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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0113
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2735

bas ist die Keuschheit und Lnthaltsamkeit. die Sie predigen

Meißen Fingern hingestrichen hatte— „Dagegen
das glühende Blondhaar der Anderen, ah, darin
einmal das Gesicht vergraben, nur einmal... ."

Er hatte das flüsternd vor sich Hingcsprochen.
Scheu, wie ein ertappter Schuljunge, blickte er
sich um und, als hätte sein Wunsch sie dahin-
gezaubert, stand Frau Käthe in der offenen Thür.

Sie trug ihr Haar, das seine unheiligen Ge-
danken noch eben gelicbkost, offen. Gleich den
Hellen eines sonnigen Stromes floß es über die
^ektrisch-blaue Seide ihres Morgenkleides, aus
r!*rU spitzenverhülltem Halsausschnitt der herr-
1 ine Busen schimmerte.

den m^or Aland wandte verwirrt und erröthend
fu»e r ^ ?nr Seite. Sie aber sah ihm mit ihren
ctirden Augen gerade ins Gesicht,
cyt sn ^öre wohl? Sie sinnen gewiß über
Predigt nach, Herr Pastor?"
tbeir - ne‘n' durchaus nicht!... im Gegen-
rn. ich habe mit dem Frühstück auf Sie ge-

festen, sich und er, der sich sonst jeden
Nen^vorlegen ließ, bediente sie wie ein Kavalier,
iü sbhen ein wenig blaß aus, Herr Pastor,
ein "icht wohl?" fragte Frau Käthe;

Li»"denfrohes Lächeln umspielte dabei ihre
blätter' Glanz hatten wie fauchte Rosen-

seiner ^uttelte den Kopf, ohne den Blick vc
sah „,„„ e 3,u heben, und dann, als er sie m
Mm," Augen wie verschleiert.

uicht in den Garten gehen?"
Seine N wünschen."

Und «P . me If<tn0 traurig und gepreßt,
füllt war «0It10en hinab in den Garten, d

erfüllt war r ii"'gen hinab in den Garte,

Mal überrri^r" Geruch der Rosen, die das
SchwTL^. blühten.

Frau Käthe nebeneinander her u,

das Jasminaewis^'r ^ ^nar Flachsköpfe dur
»evusch hindurch über den Stakete

zaun lugten. Seit die fremde Frau „bei Pastors"
war, gaben die Dorfkinder keine Ruh. Besonders
die halbflüggen Dinger, die Mädels mit den
langen Zöpfen, staunten die elegante Erscheinung
wie ein Wunder an.

Ein grausam entschlossenes Lächeln glitt um
Frau Käthes Mund — jetzt oder nie!

„Sie leiden, lieber Freund!" sagte sie und
ihre Stimme übte auf den Pastor eine geradezu
elektrische Wirkung aus.

Ein leises Stöhnen gab ihr Antwort. Aber,
wie in verzweifelter Gegenwehr schüttelte der junge
Prediger dabei den Kopf.

„Können Sie mir denn nicht anvertrauen,
was Sie bedrückt?"

Er athmete hastiger und wollte sprechen, aber
die Worte krampften sich ihm im Halse.

Als Frau Käthe sah, wie der Mann an ihrer
Seite litt unter seiner Leidenschaft für sie, da
empfand sie Mitleid mit ihm, der in seinem Schmerz
fast noch schöner war, als sin Zorn. Aber gerade
dieser Vergleich erinnerte sie auch wieder an die
unbarmherzige Szene, bei der sie sich geschworen
hatte, jene arnien Leute zu rächen.

Ohne ein Wort nahm sie die schlaff herab-
hängende Hand des Pastors in die ihre und strich
leise darüber hin.

Er blieb stehen und sah sie, wie von einem
plötzlichen Fieber geschüttelt, mit brennenden
Blicken an. Und dann lag er auf einmal vor
ihr auf den Knieen, schluchzend und wild erzitternd,
und umklammerte sie mit seinen Armen und preßte
sein Gesicht an ihren Leib.

„Aber Herr Pastor, um Gotteswillen! Was
fällt Ihnen denn ein!"

Sie riß sich los und stieß ihn von sich.

„Sie als Geistlicher und verheiratheter Mann!"

Sie lachte hell auf.

„Also, das ist die Keuschheit und Enthaltsam-
keit, die Sie predigen! . .."

Und sie lachte abermals so hell und lustig,
daß die Vögel in den blühenden Bäumen inne-
hielten in ihrem Gesang. Und da! van den
Jasminbüschen her kam das Echo. Erst ein
Kichern und dann lautes, anhaltendes, tolles
Kinderlachen.

Pastor Aland sprang auf und sah sich mit
entsetzten Augen nach den ungebetenen Gästen
um. Da verschwanden die Blondköpfe zwar, in
toller Hast davonstürzend, aber aus der Ferne
tönte noch immer, wie schmetternde Fanfaren,
ihr kindlich unbändiges Gelächter.

Frau Käthe war ins Haus hineingeflohen und
Pastor Aland folgte ihr mit wankenden Knieen.

Die Predigt fiel an dieseni Sonntag aus.
Der Herr Pastor sei plötzlich krank geworden,
sagte der Küster den Gemeindemitgliedern. Und
die Gemeinde sagte darauf nichts, aber all' die
alten und jungen Gesichter lachten den Küster
aus — fünf Kinder, und obendrein kleine Mäd-
chen, die können eine Neuigkeit schon im Dorf
verbreiten, zumal wenn diese Neuigkeit von so
allgemeinem Interesse ist... .

Einige Tage später kehrte Frau Pastor Aland
zurück. Sie traf ihre „Tante" nicht mehr an.
Aber das bekümmerte die Pastorin weniger, als
das schlechte Aussehen ihres Mannes, dessen Ge-
sicht blaß und entstellt war, als litte er unter
den Nachwehen einer schweren Krankheit.

An den nächsten Sonntagen mußte ein Amts-
bruder die Predigt für ihn übernehmen und dann
hieß es mit einem Mal, Pastor Aland sei ver-
setzt nach irgend einem Nest, da oben in Ost-
preußen.

Ob es dem Pastor dort besser gefällt und ob
er immer noch den Bräuten die Mprthenkräuze
aus den Haaren reißt, das haben die heute noch
lachenden Raxburger nicht in Erfahrung bringen
können.
 
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