2703 . -
Tod des Generals von Gagern.
Hecker hätte sich in Konstanz gleich überzeugen |
können, daß sein Putsch aussichtslos war, denn '
weitaus die meisten seiner einflußreichen Freunde
und Parteigenossen riethen ihm ab, „vom letzten
Zipsel Deutschlands" ans seine republikanische >
Theodor Mögling.
Schilderhebung zu beginnen. Auch Sigel er
klärte es für eine Thorheit, daß Struve sein
Illusionen so weit trieb, von dein damals zwei
hunderttausend Einwohner zählenden Seekrei
eine republikanische Armee von vierzig- bis achM
tausend Mann zn erwarten. Allein Hecker, c
nrir noch die Wahl zwischen
der Schilderhebung und der
Verbannung hatte, erklärte alle
Warnungen für Verrath und
Abfall rind erließ sofort eiiren
Aufruf au das Volk zur Er-
hebung für die Republik. Ain
12. April war große Volks-
versammlung aus dein Rath-
hause zu Konstanz. Heckers
stürmische Beredsamkeit riß die
Masse mit sich fort. Man be-
schloß, für die Republik mit
den Waffen auszurücken und
„vielleicht ohne Schwertstreich"
bis zc>r Hauptstadt Karlsruhe
vorzudringen.
Als Sigel am anderen
Morgen die Aufgebote ver-
sammelte, erklärten sich nur
fünfundfünfzig Mann bereit,
mit Hecker auszurücken, und
mit diesen zog er denn auch
wirklich aus, vom Volke mit
Erstaunen betrachtet. Es war
wohl der Glanzpunkt aller
Revolutionsromantik erreicht,
als Hecker an der Spitze seiner
kleinen Schaar dahinschritt, in
der blauen Blouse, mit dem
großen Heckerhute mit Hahnen-
federn, zwei Pistolen iin Gürtel
und de>u Schleppsäbel, wie sich
sein Bild so lange inr An-
denkeir des Volkes erhalten hat.
Auf dem Marsche nach
Engen verstärkte sich indessen
die Heckersche Schaar bis aus
rtwa tausend Mann, und in
Engen fand man zwei kleine
beschütze vor. Hier erschien
auch Frau Herwegh und bot
en Beistand der am Rhein
e zeuden demokratischen Legion
an. Allein Hecker wies sie ab,
r? mit den angcb-
lcchen Räuber- und Mörder-
bauden identifizirt sein wollte.
Da Donaueschinge», wo sich alles vereinigen
sollte, von den Württembergern besetzt war, so
wandte sich Hecker über den Schwarzwald nach
dein Rheinthal. Bei dem rauhen Wetter wech-
selte die Stärke der Kolonne sehr. Dazu war
so wenig Ordnung in dem ganzen Unternehmeil,
daß sich die verschiedenen Kolonnen der Auf-
ständischen gar nicht vereinigen konnten. Denn
es hatten sich noch mehrere Koloirnen gebildet, so
unter dem Posthalter Weishaar von Lottstettcn*
am Oberrhein und unter dem feurigen jungen
Reff von Rüinmingen** im Wiesenthal. Auch
Sigel kam mit dreihundert Mann und zwei
Geschützen von Konstanz nachgerückt. Dieser
tapfere junge Mann, dessen große militärische
Fähigkeiten sich nachher so evident erwiesen haben, ;
sah die Aussichtslosigkeit des ganzen Unternehmens
ein, aber er wollte als Freund und als Re-
publikaner Hecker nicht im Stiche lassen. Nach
seinen Angaben hätte man die Freischaaren in
der Stärke von acht- bis zehntausend Mann auf
dem Schwarzwald oder vor Freiburg zusammen-
ziehen können, ivcnn nicht Heckers, Struves und
auch Millichs unpraktisches Verfahren dies un-
möglich gemacht hätte. Sigel selbst brachte seine
Kolonne bis auf über dreitausend Mann.
Der Fünfziger-Ausschuß in Frankfurt a. M.
hatte eine pathetische Proklamation gegen den
Ausstand erlassen und sandte seine Mitglieder
Venedey und Spatz an Hecker, um diesen zur
* Später Gastwirth in Zürich, unlängst verstorben.
** 1849 zu Freiburg standrechtlich erschossen.
Niederlegung der Waffen gegen allgemeine Amnestie
zu veranlassen. Hecker wies dies mit Hohn ab.
