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bald knallten die Champagnerpfropfen und unter
lautem Jubel erklang der Toast zum Wohle
der reizenden Tageskönigin.-
Der junge Weber schritt, seinen Zettel in
der Hand, in eines jener Etablissements, die
von der Spekulation der Fabrikherren gegrün-
det, dem Arbeiter gegen eine Anweisung des
Besitzers alle Lebensbedürfnisse bieten. Hier
„Aus dem Wege, niederträchtiger Lump!"
rauben die Wucherpreise, die als Vorschuß
»otirt werden, dem Armen die letzte Möglich-
keit einer Aushilfe, und der reiche Fabrikant
scheut sich nicht, noch von dem Hunger seiner
Boden getretenen Arbeiter zu profitiren.
*
Da, wo eine der mittleren Seitenstraßen des
Dorfes sich nach den Bergen zu öffnet, stand
ein niederes Häuschen. Die beiden Fenster
darin waren an mehreren Stellen mit Papier
verklebt, wo aber die kleinen Glasscheiben noch
unversehrt waren, glänzten sie hell und blank
geputzt und ließen den Lichtschein aus der
Stube ungehindert auf die Straße fallen. Trat
man durch die niedere Hausthür ein, so zeigte
sich eine Art Hausflur, eben nicht breiter als
die Thür selbst; der Boden von festgetretener
Erde, aber sauber gefegt, die Wände und Decke
von Lehm und rohen Balken. Links führt eine
wandelbare Thür in den einzig bewohnbaren
Raum. Ein Webstuhl nahm ziemlich die Hälfte
desselben ein, eine zerbrechliche Bettstelle, zum
Theil mit Stroh und einer vielfach aus-
gebefferten, dürftigen Decke angefüllt, ein roher
D'sch und zwei Holzschemcl bildeten die übrige
Ausstattung und ließen kaum den beiden Kin-
dern, die emsig am Spulrad beschäftigt waren,
Raum zu ihrer Arbeit.
. Hinter dem klappernden Webstuhl saß eine
lener Gestalten, deren Alter sich so schwer be-
stimmen läßt. Ein hektisches, bleiches Gesicht,
von dünnen Haaren umweht, eingefallene Backen
und die Furchen des Grams um Mund und
Stirn eingefressen, mit glanzlosem Auge das
rastlose Webeschiffchen verfolgend.
Hart neben dem Stuhle, den Rücken gegen
die Thür gekehrt, hatte eine weibliche Gestalt
ihren Platz genommen und nähte an einem
Stück alter Wäsche. Ihre Kleidung war arm-
sAig, aber ganz und rein, das Haar glatt ge-
kännut und am Hinterkopfe in Flechten auf-
gesteckt. Das Oellicht, am Webstuhle hängend,
verbreitete nur ein trübes Licht in der Stube
und sie mußte den Kopf tief auf ihre Arbeit
Arabbeugen, um das Nöthige zu erkennen.
,'Hannel", sagte jetzt der kleine Junge am
. bulrad, die Zeit wahrnehmend, wo der Weber
runehielt, um einen zerrissenen Faden anzu-
uupfeu, „hast Du nicht ein Bissel Brot? mich
hungert gar sehr!"
»Schon wieder Hunger, Heinerle?" fragte
me Angeredete, ohne ihre Arbeit zu unter-
brechen, „hast doch heut' schon gegessen?"
„Ach, Hannel, ein klein, klein Brinkel den
ganzen Tag, und Liesel auch!"
„Warte, mein Tockel, wenn a Wilm die
Erdtoffeln bringt, dernach giebt's was!"
„Aber, Hannel, wenn er sie nicht bringt?"
„Na, da flennst Du nicht, legst Dich als
ein gut Jungel ins Bette und bitt'st den lieben
Gott, daß er uns morgen was beschert!" Sie
bog sich tiefer auf ihre Nähterei und schien
ein Zittern in ihrer Stimme vergebens unter-
drücken zu wollen.
„Aber, Hannel, ich habe Hinte so gar großen
Hunger, gieb mir doch ein klein wing; ich will
dernach auf lange, lange nichts mehr haben!"
„Und ich auch!" jammerte die kleine Liesel
und wischte sich die thränenden Augen.
