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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0107
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2729

Junker-Urbermuth.

Die Noth ist da, das Dasein wird zur Hölle,

Die Brotfruchtpreise steigen fort und fort.

Die Nenge murrt, doch die Ketreidezölle,

Die sind geheiligt und bestehen fort.

Die Zeit ist da, die Zölle preiszugeben,

Man fühlt es selbst, daß man das Volk beraubt.
Doch wagt man nicht, den Blutzoll aufzuheben.
Weil es die Zunkerfippe nicht erlaubt.

Das arme Spanien hat ihn stark beschnitten,
Frankreich, Italien athmen frei vom Zoll,

Uns aber fehlt der Muth zu solchen Schritten,
Denn Alles zittert vor der Junker Kroll.

Nur nicht den Stützen unseres Reichs mißfallen!
Und wenn das Volk, der große Lümmel, murrt —
Den Hungerriemen mag es fester schnallen.

Wenn ungeberdig ihm der Nagen knurrt!

Im Nothfall aber wird man's Niederhalten
Durch Polizei und das Kendarmenheer,

Denn festgegründet sind die Staatsgewalten
Und Wunder thut das Magazingewehr!

Schnitzel, -ifc-

Die Wahlzeit fällt diesmal in die längsten Tage. Wer könnte wohl
bornirt sein, in dieser Zeit voll Licht und Sonnenschein einen Finster-
"a zu wählen?

Ueber die Sünden der Reaktionäre sollten wenigstens die Wahl-
refultate roth werden. .

Man wird so lange sozialdemokratische Versammlungen verbieten,
ms die gesetzgebende Körperschaft des Deutschen Reiches selbst eine sozial-
"emokratische Versammlung ist.

korrei^o? lei Dank", sagte der Reporter, als er spanischer Kriegs-
autzia^" ,?nt geworden war, „jetzt kann man sich doch einmal ordentlich

r^sAS' HobelspähNL.

Der Himmel kleidet sich in Blau,

Auf den Fluren wird's immer bunter;

Die Junkerpresse aber lügt

Das Blaue voin Himmel herunter.

Herr Diederich Hahn kräht auf dem Mist
Der Junker unverdrossen,

Er findet in Deutschland keine Roth,
Nachdem er ein Beefsteak genossen.

Jetzt sollen die hohen Getreidepreise ein Glück
für die Menschheit sein, so behaupten die Agrarier;
damit ist jedenfalls die Menschheit gemeint, mit der die Junker Cham-
pagner im LImmbrs ssparss trinken.

Es kracht in allen Fugen
Das spanische Königthum,

Drum sicht sich nach mächtigen Tanten
Der kleine Alfonso um.

Die preußischen Landräthe haben beschlossen, Kaperbriefe auf sozial-
demokratische Stimmzettel auszustellen; Jhring-Mahlow, Münter u. A.
haben sich der Kaperei bereits zur Verfügung gestellt.

Wer nie sein Brot mit Zöllen aß,

Wer nie trank Bier von Saccharin, —

Der ist kein braver deutscher Mann,

Ihm fehlt der deutsche Ordnungssinn.

Sachsen ist jetzt das richtige Musterland geworden. Da nian das
Besuchen von öffentlichen Konzerten und Biergärtcn als Zusammen-
rottungen verbietet, so darf man gespannt sei», ob das Ausgießen des
heiligen Geistes zu Pfingsten die polizeiliche Genehmigung erhält.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Grober Unfug.

Wir armen Sozialisten
Haben Manches versehen,

Worunter Polizisten
Groben Unfug verstehen.

Der Kirchthurm, er wackelt,

Wir haben dran gerackelt,

Daß es hagelt und kracht,

Ja, wir haben's gemacht.

Man nennt es groben Unfug,

Eins zur Arbeit zu pfeifen!

Und man verbietet uns unklug
Rothe Bänder und Schleifen;

Doch die Herzen, die rothen,

Dw hat noch Niemand verboten,

Und sie pochen so laut,

Daß es Vielen davor graut.

A.

Ein Jammerbild aus Ostelbien.
Ein nothleidender Junker (kaum mit

nothdUrfUgsten Vrillantringen geschmückt, an der Thür e

Rommerzienraths): Ein armer Agrarier bittet
einen Schluck Sekt und eine importirte Hava
Vielleicht sind auch 'n paar gebackene Aust
vom Mittagbrot übrig geblieben! Und dann
wenir die Herrschaften vielleicht 'n abgeles
Spiel Karten hätten!

Uns Knüppelwerda

wird uns von unserem dortigen Korresponder
geschrieben:

^>n einen heftigen Widerstreit der Pflick
gericth dieser Tage ein wegen feiner Pflichtt,
bekannter Beamlcr unserer Polizei. Der Sch
mann Karl Rippenknacker bemerkte in der Hai
strahe unseres Ortes gleichzeitig zwei von

Polizei seit langem gesuchte Individuen, den Raub-
mörder Meyer und den Redakteur Schulze, der
in seiner Zeitung eine von der des Landesvaters
abweichende Ansicht über Liebigs Fleischextrakt
veröffentlicht hatte. Die Verbrecher bewegten sich
in entgegengesetzter Richtung. Ein eigenartiger
Konflikt! Aber nicht lange schwankte das brave
Herz des Beamten; schnell entschlossen stürzte er
dem Redakteur nach und machte das gefährliche
Subjekt dingfest. Der Raubmörder Meyer in-
dessen wird der Vergeltung im Jenseits sicher
nicht entgehen. _

Freiherr v. Stumm hat unlängst seinen
Geist aufgegcben. (Gestorben ist er daran
selbstverständlich nicht!)

Reißd de großen Lchdädte ein
Khne Federlesen!

Außen sein se schmuck un fein,
Lchdräflich is ihr Wesen.

Ls geschieht nur Beeses
Drinnen — ei herrjeses!
Unsereener weeß es.

Muß mer eich denn ehrschd erzähl«.
Wen zu Deidschlands Schaden
Seine großen Schdädte wähln?
Lgal Dehmograden.

Is mer nich in allen
Ihren Deifelsgrallen
Reddungslos verfallen?

Schdehd ooch eene da un dord
Schdramme noch bis dado --
's nächste Mal, uff Lhrenword!

Is fe fudschigado!

Midden Lärgersinne
Märd's allmälig dinne —
Schwubbdich, fein fe drinne!

Hamm fe eemal Fuß gefaßd.

Sein fe ja uff Lrden,
wemmersche ooch noch so haßd,
Rich mehr los zu werden.

Bohlezei un Baster
Bannens rohde Laster
Rich von's Lchdrahßenflaster.

Wo ä gleener Kern befchdehd,

Lä'n fe aus 'n Zweifel,

Un die beefe Saad, die gehd,

Ibbig uff — fui Deifel!

Uffruhr anzuschdifden
Duhn se schlau mid Lchrifden
Das Kemiehd vergifden.

Ach, das Kohr is raffinird
Un geheerge Wammse
Krichd, wer edwan schbionird —
Derbe Feiste hammse!

Jedes Jahr wärd's schlimmer.
Darum legd nur immer
Jede Lchdadt in Drimmer!

Nachdruck sämmtlicher Artikel rc. verboten.
 
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