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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0131
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2753

Blitzdrshk-Meldungen.

Berlin. Die hohe Zahl der sozialdemokratischen Stimmen in der ReichShauptsladt
hat bei Hose sehr verschnupft. Der Hosmarschall hat den Wahlkommissaren sagen lassen,
daß so etwas nicht wieder Vorkommen dürfe.

— Aus China sind große Mengen getrockneter Ratten eingesührt worden, um damit
den Huitger der nothleidenden preußischen Junker zu stillen. Bei dem Liebes-Ratten-Fest-
mahl hielt Herr von Plötz die Festrede und begrüßte die leckere Speise als einen erste»
großen Erfolg unserer chinesische» Politik.

Sachsen. In einigen Landstrichen ist man so eifrig in, Berhasten und Festsetze» von
Sozialdemokraten, daß dazu nächstens ein- eigene Setzmaschine angcschafst werden muß.

Schweiz. Der Bundesrath hat ein Rundschreiben an die europäische» Mächte er-
lassen, in welchem er sich ergebenst zu Schergen- und Henkerdiensten anbietet, wie er solche
sehr erfolgreich bereits im Dienste der italienischen Menschenschlächter verrichtete.

Die weis

Es eilen draußen zur Urne
Des Volkes Massen mit Macht —
Der „innere Feind", der gehaßte,
Wird heute gewinnen die Schlacht.

e Frau.

Und bang im düstern Schlosse
Der Troß der Diener schweigt,
Und aus dem Grabgewölbe
Die weiße Ahnfrau steigt.

Sie kündet: Es sinken die Garben
Der irdischen Größe dahin —

Es wurde sozialdemokratisch
Die Residenz Berlin.

Politisches.

Erster Philister: Die schwierigste Frage ist, was aus den
Philippinen werden wird?

Zweiter Philister: Sie sollen heirathen.

Mckaphustsche Erklärung.

Die Sonne steht gegenwärtig im Zeichen des Krebses. Sollte cs dem
Einfluß desselben resp. seiner Scheeren zuzuschreiben sein, daß momentan
kine allgemeine Beschneidungswuth (in Bezug auf Wahlrecht, Versammlungs-
lkeiheit und Freizügigkeit) grassirt?!

Resolut.

Liberales Wahlkomite-Mitglied: Die Urnen im dritten Be-
zirk werden uns zu schaffen machen.

Protz c>» die Tasche greifend): Pah — was kosten denn die Dinger
niit Inhalt?

Hodelspähne.

Schön war es, am Wahltag das Volk zu sehn,
Wie es in dichten Massen
Zur Urne eilte und Kunde gab
Von seinem Lieben lind Hassen.

Doch nebenbei hat mich interessirt
Die Thatsache, die frappante,

Daß mancher Philister zur Thatkraft sich
Staatsrctterisch ermannte.

Den sozialdemokratischen Kandidaten in der
Stichwahl zu unterstützen, das ist für die Frei-
sinnigen eine so übermäßig anstrengende Arbeit,
daß sie dabei zumeist Umfallen.

Die Lage der kleinen Beamten ist derart triste, daß die Regierung
mit ihnen wirklich nicht mehr „Staat machen" kann.

Wer sich nennet Fortschrittsmann
Und doch fort nicht schreiten kann,
Sieht sich bei der Wahl verlassen
Von den aufgeklärten Massen.

Aber froh geht in die Wahl,

Wer geaicht ist klerikal.

Denn gar Viele giebt's auf Erden,
Derer, die nicht alle werden.

„Der Mensch ist, was er ißt" — drum haben die Austern-Esser
so wenig Rückgrat. * . *

Der Reichstag hat keine Diäten,

Drum schicket das Junkcrlcin,

Das laut seine Roth schon bejammert,

Ja nicht in den Reichstag hinein.

Gelegentlich der Stichwahlen verkleinern sich unsere Gegner selbst,
denn es will beim Werben um unsere Stimmen Jeder das kleinere
Ucbel sein. -llw getreuer Säge, Schreiner.

Die Versöhnung

der feindlichen Brüder des Freisinns.

Der Jtzig Veigelstock und der Aron Rosen-
blatt waren einander spinnefeind von wegen der
Konkurrenz. Als das jüdische Versöhnungssest
(der sogenannte „lange Tag") herannahte, ließ
der Rabbiner Beide zu sich kommen und redete
>hnen zu, sich miteinander auszusöhnen, denn
wenn der Mensch von Gott Verzeihung seiner
^"»dcn erlangen will, muß er auch seinem Neben-
wenschen verzeihen können. Lange sträubten sich
Ic beiden Konkurrenten gegen diese Zumuthung
J* Pabbi. Endlich streckte der Veigelstock seine
'?""d deni Rosenblatt entgegen und sagte: „Ich
J*} „ Jüngere, ich will dem Rabbileben folgen.