Das Mädchen verbarg einen tiefaufsteigen-
den Seufzer und sah verstohlen nach dem Weber
hinauf; als dieser aber nur einen trüben, gleich-
müthigen Blick über die Gruppe schweifen ließ
und sodann seine Arbeit wieder begann, stand
sie hastig auf, öffnete das Fenster und sah in
die dunkelnde Nacht hinaus. Heinerle folgte
ihr mit den Augen, ließ dann das Köpfchen
hängen und setzte sein Spulrad wieder lang-
sam in Bewegung. Das eintönige Klappen
des Webstuhls unterbrach allein die Stille.
Das Mädchen am Fenster sah, die Hände
auf die Brust gepreßt, hinab nach dem großen
Fabrikhause, auf welches die kurze Seitenstraße
stieß. Dort strahlte die ganze erste Etage in
heller Erleuchtung, dann und wann stahlen sich
einzelne Töne, bald Musik, bald heller Jubel
bis zu ihrem Ohre; um ihren Mund zuckte es
wie heißes, bitteres Weh, und zwei große,
schwere Thränen rangen sich mühsam unter
den Wimpern hervor. Sie wandte die Augen
weg und blickte hinauf in den wolkenlosen,
sternbosäeten Nachthimmel, fester drückte sie die
gefalteten Hände gegen das Herz, Thräne auf
„Schon wieder Hunger, Heinerle?" fragte Hannel.
Thräne entquoll ihrem Auge, bis die gepreßte
Qual sich unaufhaltsam Bahn brach, und
sie, den Kopf gegen die Fensterbekleidung ge-
lehnt, dastand im leisen, schluchzenden Weinen,
als könne sie es nimmer enden, als müsse
sich das gepeinigte Herz in bittere Thränen
auflösen.
„Hannel!" sagte eine unterdrückte Stimme
außerhalb des Fensters, „Hannel!" wiederholte
es und der Weberbursche faßte mit heftigem
Drucke ihre Hand, und als nun das Licht auf
sein Gesicht fiel, sah man, wie er mit einem
so ingrimmigen, Gott anklagenden Schmerze
in ihre nassen Augen blickte, daß die Thränen
des Mädchens im Nu stockten und sie, ein
Lächeln versuchend, mit beiden Händen über
sein Gesicht strich, als wollte sie den Ausdruck
der Seelenpein daraus verwischen.
„Lnß's gut sein, Wilm", sagte sie dann und
trocknete sich mit der Schürze die Augen, „gelt
's ist recht dumm, wenn ich flenne und's thut
Dir weh! Ich dachte halt an meine Mutter!"
„Betrüg' mich nicht, Hannel!" sagte der
Bursche, „Deine Mutter ist tobt und hat's gut;
braucht sich nicht niehr knargeln und ädern zu
lassen, braucht den Jammer nicht mehr mit
anzusehen; wär'n wir's doch auch! Aber Dir
frißt's Elend und die Noth am Herzen, und
wenn ich die Troppen auf Deinen Backen seh',
will mir's die Seele aus dem Leibe reißen, daß
ich nicht helfen kann. Bist von Breslau weg-
gegangen, wo Du's gut hattest, um derheime
anzupacken, wie Deine Mutter vor Angst und
Jammer gestorben war, und mir pubberte 's
Herz vor Freude, wie ich Dich mit Deinen
rothen Backen sah und wie Du mir so treu
geblieben. Nu bist Du 'neingekommen ins Elend
und die Freude ist bald alle geworden; die
Zähren haben die rothen Backen weggebeizt
und die Hellen Augen trübe gemacht; hast mit
uns müssen hungrig zu Bette gehen, wie wir
uns auch zerarbeitet haben, und je schlimmer
's geworden ist, jemehr hast Du Dich zergrämt,
das hast Du zum Lohne gehabt. Und ich habe
zum Himmel 'nauf geschrieen und 's ist mir ge-
wesen, als müßte der Verstand dervon gehen,
aber der Himmel, Sonne, Mond und Sterne
haben mich angelacht, als wollten sie mich aus-
huzcn, und 's ist nur schlimmer geworden. Sieh,
Hannel, kann's denn nur einen Gott im Himmel
geben? Er könnt's ja nicht über's Herz bringen,
uns verhungern zu lassen. Ist Deine Mutter
nicht vor Gram über's Elend ihrer Kinder
drauf gegangen und könnte der Herrgott, der
doch viel besser sein müßte als die Menschen,
den Jammer seiner schlestngschen Kinder so mit
ansehen, da 's ihm doch halt nur ein Wort
kost'te zu helfen? 's kann keinen geben!" rief
er mit überfluthendem Ingrimm aus und ballte
die Fäuste, „er Hütte die Lasterdärme, die Blut-
egel da oben, die uns ädern, 's Blut abzapfen
bis wir todt sind und sich dermit frätzen und
dicke thun, schon lange dernieder geschlagen in
seinem Zorne!"
