2736 . -
Cm Polsieioerhör vor hinkeldey?
(Aus dem Jahre 1850.)
Präsident Hinckeldey: Ich muß euch nur
sagen, daß ihr ganz miserable Kerle seid, nicht
werth des Vertrauens, das Wir in euch setzen.
Was? — Vier Wochen habt ihr auf Kosten
eurer allergnädigsten Hohen Regierung herum-
gebummelt, Tag für Tag drei Thaler Diäten
vergeudet und dabei nicht einmal so ne lausige
Verschwörung entdeckt, von der ich euch doch
gesagt habe, daß sie existiren muß — muß —
muß! Habt ihr mich denn nicht begriffen, ihr
einfälligen Esel? — Maul halten! —Knubbe,
verlese Er nun seinen Bericht, wo Er Fehler
gemacht hat, werd' ich sie verbessern und Er
hat nach diesen Verbessernngen sein Protokoll
zu ändern. Verstanden?
Knubbe (stotternd und iiugstlich): Unterthänigst
(liest cms seinem Tagebuch): A—a—a ab, Abfahrt von
Berlin.
Präsident: Na, ich glaube, der Kerl kann
seine eigene Handschrift nicht lesen.
Knubbe: Mit Verloob, allergnädigster Herr
Präsedent, det is ooch gar nich meine Hand-
schrift; ick kann doch gar nich schreiben!
Präsident: Welcher Esel hat Ihn denn
mit einer so wichtigen Mission beauftragt?
Knubbe: Det waren Sie selber, Herr
Präsedent!
Präsident (beißt sich aus die Zunge): Sie waren
also beauftragt in der Schweiz Verschwörungen
zu entdecken?
Knubbe: Ick gloobe, et war die Schweiz,
Herr Präsedent.
Präsident: Sahen Sie nicht einen ält-
lichen Mann da mit einem großen Bart, das
Gesicht bleich, verbissener Grimm auf de» ge-
furchten Wangen, die Augen düst're Gluth,
Rache und Blut verlangend?
Knubbe (schüttelt sich): Brrr! — Vor so 'nen
Mann hätt' ick mir ja gegrault!
Präsident: Aber Sie sahen ihn, lernten
ihn kennen? Er hatte oft verdächtige Gesell-
schaft bei sich. Man nannte ihn Schlöffe!? —
Schweigen Sie nur, ich sehe es an Ihrem Ge-
sicht, daß es sich so verhält, und habe es bereits
niedergeschrieben. — Für diese wichtige Ent-
deckung sollen Sie bei der nächsten Wacht-
meistervakanz berücksichtigt werden. — Es ist
doch Alles so der Wahrheit gemäß, nicht wahr,
lieber Herr Knubbe?
Knubbe (tief Athem holend): Ja, ick gloobe.
Präsident: Sehn Sie wohl? Nur be-
sinnen. Erinnern Sie sich nicht eines blauen
Briefes höchst gefährlichen Inhalts, worin zum
* Polizeipräsident von Berlin.
Fürstemnord aufgefordert wird, den Schlöffet j
zufällig verlor, als Sie hinter ihni her gingen?
Knubbe: Nee! —
Präsident: Sie haben es nur vergessen.
Der Brief befand sich ja unter den verdächtigen
Papieren, die Sie aus der Schweiz mitgebracht
haben. — Die Hohe Regierung bewilligt Ihnen
dafür eine besonders Gratifikation von zehn
Thalern preußisch Kourant.
K n u b b e (schnell): Jawoll, jetzt besinn ick mir!
Präsident: Sie werden den Inhalt des
Briefes wohl nicht kennen; ich werde Ihnen
denselben später mittheilen, damit Sie ihn auch
vertreten können. Der Herr Minister wird
ihn den Kammern vorlegen, als Beweis, daß
die ganze Schweiz unterwühlt ist, damit die
Hohen Kammern einsehen lernen, daß ein
Kredit von ungefähr J8 Millionen für den
Kriegsminister das Nöthigste ist, was sie zu
bewilligen haben. — Sie haben Ihre Mission
vollständig erfüllt und dürfen sich meiner be-
sonderen Gnade erfreuen.
Knubbe: Ach, Jotte doch, Herr Präsedent,
Sie sind doch ooch gar zu gnädig!
Präsident: Tretet nun ab! —Piepmeier,
jetzt seid Ihr dran. Habt Ihr die Zeichnung
des Ofens, der die Frechheit hatte. Seine
Königliche Hoheit den Prinzen von Preußen
mit rothglühender Zunge zu belecken, aus Frank-
furt mitgebracht?