^ > wünsch' Dir alles Gute, was Du mir wünschst."
, wurde der Rosenblatt kirschroth im Gesicht
"d schrie: „So! Fängst schon wieder an!"

Vom Kriegsschauplatz.

Die Amerikaner sind sehr altmodisch, da sic
uba ehrlich erobern wollen. Sie hätten es ein-
pachten und dann heimlich in die Tasche
stecken sollen.

. 2etzt weiß man wenigstens, wozu Kriegs-
f T+c "dth>8 sind. Altan benützt sie in diesen!
alten Sommer als Brennholz, um den Ozean
Heizen.

ein ®pan*er sind zu sehr ans Sticrgefechtc
Ruht. Sie siegen nur, wenn ihre Gegner
Achsen sind.

erntn^ ba§ spanische Königthum besteht keine
, ' "we Gefahr, denn die Ainerikaner sind nur
K» • ,e.ä.u fürchten, während die spanische
"lgsfamilie bei ihrer demnächstigen Flucht aus
pamen recht gut den Landweg benützen

Nus konservativen Kreisen.

Erste Mumie: Existirt denn das vermale-
deite Reichstagswahlrecht immer noch?

Zweite Mumie: Allerdings.

Erste Mumie: Wir lassen uns also wirklich
durch eine unserer vornehmen Stellung ganz
unwürdige plebejische Ehrlichkeit abhalten, es um
die Ecke zu bringen?

Zweite Mumie: Das weniger, aber die
Dinge liegen so: wenn reaktionär gewählt wird,
dann brauchen ivir das Wahlrecht nicht abzu-
schaffen, und wenn freiheitlich gewählt wird,
dann können wir es nicht abschaffen.

Der Neichsanzeiger

hat wiederholt dementirt, daß bei der Negierung die Absicht
besteht, das Wahlrecht zu ändern.

Wer im April dein Wetter traut,

Auf die Neigung launischer Weiber baut,

Den Zickzackkurs glaubt ans Wort gebunden,
Der — hat das Pulver nicht erfunden.

Schnitzel. -Tfw

Das Schlimmste für die Führer der Reaktion
ist jetzt, daß sic die Nachrichten über sozialdemo-
kratische Wahlsiege nicht im „Reichsanzeiger"
dementiren können. .

Die bürgerlichen Demokraten wollten früher
Thron und Altar zerschmettern, jetzt begnügen sie
sich,- durch Aufstellung aussichtsloser Kandidaturen
die Stimmen zu zersplittern.

Die engere Wahl nennt man Stichivahl, iveil
bei derselben die liberalen Parteien ihre Prinzipien
im Stiche lassen. .

König Stumm hat sich als Hofkandidat
zur Kandidatur befehlen lassen. Es fehlt nun
blos noch, daß er jeden Wähler, der ihm seine
Stimme verweigerte, wegen Majestätsbeleidigung
denunzirt.

Kärschd Bismarck sitzd in Kriedrichsruh
Un siehd den Wahlgedimmle zu
Un roochd derbe! de lange Keife,

Doch daffer so gemiehdlich bleibt,

Dasses nich hin un her ihn dreibd.

Das iffes, was ich nich begreife.

Das Wahlrechd, das uns gorrumbierd -
Mer had's in Deidschland eingefiehrd
Als änne iewerfliffge Bürde?

Das gann ich Lie in gansen Lähm,

Nei deirer Kanzler, nich vergähm,

Un wenn ich hunderd Jahre würde!

Warn Lie verleichd beschbitzd von Lekd,
Als Le das Wahlrechd ausgeheckd.

Den Heide nur de Rohden huld'gen?

So was gommd vor ja dann un wann

Un nur in diesen Kalle gann

Den Kadereinfall mer entschuld'gen.

Le mußden eefach, ehr'n Le gingen,

Ihr deidsches Volk vor allen Dingen
von dieser Nisgeburd befreien,

Un daß Le daran nich gedachd.

Bevor Le dinne sich gemachd.

Das gann ich niemals Lie verzeihen !

Nachdruck sämmtlicher Artikel rc. verboten.
 
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