„Wilm, Wilm, sprich nicht so!" rief das
Mädchen ängstlich, „versünd'ge Dich nicht an
unserm Herrgott droben, komm 'rein! Du hast
wohl — nichts?" setzte sie stockend hinzu.
„Doch, Hannel!" erwiederte er und ließ die
Augen noch nicht los von dem erleuchteten
Hause, „'s ist aber's Letzte und nur wing; ich
gehe nicht wieder hin und wenn's noch so
schlimm wird!" Er ging nach der Hausthür.
Noch einmal sah er zurück. „Dort johlen und
prassen sie in unserm Schweiß und Lebens-
marke und wir möchten kreischen und heulen!"
Er biß die Zähne aufeinander, daß sie knirschten.
„Sind wir denn verflucht zu Hunger und
Jammer? zum Arbeiten, daß der Saft aus den
Knochen geht und zum elendigen Verderben?
Warum wir denn und nicht auch die? Haben
ste's nicht mehr verdient, sind's nicht Tiger-
und Pantherthiere, die jedes von uns mit tattern
Blute 's Herz aus'm Leibe reißen? Und uns
hilft Niemand, kein Gott und kein König,
denn die dort sind große Herren und wir sind
elendiges, gemeines Volk!" Er senkte den
Kopf und ging in das Haus, in seinem Blicke
lag die Resignation der Ohnmacht, die selbst
den Versuch zur Rettung aufgegeben.
Wie die hungrigen Thiere nach dem Wärter,
so wandten sich die Köpfe Aller nach dem ein-
trctenden Wilhelm und den wenigen Kartoffeln,
die dieser in ein altes Tuch gebunden auf den
Tisch legte.
„Da, koch', Hannel!" sagte er düster und
warf sich auf den leerstehenden Schemel da-
neben, „müssen halt zusehn, wie's langt!"
Der alte Weber hinter dem Stuhle hatte
die Hände sinken lassen, den Kopf zurückgelehnt
und wie in tiefer Ermattung die Augen ge-
schloffen; die Kinder kauerten zusammen am
bald knallten die Champagnerpfropfen und unter
lautem Jubel erklang der Toast zum Wohle
der reizenden Tageskönigin.-
Der junge Weber schritt, seinen Zettel in
der Hand, in eines jener Etablissements, die
von der Spekulation der Fabrikherren gegrün-
det, dem Arbeiter gegen eine Anweisung des
Besitzers alle Lebensbedürfnisse bieten. Hier
„Aus dem Wege, niederträchtiger Lump!"
rauben die Wucherpreise, die als Vorschuß
»otirt werden, dem Armen die letzte Möglich-
keit einer Aushilfe, und der reiche Fabrikant
scheut sich nicht, noch von dem Hunger seiner
Boden getretenen Arbeiter zu profitiren.
*
Da, wo eine der mittleren Seitenstraßen des
Dorfes sich nach den Bergen zu öffnet, stand
ein niederes Häuschen. Die beiden Fenster
darin waren an mehreren Stellen mit Papier
verklebt, wo aber die kleinen Glasscheiben noch
unversehrt waren, glänzten sie hell und blank
geputzt und ließen den Lichtschein aus der
Stube ungehindert auf die Straße fallen. Trat
man durch die niedere Hausthür ein, so zeigte
sich eine Art Hausflur, eben nicht breiter als
die Thür selbst; der Boden von festgetretener
Erde, aber sauber gefegt, die Wände und Decke
von Lehm und rohen Balken. Links führt eine
wandelbare Thür in den einzig bewohnbaren
Raum. Ein Webstuhl nahm ziemlich die Hälfte
desselben ein, eine zerbrechliche Bettstelle, zum
Theil mit Stroh und einer vielfach aus-
gebefferten, dürftigen Decke angefüllt, ein roher
D'sch und zwei Holzschemcl bildeten die übrige
Ausstattung und ließen kaum den beiden Kin-
dern, die emsig am Spulrad beschäftigt waren,
Raum zu ihrer Arbeit.
. Hinter dem klappernden Webstuhl saß eine
lener Gestalten, deren Alter sich so schwer be-
stimmen läßt. Ein hektisches, bleiches Gesicht,
von dünnen Haaren umweht, eingefallene Backen
und die Furchen des Grams um Mund und
Stirn eingefressen, mit glanzlosem Auge das
rastlose Webeschiffchen verfolgend.
