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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0104
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2726 - •

sie denn schon mal gesehen hätten, daß einer einen
Altar oder einen Thron umgestürzt habe. So
flocht er die Maschen des Gespräches immer enger
und enger, und seine Stimme wurde dringlicher
und seine Gründe gewichtiger.

Denn in seinem Innern loderte die heilige
Flamme der Begeisterung für die große Sache
des Proletariats. Jahrelang hatte er sich die
kärglichen Stunden seiner Nachtruhe verkürzt,
um die frohe Botschaft von der Erlösung der
Unterdrückten heißhungrig in sich aufzunchmen.
Hier, hier hatte er einen fruchtbaren Boden für
eine schöne, köstliche Aussaat gefunden: hier — das
stand ihm plötzlich klar vor der Seele — hier
konnte er nicht nur Backsteine für den habgierigen
Baron, hier konnte er Bausteine für der Mensch-
heit Zukunftsbau formen!

Schritt um Schritt ging er weiter. Er kannte
der Landleute Art, und schnnegte sich ihr an.
Seine Arbeit war gesegnet. Die harten Männer,
die von ihrer Noih zu Boden gedrückt waren,
hingen begeistert an seinem Munde, wenn er
ihnen einen Tropfen um den anderen von seiner
Hoffnungsfreudigkeit und seinem Jdealisinus in
die dürstenden, verdorrten Seelen träufelte. Ja,
das waren andere Worte, wie das hochnäsige
Gefasel des Barons von Patriotismus und Unter-
thanenpflichten, andere Worte, als des Pfarrers
fades Geplärre vom irdischen Jammerthal und
dem Segen des Elends. Zun: ersten Male be-
griffen diese Männer, daß es einen Ausweg gab
aus all den Kümmernissen, daß ein reiches Land
froher Hoffnung vor ihnen lag. Ja, Heinrich
Werner, das war ihr Mann! —

Als Beitel Goldstein deni Herrn Baron gegen
gute Hypothek und hohen Zins das lachende Baar-
geld zu dem Bau ins Haus getragen hatte, da
mußte der Edle sich „nothwendig" zunächst erst
etwas zu gute thun. Warum auch nicht? Die

Sache stand ja vortrefflich! Erst einmal in
Berlin bei Annie und Milka, und Toni und
Henny ein „Mensch" werden, ehe der „Klum-
patsch" mit dem Gemeinderath fertig geinacht
werden sollte.

Ach, hätte der edle Hans Achim Theobald ge-
ahnt, was in „seinem" Quenstedt vorging, —
vielleicht hätte er doch den Rosenmond etivas ab-
gekürzt, hätte seinen Sekt zu Hause getrunken
und sich die Weiber aus dem Kopfe geschlagen.
Aber als er nun, nach langen lustigen Wochen,
mit leereni Beutel und wüstem Hirne zurück-
kehrte, da hatte er wieder einmal — Pech, ver-
maledeites Pech! Die Sache wollte sich gar
nicht „deichseln" lassen, ganz und gar nicht. Die
„Saubande" war gar nicht inehr verbissen auf
einander, und als Hans Achim Theobald mit
einem von ihnen anbandelte und auf den „ver-
fluchten Sozialdeinokraten" zu schimpfen begann,
da passirte es ihm gar, daß der Bauer langsam
die Pfeife aus dem Munde nahm und ihn ganz
ungenirt fragte: „Wissen Sie denn überhaupt,
was ein Sozialdemokrat will, Herr Baron?"

Da sollte ja gleich ein Himmeldonnerwetter
dreinschlagen!

Aber cs schlug keins drein. Und als der edle
Herr in: Gemeinderath mit seinen: sauberen Plan
angerückt kam und gegen den ehemaligen Kauf-
schilling das Feld wieder nehmen wollte, da
lachten ihm die Bauern ins Gesicht, und er —
purzelte mit seinem Antrag „einstimmig" durch!!

„Zehntausend Thaler jedes Jahr weniger",
brummte er ingrimmig in seine Zähne.

Aus war der schöne Traum.

Heinrich Werner konnte sein Bündel schnüren.
Er brauchte ihn nicht mehr. Den lumpigen Feld- j
brand auf eigenem Boden konnte er allein leiten.

Aber als Werner im Wirthshaus von seinen !
neuen Freunden herzlichen Abschied nahm, da I

riefen sic ihm zu: „Wiederkommen, wieder-
kommen!"

Und er versprach's und hat Wort gehalten.

Bei der nächsten Reichstagswahl kam er
frohgemuth ins Dorf gewandert, und in einer
Versammlung am Abend, da kündigte er mit
leuchtenden Augen und beredtem Munde das
Evangelium der Sozialdemokratie!