Piep meier: Nach die Natur gezeichnet,
Höchde un Umfang gemessen un eenen Gips-
abdruck von die Ritze, wodraus die Zunge ge-
leckt hat.
Präsident: Sie sind doch fest überzeugt,
daß hier ein weitverzweigtes Komplott zu
Grunde liegt?
Piep meier: Davon bin ich fest überzeugt.
Präsident: Haben Sie die Fäden der
geheimen J-ntriguen vielleicht entdeckt und ver-
folgt ?
Piepmeier: Nee.
Präsident: Nun, woraus folgern Sie ein
Komplott?
Piep meier: Gödsche hat zu mir gesagt,
et könnte gar nich andersch sind.
Präsident: Einfaltspinsel! — Er hat doch
des Abends und Nachts oft vermummte Ge-
stalten, bis an die Zähne bewaffnet, um das
Palais des Prinzen schleichen sehn? —
Piepmeier: Nee! —
Präsident: Er Ochse von obrigkeitlicher
Person! — Aber David Kalisch ist ihm doch
bekannt, der die „Hunderttausend Thaler" und
„Berlin bei Nacht" geschrieben hat?
Piepmeier: Ja, den kenn' ick freilich!
Präsident: Na, endlich! — Nun sieht
er, dieser Kalisch ist neulich in Paris gewesen
und hat mit dem Flotten-Saß mehrere Zu-
sammenkünfte gehabt. Zweck dieser Reise
kann nichts Anderes als eine Verschwörung
gewesen sein, und wenn Er es verstände, diese
Beiden mit dem geplatzten Ofen in Verbin-
dung zu bringen, so hätte Er seine Aufgabe
glänzend erfüllt.
Piepmeier: Det werd' ick mir überlegen.
Präsident: Thu' Er das, Piepmeier, und
bringe Er mir bis Nachmittag einen vollstän-
digen Bericht.
Piepmeier (geht ab).
Präsident: Nun, Kralle, was haben
wir denn in Breslau entdeckt?
Kralle: Is Allens richtig, Herr Präsedent.
Den 6. April soll der Herr Minister Mann-
deibel von Breslau aus dootgeschossen
wer'n.
Präsident: Sie haben doch die Beweise
mit zur Stelle gebracht?
Kralle: Allens uffet Vullständigste, Herr
Präsedent. Hier is en Modell von de Kanone,
womit er dootgeschossen wer'n soll. Die Kugel
wiegt 6 Zentner 34 Pfund un 4 Loth. Sie soll
am 3. April Abends 11 Uhr 36 Minuten von
Breslau aus nach Berlin geschleudert wer'n,
un die Berechnung is so gemacht, daß se am
6. April früh Morgens 4 Uhr 23 Minuten in
Berlin ankommt un gerade uff Manndeibeln
sein Palast niederfallen dhut.
Präsident: Er hat sich wohl wieder einen
Bären aufbinden lassen!
Kralle: I Jott bewahre mich! — Ick
schloß mir ganz verstohlen an eenen rothen
Republikaner an un fragte ihn eklig schlau
aus, un da hat er Allens geplaudert un mir
det Modell gegeben un gebeten, ihn nich zu
verrathen.
Präsident: Wie soll denn eine so schwere
Kugel auf eine so weite Entfernung — es ist
ja Unsinn!
Kralle: Nee, ganz un gar nich. Die Kugel
soll mit 20 Pferdekraft geschmissen wer'n, nich
geschossen; Allens ohne Pulver. Der Ver-
schworene meente: Manndeibel wäre keenen
Schuß Pulver werth.
Präsident: Geh' Er nur! Ihr seid alle
Drei Esel! Indessen kann Er mit seinen Notizen
zu Pirsich gehen, der wird daraus schon eine
Novelle zusammenfeilen, wie wir sie für die
Kammern brauchen. — Ich muß jetzt den Wasser-
stand für Berlin in die Zeitungen schicken.
Adieu!
(Hinckeldey schickt den Wasserstand in die Zeitungen und be-
giebt sich dann zu dem Minister, dem er seine Entdeckungen
mittheilt. Der Minister trägt diese Geschichte den Kammern
vor, worauf die geforderten 18 Millionen zur Bekämpfung
der Feinde im Innern bewilligt werden.)
(Deutsche Neichsbremse, 1850.)
