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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0146
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2768

artigen Ironie — die aber gar nichts mit der
romantischen Ironie gemein hat! — nahm
Audorf die Heransforderung an, und soweit
die deutsche Zunge sozialdemokratisch klingt,
ertönt sein Streit- und Zornlied:

Wir sind die Petroleure,

Das weiß ja Jedermann.

Alle Lieder Andorfs durchzieht ein wohl-
thätiger Hauch von Wahrheit und Gesundheit;
da sind keine gemachten Gefühle; das ist alles
echt und aus dem vollen Leben heraus gesehen,
gehört, empfunden und kunstreich wieder heraus-
gestellt zu unverfälschtem Genuß für Hörer und
Leser. Seine wahre Vaterlandsliebe, die an-
fänglich an die Landes- und Volksart seiner
norddeutschen Heimath anklingt, giebt den er-
freulichen Beleg, wie Weltbürgersinn sich mit
Liebe zum Mutterboden und zu den Landes-
brüdern engster Blutsverwandtschaft recht wohl
verträgt, wie „Patriotismus" und „Kosmo-
politismns" keineswegs einander sich aus-
schließende Begriffe sind. Gut deutsch, ja gut
norddeutsch durchaus in Leben und Weben, in
Denken und Dichten und ein guter Soldat der
wettbürgerlichen Arbeiterbewegung, stellt Audorf
dar, was enge Köpfe für unmöglich halten.

„Ern Book is noch buken!"

von Arno Holz.

„Ahoi! Klaas Aielsen und Peter Zehann!
Kiekt nah, ob wi noch nich to Nus sünd!

Zi hewt doch sehn den Klabautermann?

Gott Tob, dat wi wedder to Hus sünd!"

Die Fischer riefen's und stießen ans Land
Und zogen die Kiele bis hoch auf den Strand,

„Een Boot is noch buten!"

Denn dumpf an rollten die Fluchen;

Han Zöchen aber rechnete nach

Und schüttelte finster sein Haupt und sprach:

„Een Boot is noch buten!"

Und ernster keuchte die braune Schaar
Dem Dorf zu über die Dünen,

Schon grüßten von fern mit zerwehtem Haar
Die Frau'n an den Gräbern der Hünen.

Und „Korl!" hieß es und „Leiw Marie!"

,,'T is doch man schön, dat ji wedder hie!"
Dumpf an rollten die Fluthen —

„Un Hinrich, min Hinrich? Wo is denn dee?!"
Und Zöchen wies in die brüllende See:

„Len Boot is noch buten!"

Am Ufer dräute der Möwenstein,

Drauf stand ein verrufnes Gemäuer,

Dort schleppten sie Werg und Strandholz hinein
Und gossen Vel in das Feuer.

Das leuchtete weit in die Nacht hinaus
Und sollte rufen: V komm nach Haus!

Dumpf an rollen die Fluthen —

Hier steht dein Weib in Nacht und Wind
Und jammert laut auf und küßt dein Kind:
„Len Boot is noch buten!"

Doch die Nacht verrann und die See ward still
Und die Sonne schien in die Flammen,

Da schluchzte die Aermste: „As Gott will!"
Und bewußtlos brach sie zusammen!

Sie trugen sie heim auf schmalem Brett,

Dort liegt sie nun fiebernd im Krankenbett
Und draußen plätschern die Fluchen;

Dort spielt ihr Kind, ihr „lütting Zehann",
Und lallt wie träumend dann und wann:

„Len Boot is noch buten!"

Morsch tut Kern.

von M orjh Köhler.

A>n Abend. Langsam versinkt die Sonne
in der violetten krausen Wolkenschicht, die am
Horizont den klaren blauen Himmel malerisch
abtönt. — Ein kurzer Kampf noch, und die
dunkeln Schatten flattern über die Fluren.

Den Pavillon im herrschaftlichen Garten
erhellt eine blaßrothe Ampel. Vor dem kost-
baren Flügel sitzt eine jlmge Frauengestalr.
Anmnthig hebt sich der volle runde Busen aus
 
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