Hans Achim Theobald war sprachlos, als ihn:
der Gemeindediencr athemlos diese „Frechheit"
meldete. Zornbebend sah er ein, daß er hier
nichts retten könne.

Als er aber diesmal bei der Auszählung der
Stimmzettel weit über ein halbes hundert Mal
„August Bebel" hatte rufen müssen, da ging
er tiefgeknickt nach Hause, und dort, wo ihn
Keiner sah, schlug er sich vor den Kopf und rief:

„Ich Esel! Das habe ich verschuldet mit meinem
rothen Stimmzettel!"

V/


Heiteres aus den Jahren 1848 unö 1849 *

Achte um den König.

In Deutschland ist zum Kegelspiel
Der Michel aufgesprungen —

Hei! wie die Kugel flog zum Ziel!

Der Wurf ist wohl gelungen.

Am ersten siel der Grenadier,

Daß er am Boden krachte.

Und mit ihm stürzten Zwei, Drei, Vier,
Und endlich alle Achte.

Wie purzelten sie rechts und links —

Es wankte selbst der König!

Ja Achte um den König rings! —
So schallt es jubeltönig.

Steht wieder auf und macht euch breit,
Ihr Herrn — ganz nach Belieben!

Wir sind bereit zu jeder Zeit
Zu neuem Kegelschieben.

Dev Knave und die Zchwalve.

Ein Knabe hatte eine Schwalbe gefangen; er befestigte
sie an einem Faden und ging davon. Die Schwalbe machte
unendliche Bewegungen, sich zu befreien: endlich riß der Faden
in der Mitte; doch behielt sie ein Stück davon am Fuße.
Triumphirend flog sie nun auf einen Bauin. Aber die Un-
glückliche! Der Faden blieb an einem Aste hängen und sie
mußte verhungern. — Völker! So lange noch ein Stück an
der Sklavenkette bleibt, wird der erste Beste sich dessen be-
mächtigen ! . . .

Politische Prüfungen und Untersuchungen.

Lehrer: Was weißt du vom 18. März 1848?

Schüler: Daß dieser Tag ein Schandfleck in der preußi-
schen Geschichte ist.

Lehrer: Warum? -

Schüler: Weil blos dreihundert Ehrenmänner und kein
vornehmer Schurke ums Leben gekommen.

Lehrer: Was ist ein „unseliges Mißverständniß" ?

Schüler: Zwei Schüsse, die nicht gefallen.

Lehrer: Was ist eine Barrikade?

Schüler: Eine freundschaftliche Vereinigung von Equi-
pagen und Droschken, die sich die Deichsel geben, das Volk zu
schützen. _

Lehrer: Was weißt du vom Barrikadenkämpfer?

Schüler: Ein Barrikadenkämpfer ist ein Held, der sich
am 18. März nicht todtschießen lassen wollte, um am 8. Juni
dafür vom Prediger Sido verhöhnt zu werden.

Lehrer: Wer sind die Hauptschurken in Berlin?

Schüler: Das will ich nicht sagen.

Lehrer: Warum, Dummkopf?

Schüler: Weil ich sonst einer wäre.

Lehrer: Brav, mein Sohn! Kladderadatsch. 1848.)

Schnitzet.

Das Wort Anarchie ist das große Gespenst, womit die
Despoten alle politischen Kinder zu Bette jagen.

Den Gewalthabern, welche die Geschicke der Völker lenken,
geht es, zum Glück für die Völker, wie den Spitzbuben: Wenn
diese den Verstand hätten, einig zu sein und sich unter einander
nicht wieder bestehlen wollten, so wäre die Welt übel daran.

An den Höfen ist Alles verschworen, um die Herrscher
zu belügen, und es giebt vielleicht keinen Fürsten, welcher
jemals von seinen Umgebungen ein wahres Wort gehört hat.

Ein Jude wurde gefragt: „Wie gefallen Ihnen die März-
errungenschaften?" — „Wie haißt? Ich rauche keinen Tabak!"
war die Antwort.

(Jni März wurde bekanntlich das Verbot des Tabak-
rauchens auf offener Straße aufgehoben.)

Wenn der Puls der Völker schneller geht als der der
Negierungen, so leiden die letzteren an der moralischen
Schwindsucht. *

Was ist das Ende des Ministeriums Brandenburg? Die
Endbuchstaben der Namen:

Brandenbur--G

Stroth — — —-:-a

Manteuffe — —---l

Ladender-g

Rintel —r---eit

zeigen dies recht deutlich. Versteht sich aber, daß hier von
keiner wirklichen, sondern von einer symbolischen Wippe die
Rede ist. (Die ewige Lampe, 1848.)

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz Nachs. (G. m. b. H.) in Stuttgart.
 
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