Cm Polsieioerhör vor hinkeldey?
(Aus dem Jahre 1850.)
Präsident Hinckeldey: Ich muß euch nur
sagen, daß ihr ganz miserable Kerle seid, nicht
werth des Vertrauens, das Wir in euch setzen.
Was? — Vier Wochen habt ihr auf Kosten
eurer allergnädigsten Hohen Regierung herum-
gebummelt, Tag für Tag drei Thaler Diäten
vergeudet und dabei nicht einmal so ne lausige
Verschwörung entdeckt, von der ich euch doch
gesagt habe, daß sie existiren muß — muß —
muß! Habt ihr mich denn nicht begriffen, ihr
einfälligen Esel? — Maul halten! —Knubbe,
verlese Er nun seinen Bericht, wo Er Fehler
gemacht hat, werd' ich sie verbessern und Er
hat nach diesen Verbessernngen sein Protokoll
zu ändern. Verstanden?
Knubbe (stotternd und iiugstlich): Unterthänigst
(liest cms seinem Tagebuch): A—a—a ab, Abfahrt von
Berlin.
Präsident: Na, ich glaube, der Kerl kann
seine eigene Handschrift nicht lesen.
Knubbe: Mit Verloob, allergnädigster Herr
Präsedent, det is ooch gar nich meine Hand-
schrift; ick kann doch gar nich schreiben!
Präsident: Welcher Esel hat Ihn denn
mit einer so wichtigen Mission beauftragt?
Knubbe: Det waren Sie selber, Herr
Präsedent!
Präsident (beißt sich aus die Zunge): Sie waren
also beauftragt in der Schweiz Verschwörungen
zu entdecken?
Knubbe: Ick gloobe, et war die Schweiz,
Herr Präsedent.
Präsident: Sahen Sie nicht einen ält-
lichen Mann da mit einem großen Bart, das
Gesicht bleich, verbissener Grimm auf de» ge-
furchten Wangen, die Augen düst're Gluth,
Rache und Blut verlangend?
Knubbe (schüttelt sich): Brrr! — Vor so 'nen
Mann hätt' ick mir ja gegrault!
Präsident: Aber Sie sahen ihn, lernten
ihn kennen? Er hatte oft verdächtige Gesell-
schaft bei sich. Man nannte ihn Schlöffe!? —
Schweigen Sie nur, ich sehe es an Ihrem Ge-
sicht, daß es sich so verhält, und habe es bereits
niedergeschrieben. — Für diese wichtige Ent-
deckung sollen Sie bei der nächsten Wacht-
meistervakanz berücksichtigt werden. — Es ist
doch Alles so der Wahrheit gemäß, nicht wahr,
lieber Herr Knubbe?
Knubbe (tief Athem holend): Ja, ick gloobe.
Präsident: Sehn Sie wohl? Nur be-
sinnen. Erinnern Sie sich nicht eines blauen
Briefes höchst gefährlichen Inhalts, worin zum
* Polizeipräsident von Berlin.
Fürstemnord aufgefordert wird, den Schlöffet j
zufällig verlor, als Sie hinter ihni her gingen?
Knubbe: Nee! —
Präsident: Sie haben es nur vergessen.
Der Brief befand sich ja unter den verdächtigen
Papieren, die Sie aus der Schweiz mitgebracht
haben. — Die Hohe Regierung bewilligt Ihnen
dafür eine besonders Gratifikation von zehn
Thalern preußisch Kourant.
K n u b b e (schnell): Jawoll, jetzt besinn ick mir!
Präsident: Sie werden den Inhalt des
Briefes wohl nicht kennen; ich werde Ihnen
denselben später mittheilen, damit Sie ihn auch
vertreten können. Der Herr Minister wird
ihn den Kammern vorlegen, als Beweis, daß
die ganze Schweiz unterwühlt ist, damit die
Hohen Kammern einsehen lernen, daß ein
Kredit von ungefähr J8 Millionen für den
Kriegsminister das Nöthigste ist, was sie zu
bewilligen haben. — Sie haben Ihre Mission
vollständig erfüllt und dürfen sich meiner be-
sonderen Gnade erfreuen.
Knubbe: Ach, Jotte doch, Herr Präsedent,
Sie sind doch ooch gar zu gnädig!
Präsident: Tretet nun ab! —Piepmeier,
jetzt seid Ihr dran. Habt Ihr die Zeichnung
des Ofens, der die Frechheit hatte. Seine
Königliche Hoheit den Prinzen von Preußen
mit rothglühender Zunge zu belecken, aus Frank-
furt mitgebracht?