Die Heckersche Kolonne, den anderen voraus-
marschirend, erreichte das Wieseuthal, wo sie auf
Sigel, der von Osten, und auf Weishaar, der
Kranz Sigel.
von Süden anrückte, hätte warten sollen. Alleiil
Hecker rückte nach Kandern hinab, so daß ihn
Sigel verfehlte, während die in Baden ein-
gerückten hessischen Truppen, die man gegen
die Republikaner zuerst verwendete, schon in
Schliengen angekommen waren.
Sigel forderte Hecker ain
19. April eiligst zum Rückmarsch
und zur Vereinigung auf, allein
Hecker zog erst am Morgen des
20. April um acht Uhr aus
Kandern ab, als eben die
Hessen vor Kandern erschienen.
Die Freischaaren mußten die
hinter Kandern sich erhebende
Anhöhe, Scheideck genannt,
hinaufrücken und die Hessen,
drei Bataillone Jnfaliterie, drei
Schwadronen Dragoner mit
sechs Geschützen, etwa zwei-
tauseildvierhundert Mann, un-
ter dem General Friedrich
von Gagern, rückten nach.
General von Gagern ließ
Hecker zu einer Utiterredung
auffordern, die ans einer Brücke
hinter Kandern stattfand. Sie
verlief resultatlos, da Hecker
die Waffen nicht niederlcgen
wollte. „So werde ich nrit aller
Strenge gleich einschreiten",
polterte Gagern. „Und ich
werde einem Angriff zu begeg-
nen wissen", erwiderte Hecker.
Nach zehn Minuten rückten
die Hessen wieder vor und die
Freischaaren zogen sich vor der
Uebermacht zurück. Auf der
Höhe der Scheideck aber setzten
sich die Republikaner zur Wehr,
da sie sich nicht auf der anderen
Seite, wo die Höhe wieder ab-
fällt, hinabdrängen lassen woll-
ten. Sie stellten sich in Schlacht-
ordnung, die Geschütze in der
Mitte, die Büchsenschützen auf
den Flügeln, die Sensenmänner
im Hintertreffen. Die Hessen
kamen heran und Dr. Kaiser
aus Konstanz trat weit vor
und rief: „Schießt nicht auf
Eure Brüder; Ihr würdet
als Greise Euch die grauen
Haare ausraufen!"
Tod des Generals von Gagern.
Hecker hätte sich in Konstanz gleich überzeugen |
können, daß sein Putsch aussichtslos war, denn '
weitaus die meisten seiner einflußreichen Freunde
und Parteigenossen riethen ihm ab, „vom letzten
Zipsel Deutschlands" ans seine republikanische >
Theodor Mögling.
Schilderhebung zu beginnen. Auch Sigel er
klärte es für eine Thorheit, daß Struve sein
Illusionen so weit trieb, von dein damals zwei
hunderttausend Einwohner zählenden Seekrei
eine republikanische Armee von vierzig- bis achM
tausend Mann zn erwarten. Allein Hecker, c
nrir noch die Wahl zwischen
der Schilderhebung und der
Verbannung hatte, erklärte alle
Warnungen für Verrath und
Abfall rind erließ sofort eiiren
Aufruf au das Volk zur Er-
hebung für die Republik. Ain
12. April war große Volks-
versammlung aus dein Rath-
hause zu Konstanz. Heckers
stürmische Beredsamkeit riß die
Masse mit sich fort. Man be-
schloß, für die Republik mit
den Waffen auszurücken und
„vielleicht ohne Schwertstreich"
bis zc>r Hauptstadt Karlsruhe
vorzudringen.
Als Sigel am anderen
Morgen die Aufgebote ver-
sammelte, erklärten sich nur
fünfundfünfzig Mann bereit,
mit Hecker auszurücken, und
mit diesen zog er denn auch
wirklich aus, vom Volke mit
Erstaunen betrachtet. Es war
wohl der Glanzpunkt aller
Revolutionsromantik erreicht,
als Hecker an der Spitze seiner
kleinen Schaar dahinschritt, in
der blauen Blouse, mit dem
großen Heckerhute mit Hahnen-
federn, zwei Pistolen iin Gürtel
und de>u Schleppsäbel, wie sich
sein Bild so lange inr An-
denkeir des Volkes erhalten hat.
Auf dem Marsche nach
Engen verstärkte sich indessen
die Heckersche Schaar bis aus
rtwa tausend Mann, und in
Engen fand man zwei kleine
beschütze vor. Hier erschien
auch Frau Herwegh und bot
en Beistand der am Rhein
e zeuden demokratischen Legion
an. Allein Hecker wies sie ab,
r? mit den angcb-
lcchen Räuber- und Mörder-
bauden identifizirt sein wollte.
