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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0093
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2715

Auf kräftige Sinne gestützt, wankt er todesmatt dahin.

Mehrere Freunde folgen mit besorgten Mienen in
das Gehölz, ernste, im Daseinskampf ergraute Männer,
in deren Zügen Noth und Entbehrung tiefe Linien ge-
zeichnet.

An einer einsamen, moosüberwucherten Stelle bricht
Vater Saldern mit einem tiefen Stöhnen kraftlos zu-
sammen. Des Sohnes Arme fangen ihn ans und betten
ihn auf weichem Moose.

Ein Ruf des Schreckens entfährt den Lippen der
Männer. Tief erschüttert beugen sie sich nieder zu einem

— Sterbenden.

„Laßt mich ruhen — liebe Freunde — bemüht Euch
nicht — meine Zeit ist abgelaufen" — haucht kaum hör-
bar der Greis.

Von stummem Schmerz überwältigt, stehen die Männer
der Arbeit zur Seite des sterbenden Genossen, nur das
leise Schluchzen des trauernden Sohnes ist hörbar.

Noch einmal öffnet Vater Saldern die Augen und ein
zufriedenes Lächeln umspielt seine blutleeren Lippen.

„Ich scheide von Euch — Freunde, Brüder — aber
ich werde fortleben — fortleben in Dir, mein Sohn —
in Deinen Kindern — ich hoffe es — ein Feigling, wer

der Fahne flieht!"-er ergreift die Hände seines

Sohnes und die der Freunde. — „Haltet fest am Banner
der Gerechtigkeit — laßt niemals nach, noch seid Ihr
nicht am Ziel — aber die gerechte Sache wird triumphiren

— die Zeichen stehen — die rothen Fahnen fliegen — Sieg

— Freiheit — Freiheit —-

Goldigroth neigt sich die Sonne im Westen zum Schlaf.
In lohendes Feuer gebadet erscheint das Firmament und
roth erglühen ringsum die Stämme und Wipfel der Bäume.
Von der Festwiese her, wo man zum Aufbruch rüstet,
erklingt es in brausendem Chor:

Nicht mit dem Rüstzeug der Barbaren,

Mit Flint' und Speer nicht kämpfen mir.

Es führt zum Sieg der Freiheit Schaaren
Des Geistes Schwert, des Rechts Panier.

Daß Friede maltet, Wohlstand blüht.

Daß Freud' und Hoffnung hell durchglüht
Der Arbeit Heim, der Arbeit Leben,

Das ist das Ziel, das mir erstreben.

„Hoch, Vater Saldern!" — „Ruhe! Ruhe! Bater
Saldern wird sprechen!" . _

Jedermann kennt den alten Arbeiterveteran als das
Urbild eines Freiheitskämpfers, Alt und Jung hängt an
chm mit ehrfurchtsvoller Liebe und Verehrung. Als einer
der glühendsten Vorkämpfer der Volksbefreiung hatte er
schon im Revolutionsjahr 1848 auf den Barrikaden für
Recht und Freiheit gestritten, die Kampfgenossen durch
seiner Rede Kraft mit Muth und Begeisterung erfüllt.
Und so lebte und litt, trotzte und stritt er für ferne
hohen Ideale bis auf den heutigen Tag. Nun ist sein
Körper morsch, sein Haar silberweiß gebleicht, aber noch
blitzt aus den Augen der Feuereifer für den Befreiungs-
kampf der Unterdrückten, leuchtet noch jetzt die Flamme,
mit der einst der begeisterte Volksredner seine Zuhörer

fortgerissen

Thränen der Rührung und Freude perlen an des Alten
Wimpern, bei er von seiner Warte das Heer der festes-
frohen Genossen überschaut. Tiefe Stille ist eingetreten.
Alle lauschen andachtsvoll der Rede des braven Greises.

Mit zitternder Stimme, aber mit lebendigen, packenden
Worten gedenkt er der hohen Bedeutung des Maifestes
der Arbeit, ermahnt er die versammelten Brüder an ihre
Pflicht und schließt mit einem flammenden Appell, aus-
zuharren bis zum letzten Atbemzug, bis der Sieg entschieden
über Unrecht und Gewalt.' „Dann wird ein neuer Völker-
srühliog kommen, und wir träumen ihn uns gerne sried-
"ch, als ein Freudenfest. Ein einziger Mai wird dann
das Leben sein, die Arbeit eine Lust, die Freiheit ein ver-
brieftes Recht. . . . Und so schreitet unentwegt, furchtlos
und treu auf der rechten Bahn vorwärts dem schönen
Jrele entgegen. Kämpft muthig weiter — einig und ge-

m!eu durch Kampf zum Sieg!"
n ,A"t erlöschender Stimme endet der Greis. Ein krampf-
yastes Zittern durchfliegt seinen erschöpften Körper und
Glan"^" Augen verglimmt jäh der feurigen Begeisterung

Endloser Jubel braust über den Plan,
die p tastet der Alte nach der Hand seines Führers,
^ krampfhaft umspannt.

leise . Augenblick laß mich ruhen — dort", bittet er
Walde?^.^"ket seitwärts in die grüne Dämmerung des

'S
 
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