Piep meier: Nach die Natur gezeichnet,
Höchde un Umfang gemessen un eenen Gips-
abdruck von die Ritze, wodraus die Zunge ge-
leckt hat.
Präsident: Sie sind doch fest überzeugt,
daß hier ein weitverzweigtes Komplott zu
Grunde liegt?
Piep meier: Davon bin ich fest überzeugt.
Präsident: Haben Sie die Fäden der
geheimen J-ntriguen vielleicht entdeckt und ver-
folgt ?
Piepmeier: Nee.
Präsident: Nun, woraus folgern Sie ein
Komplott?
Piep meier: Gödsche hat zu mir gesagt,
et könnte gar nich andersch sind.
Präsident: Einfaltspinsel! — Er hat doch
des Abends und Nachts oft vermummte Ge-
stalten, bis an die Zähne bewaffnet, um das
Palais des Prinzen schleichen sehn? —
Piepmeier: Nee! —
Präsident: Er Ochse von obrigkeitlicher
Person! — Aber David Kalisch ist ihm doch
bekannt, der die „Hunderttausend Thaler" und
„Berlin bei Nacht" geschrieben hat?
Piepmeier: Ja, den kenn' ick freilich!
Präsident: Na, endlich! — Nun sieht
er, dieser Kalisch ist neulich in Paris gewesen
und hat mit dem Flotten-Saß mehrere Zu-
sammenkünfte gehabt. Zweck dieser Reise
kann nichts Anderes als eine Verschwörung
gewesen sein, und wenn Er es verstände, diese
Beiden mit dem geplatzten Ofen in Verbin-
dung zu bringen, so hätte Er seine Aufgabe
glänzend erfüllt.
Piepmeier: Det werd' ick mir überlegen.
Präsident: Thu' Er das, Piepmeier, und
bringe Er mir bis Nachmittag einen vollstän-
digen Bericht.
Piepmeier (geht ab).
Präsident: Nun, Kralle, was haben
wir denn in Breslau entdeckt?
Kralle: Is Allens richtig, Herr Präsedent.
Den 6. April soll der Herr Minister Mann-
deibel von Breslau aus dootgeschossen
wer'n.
Präsident: Sie haben doch die Beweise
mit zur Stelle gebracht?
Kralle: Allens uffet Vullständigste, Herr
Präsedent. Hier is en Modell von de Kanone,
womit er dootgeschossen wer'n soll. Die Kugel
wiegt 6 Zentner 34 Pfund un 4 Loth. Sie soll
am 3. April Abends 11 Uhr 36 Minuten von
Breslau aus nach Berlin geschleudert wer'n,
un die Berechnung is so gemacht, daß se am
6. April früh Morgens 4 Uhr 23 Minuten in
Berlin ankommt un gerade uff Manndeibeln
sein Palast niederfallen dhut.
Präsident: Er hat sich wohl wieder einen
Bären aufbinden lassen!
Kralle: I Jott bewahre mich! — Ick
schloß mir ganz verstohlen an eenen rothen
Republikaner an un fragte ihn eklig schlau
aus, un da hat er Allens geplaudert un mir
det Modell gegeben un gebeten, ihn nich zu
verrathen.
Präsident: Wie soll denn eine so schwere
Kugel auf eine so weite Entfernung — es ist
ja Unsinn!
Kralle: Nee, ganz un gar nich. Die Kugel
soll mit 20 Pferdekraft geschmissen wer'n, nich
geschossen; Allens ohne Pulver. Der Ver-
schworene meente: Manndeibel wäre keenen
Schuß Pulver werth.
Präsident: Geh' Er nur! Ihr seid alle
Drei Esel! Indessen kann Er mit seinen Notizen
zu Pirsich gehen, der wird daraus schon eine
Novelle zusammenfeilen, wie wir sie für die
Kammern brauchen. — Ich muß jetzt den Wasser-
stand für Berlin in die Zeitungen schicken.
Adieu!
(Hinckeldey schickt den Wasserstand in die Zeitungen und be-
giebt sich dann zu dem Minister, dem er seine Entdeckungen
mittheilt. Der Minister trägt diese Geschichte den Kammern
vor, worauf die geforderten 18 Millionen zur Bekämpfung
der Feinde im Innern bewilligt werden.)
(Deutsche Neichsbremse, 1850.)