr zahlreichen
republikanischen Partei eine große Aufregung her-
vorgerufen und die Hitzigsten und Entschlossensten
verlangten, daß man sofort losschlage. Sie wollten
die Neugestaltung Deutschlands mit den Waffen
herbeiführen, denn sie hatten kein Vertrauen mehr
zu einem Parlament.
Der Gedanke des Losschlagens wurde auch
dadurch nahe gelegt, daß in Baden die Volks-,
bewaffnung in höherein Grade eingeführt war,
als anderwärts, denn außer der überall organi-
sirten Bürgerwehr gab es auch Freikorps,
wie das vom ehemaligen badischen Lieutenant
Franz Sigel organisirte Sensenkorps zu
Mannheim, das zur Hälfte mit Sensen bewaffnet
war, und die gleichfalls von Sigel organisirte
Volkswehr des Seekreises. Das badische
Militär fraternisirte vielfach mit den demokrati-
schen Freischaaren.
An den Grenzen des badischen Seekreises stell-
ten sich württembergische und bayerische Truppen
auf, vorläufig nur beobachtend, was die Auf-
regung sehr steigerte. Man dachte hier indessen
nicht an einen Freischaarenzug, sondern wollte
sich eventuell dem Frankfurter Parlament zur
Verfügung stellen.
Hecker und Struve wurden durch mancherlei
Umstände zum Losschlagen getrieben. Zu ihrem
eigenen Optimismus kam auch der Optimismus
Anderer. Die beiden Parteihäupter wurden von
Deputationen und in Briefen zur Schilderhebung
aufgcfordert. Man dürfe die kostbare Zeit nicht
ungenutzt verstreichen lassen, hieß es; das ganze
badische Volk und namentlich die Bauern seien
Friedrich Hecker.
für die Republik, das Militär werde sogleich zum
Volke übergehen, die Bewegung werde über die
Grenze dringen und das ganze deutsche Volk mit
sich reißen. Von denen, die sich mit solchen kind-
lichen Illusionen trugen, waren nachher, als es
Ernst wurde, nur die wenigsten unter den Waffen
zu sehen.
Dazu kam, daß die badische Regierung sich
anschickte, gegen die beiden Parteiführer einen
Hochverrathsprozeß einzuleiten. Und zur selben
Zeit gerieth das ganze badische Volk in Er-
regung durch die Truppeuuiärsche am Rhein,
welche durch die Bildung der demokratischen
Legion durch Georg Herwegh in Paris ver-
anlaßt waren.
Man schilderte diese Legion, die meist aus
deutschen Arbeitern bestand, als eine raub- und
mordgierige Bande, und es wurde dadurch in
Württemberg am 25. März der bekannte tragi-
komische „Franzosenschrecken" hervorgerufcn.
Hessisches Militär erschien in Baden, was die
Bevölkerung sehr erbitterte und die beiden Illu-
sionäre Hecker und Struve in der Meinung bc-
Tustav von Struve.
stärkte, der Sieg lasse sich ohne eigentlichen Kampf
erringen.
Hecker sollte in Mannheim, Struve iu
Freiburg, Fickler im Seekreis die Leitung des
Aufstandes übernehmen. Auf Fickler, den im
Seekreis sehr populären Abgeordneten und ge-
wandten Agitator, wurde große Hoffnung gesetzt.
Allein Fickler ward am 8. April zu Karlsruhe,
als er eben nach dem Seekreis abreisen wollte,
von seinem bisherigen Freunde Mathy verhaftet
und dingfest gemacht. Diese That war ein Akt
schnöden Verraths, denn Mathy war nicht nur
bis vor wenigen Tagen Ficklers erklärter Partei-
genosse gewesen, sondern verdankte dentselben
außer verschiedenen anderen Freundschaftsdiensten
auch sein Landtagsmandat.
Mathy ward zuin badischen Staatsrath ge-
macht. Das Philisterthum war so dumm, seine
That als einen „Akt antiker Aufopferung" anzu-
sehen und ihn sogar in das Frankfurter Parla-
ment zu wähle».
Mathy kehrte nach Manuheini zurück, wo das
Volk wegen Ficklers Verhaftung in Wuth ge-
rathen mar. Vom Rathhausbalkon herab suchte
sich Mathy damit zu rechtfertigen, Fickler habe
einen Einfall „französischen Raubgesindels" nach
Baden veranlassen wollen, was natürlich eine
Lüge war, wie sich nachher herausstellte. Die
„guten Bürger" stimmten aber vorläufig Mathy
zu und Hecker wurde es dadurch unmöglich, in
Mannheim eine Volkserhebung herbeizuführen.
Er faßte einen schnellen Entschluß und reiste
am 9. April nach Konstanz ab, wo sich einige
seiner entschlossensten Freunde schon eingefunden
hatten. Theodor Mögling, Oekonomierath aus
Brackenheim, August von Willich, ehemaliger
preußischer Artillerielieutenant, Karl Bruhn (der
später in Hamburg den „Nordstern" herausgab)
und Andere waren schon dort; auch Struve hatte
sich cingefunden.