Da Donaueschinge», wo sich alles vereinigen
sollte, von den Württembergern besetzt war, so
wandte sich Hecker über den Schwarzwald nach
dein Rheinthal. Bei dem rauhen Wetter wech-
selte die Stärke der Kolonne sehr. Dazu war
so wenig Ordnung in dem ganzen Unternehmeil,
daß sich die verschiedenen Kolonnen der Auf-
ständischen gar nicht vereinigen konnten. Denn
es hatten sich noch mehrere Koloirnen gebildet, so
unter dem Posthalter Weishaar von Lottstettcn*
am Oberrhein und unter dem feurigen jungen
Reff von Rüinmingen** im Wiesenthal. Auch
Sigel kam mit dreihundert Mann und zwei
Geschützen von Konstanz nachgerückt. Dieser
tapfere junge Mann, dessen große militärische
Fähigkeiten sich nachher so evident erwiesen haben, ;
sah die Aussichtslosigkeit des ganzen Unternehmens
ein, aber er wollte als Freund und als Re-
publikaner Hecker nicht im Stiche lassen. Nach
seinen Angaben hätte man die Freischaaren in
der Stärke von acht- bis zehntausend Mann auf
dem Schwarzwald oder vor Freiburg zusammen-
ziehen können, ivcnn nicht Heckers, Struves und
auch Millichs unpraktisches Verfahren dies un-
möglich gemacht hätte. Sigel selbst brachte seine
Kolonne bis auf über dreitausend Mann.
Der Fünfziger-Ausschuß in Frankfurt a. M.
hatte eine pathetische Proklamation gegen den
Ausstand erlassen und sandte seine Mitglieder
Venedey und Spatz an Hecker, um diesen zur
* Später Gastwirth in Zürich, unlängst verstorben.
** 1849 zu Freiburg standrechtlich erschossen.
Niederlegung der Waffen gegen allgemeine Amnestie
zu veranlassen. Hecker wies dies mit Hohn ab.
Die Heckersche Kolonne, den anderen voraus-
marschirend, erreichte das Wieseuthal, wo sie auf
Sigel, der von Osten, und auf Weishaar, der
Kranz Sigel.
von Süden anrückte, hätte warten sollen. Alleiil
Hecker rückte nach Kandern hinab, so daß ihn
Sigel verfehlte, während die in Baden ein-
gerückten hessischen Truppen, die man gegen
die Republikaner zuerst verwendete, schon in
Schliengen angekommen waren.
Sigel forderte Hecker ain
19. April eiligst zum Rückmarsch
und zur Vereinigung auf, allein
Hecker zog erst am Morgen des
20. April um acht Uhr aus
Kandern ab, als eben die
Hessen vor Kandern erschienen.
Die Freischaaren mußten die
hinter Kandern sich erhebende
Anhöhe, Scheideck genannt,
hinaufrücken und die Hessen,
drei Bataillone Jnfaliterie, drei
Schwadronen Dragoner mit
sechs Geschützen, etwa zwei-
tauseildvierhundert Mann, un-
ter dem General Friedrich
von Gagern, rückten nach.
General von Gagern ließ
Hecker zu einer Utiterredung
auffordern, die ans einer Brücke
hinter Kandern stattfand. Sie
verlief resultatlos, da Hecker
die Waffen nicht niederlcgen
wollte. „So werde ich nrit aller
Strenge gleich einschreiten",
polterte Gagern. „Und ich
werde einem Angriff zu begeg-
nen wissen", erwiderte Hecker.
Nach zehn Minuten rückten
die Hessen wieder vor und die
Freischaaren zogen sich vor der
Uebermacht zurück. Auf der
Höhe der Scheideck aber setzten
sich die Republikaner zur Wehr,
da sie sich nicht auf der anderen
Seite, wo die Höhe wieder ab-
fällt, hinabdrängen lassen woll-
ten. Sie stellten sich in Schlacht-
ordnung, die Geschütze in der
Mitte, die Büchsenschützen auf
den Flügeln, die Sensenmänner
im Hintertreffen. Die Hessen
kamen heran und Dr. Kaiser
aus Konstanz trat weit vor
und rief: „Schießt nicht auf
Eure Brüder; Ihr würdet
als Greise Euch die grauen
Haare ausraufen!"