Hart neben dem Stuhle, den Rücken gegen
die Thür gekehrt, hatte eine weibliche Gestalt
ihren Platz genommen und nähte an einem
Stück alter Wäsche. Ihre Kleidung war arm-
sAig, aber ganz und rein, das Haar glatt ge-
kännut und am Hinterkopfe in Flechten auf-
gesteckt. Das Oellicht, am Webstuhle hängend,
verbreitete nur ein trübes Licht in der Stube
und sie mußte den Kopf tief auf ihre Arbeit
Arabbeugen, um das Nöthige zu erkennen.
,'Hannel", sagte jetzt der kleine Junge am
. bulrad, die Zeit wahrnehmend, wo der Weber
runehielt, um einen zerrissenen Faden anzu-
uupfeu, „hast Du nicht ein Bissel Brot? mich
hungert gar sehr!"
»Schon wieder Hunger, Heinerle?" fragte
me Angeredete, ohne ihre Arbeit zu unter-
brechen, „hast doch heut' schon gegessen?"
„Ach, Hannel, ein klein, klein Brinkel den
ganzen Tag, und Liesel auch!"
„Warte, mein Tockel, wenn a Wilm die
Erdtoffeln bringt, dernach giebt's was!"
„Aber, Hannel, wenn er sie nicht bringt?"
„Na, da flennst Du nicht, legst Dich als
ein gut Jungel ins Bette und bitt'st den lieben
Gott, daß er uns morgen was beschert!" Sie
bog sich tiefer auf ihre Nähterei und schien
ein Zittern in ihrer Stimme vergebens unter-
drücken zu wollen.
„Aber, Hannel, ich habe Hinte so gar großen
Hunger, gieb mir doch ein klein wing; ich will
dernach auf lange, lange nichts mehr haben!"
„Und ich auch!" jammerte die kleine Liesel
und wischte sich die thränenden Augen.
Das Mädchen verbarg einen tiefaufsteigen-
den Seufzer und sah verstohlen nach dem Weber
hinauf; als dieser aber nur einen trüben, gleich-
müthigen Blick über die Gruppe schweifen ließ
und sodann seine Arbeit wieder begann, stand
sie hastig auf, öffnete das Fenster und sah in
die dunkelnde Nacht hinaus. Heinerle folgte
ihr mit den Augen, ließ dann das Köpfchen
hängen und setzte sein Spulrad wieder lang-
sam in Bewegung. Das eintönige Klappen
des Webstuhls unterbrach allein die Stille.
Das Mädchen am Fenster sah, die Hände
auf die Brust gepreßt, hinab nach dem großen
Fabrikhause, auf welches die kurze Seitenstraße
stieß. Dort strahlte die ganze erste Etage in
heller Erleuchtung, dann und wann stahlen sich
einzelne Töne, bald Musik, bald heller Jubel
bis zu ihrem Ohre; um ihren Mund zuckte es
wie heißes, bitteres Weh, und zwei große,
schwere Thränen rangen sich mühsam unter
den Wimpern hervor. Sie wandte die Augen
weg und blickte hinauf in den wolkenlosen,
sternbosäeten Nachthimmel, fester drückte sie die
gefalteten Hände gegen das Herz, Thräne auf
„Schon wieder Hunger, Heinerle?" fragte Hannel.
Thräne entquoll ihrem Auge, bis die gepreßte
Qual sich unaufhaltsam Bahn brach, und
sie, den Kopf gegen die Fensterbekleidung ge-
lehnt, dastand im leisen, schluchzenden Weinen,
als könne sie es nimmer enden, als müsse
sich das gepeinigte Herz in bittere Thränen
auflösen.
„Hannel!" sagte eine unterdrückte Stimme
außerhalb des Fensters, „Hannel!" wiederholte
es und der Weberbursche faßte mit heftigem
Drucke ihre Hand, und als nun das Licht auf
sein Gesicht fiel, sah man, wie er mit einem
so ingrimmigen, Gott anklagenden Schmerze
in ihre nassen Augen blickte, daß die Thränen
des Mädchens im Nu stockten und sie, ein
Lächeln versuchend, mit beiden Händen über
sein Gesicht strich, als wollte sie den Ausdruck
der Seelenpein daraus verwischen.
„Lnß's gut sein, Wilm", sagte sie dann und
trocknete sich mit der Schürze die Augen, „gelt
's ist recht dumm, wenn ich flenne und's thut
Dir weh! Ich dachte halt an meine Mutter!"
„Betrüg' mich nicht, Hannel!" sagte der
Bursche, „Deine Mutter ist tobt und hat's gut;
braucht sich nicht niehr knargeln und ädern zu
lassen, braucht den Jammer nicht mehr mit
anzusehen; wär'n wir's doch auch! Aber Dir
frißt's Elend und die Noth am Herzen, und
wenn ich die Troppen auf Deinen Backen seh',
will mir's die Seele aus dem Leibe reißen, daß
ich nicht helfen kann. Bist von Breslau weg-
gegangen, wo Du's gut hattest, um derheime
anzupacken, wie Deine Mutter vor Angst und
Jammer gestorben war, und mir pubberte 's
Herz vor Freude, wie ich Dich mit Deinen
rothen Backen sah und wie Du mir so treu
geblieben. Nu bist Du 'neingekommen ins Elend
und die Freude ist bald alle geworden; die
Zähren haben die rothen Backen weggebeizt
und die Hellen Augen trübe gemacht; hast mit
uns müssen hungrig zu Bette gehen, wie wir
uns auch zerarbeitet haben, und je schlimmer
's geworden ist, jemehr hast Du Dich zergrämt,
das hast Du zum Lohne gehabt. Und ich habe
zum Himmel 'nauf geschrieen und 's ist mir ge-
wesen, als müßte der Verstand dervon gehen,
aber der Himmel, Sonne, Mond und Sterne
haben mich angelacht, als wollten sie mich aus-
huzcn, und 's ist nur schlimmer geworden. Sieh,
Hannel, kann's denn nur einen Gott im Himmel
geben? Er könnt's ja nicht über's Herz bringen,
uns verhungern zu lassen. Ist Deine Mutter
nicht vor Gram über's Elend ihrer Kinder
drauf gegangen und könnte der Herrgott, der
doch viel besser sein müßte als die Menschen,
den Jammer seiner schlestngschen Kinder so mit
ansehen, da 's ihm doch halt nur ein Wort
kost'te zu helfen? 's kann keinen geben!" rief
er mit überfluthendem Ingrimm aus und ballte
die Fäuste, „er Hütte die Lasterdärme, die Blut-
egel da oben, die uns ädern, 's Blut abzapfen
bis wir todt sind und sich dermit frätzen und
dicke thun, schon lange dernieder geschlagen in
seinem Zorne!"
„Wilm, Wilm, sprich nicht so!" rief das
Mädchen ängstlich, „versünd'ge Dich nicht an
unserm Herrgott droben, komm 'rein! Du hast
wohl — nichts?" setzte sie stockend hinzu.
„Doch, Hannel!" erwiederte er und ließ die
Augen noch nicht los von dem erleuchteten
Hause, „'s ist aber's Letzte und nur wing; ich
gehe nicht wieder hin und wenn's noch so
schlimm wird!" Er ging nach der Hausthür.
Noch einmal sah er zurück. „Dort johlen und
prassen sie in unserm Schweiß und Lebens-
marke und wir möchten kreischen und heulen!"
Er biß die Zähne aufeinander, daß sie knirschten.
„Sind wir denn verflucht zu Hunger und
Jammer? zum Arbeiten, daß der Saft aus den
Knochen geht und zum elendigen Verderben?
Warum wir denn und nicht auch die? Haben
ste's nicht mehr verdient, sind's nicht Tiger-
und Pantherthiere, die jedes von uns mit tattern
Blute 's Herz aus'm Leibe reißen? Und uns
hilft Niemand, kein Gott und kein König,
denn die dort sind große Herren und wir sind
elendiges, gemeines Volk!" Er senkte den
Kopf und ging in das Haus, in seinem Blicke
lag die Resignation der Ohnmacht, die selbst
den Versuch zur Rettung aufgegeben.
Wie die hungrigen Thiere nach dem Wärter,
so wandten sich die Köpfe Aller nach dem ein-
trctenden Wilhelm und den wenigen Kartoffeln,
die dieser in ein altes Tuch gebunden auf den
Tisch legte.
„Da, koch', Hannel!" sagte er düster und
warf sich auf den leerstehenden Schemel da-
neben, „müssen halt zusehn, wie's langt!"
Der alte Weber hinter dem Stuhle hatte
die Hände sinken lassen, den Kopf zurückgelehnt
und wie in tiefer Ermattung die Augen ge-
schloffen; die Kinder kauerten zusammen am