Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0183
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2805

r^<s- Hobelspähnr.

Ich bin der Schreiner Säge
Und denke manchmal nach,

Wie unsres Strafrechts Pflege
So wirkungslos und schwach.

Man sperrt die Unzufried'nen
In das Gefangenhaus,

Doch Keiner kam von Allen
Zufrieden je heraus.

Die Verstaatlichung des Apotheken-
wesens macht in Sachsen Fortschritte. Die
Regierung beschäftigt sich dort bereits mit Fabri-
kation von Mitteln gegen Schlaflosigkeit,
indem sie das „Dresdener Journal" und
die „Leipziger Zeitung" auf Staatskosten drucken lässt.

Daß ohne Schuld der Dreyfus ist,

Das leuchtet längst mir ein,

Denn wäre sie für die Schuldigen da,

Die Teufelsinsel, dann müßte sie ja
Längst übervölkert sein.

Je tiefer ein Volk sich duckt, desto größer erscheinen ihm seine
Unterdrücker. . .

Der Bahnhofsbuchhandel unterliegt
Einer strengen Sittenzensur,

Die Gottlosigkeit wird vernichtet
Bis auf die letzte Spur.

Nur eine Erbauungslektürc
Dem Eisenbahnreisenden frommt,
Weil sonst er bei der Entgleisung
Direkt i» die Hölle kommt.

„Mit Kleinem fängt man an" — deshalb versuchen die Räuber,
die das Wahlrecht stehlen möchten, sich einstweilen an den Handels-

verträgen zu vergreifen.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

F a t a I.

Freiherr von Stumm soll jüngst bei einem
Spaziergange durch seine Felder von einer alten
Lumpensammlerin ergriffen und in den Sack ge-
steckt ivordeir sein. Erst auf vielfaches Bitteir
der Familie klaubte ihn das boshafte Weib wieder
heraus. ,,

Der Reichstag in Friedrichsruh.

Der Reichstag hätte kondolirt?

Ich glaube nicht daran.

Es war der ganze Reichstag nicht, —

Es war ein einzelner — Spahn!

Gegengift.

Das berüchtigte Jesuitenblatt der „Pelikan"
verrichtet nach seiner eigenen Versicherung an
seinen Abonnenten allerlei Wunder. Ein Land-
wirth z. B. litt am Bandwurm, der allen Gegen-
mitteln trotzte. Eines Tages abonnirte er den
„Pelikan". Schon beim erstmaligen Lesen spürte
er konvulsivische Zuckungen im Leibe und nach
wenigen Tagen ging das Biest mit dem Kopf ab.
Die Geschichte machte in der ganzen Umgegend
kolossales Aussehen, sämmtliche Bandwurmbesitzer
griffen zu dein gleichen Mittel mit gleichcin Er-
folg, so daß dieser abscheuliche Parasit im ganzen
Unikreis ausgerottet ist. Die Baudivurmdoktoren
behaupten, der Inhalt des „Pelikan" sei derartig,
haß cs kein Bandwurm im Leibe eines Lesers
"»shält und schleunigst Reißaus nimmt.

Grotznuilhig.

„Der Besitzer des Derbysiegers
erhielt für jede Bedeckung 1500 Mark
Honorar." Sportnoti'z.

v. Plötz (die Sportzeitung lesend): Wtts

tär so'n Deckhengst für kolossales Geld geleistet
wird, um Rasse zu veredeln, — und dabei
will die Bürgerkanaille unsere Verdienste um
das Menschengeschlecht nicht anerkennen.

Turaki.

(Am 1. August 1808.)

Vernommen hat die Welt das grause Wort,

Das ihn begräbt in finstre Nacht und Oede.
Zwölf Jahre lang! — Ihr saht ihn nicht erblassen,
In seinem Innern lodert mächtig fort
Der alte Muth, der ihn im Kampf beseelte.

Was nützt es, daß ihr ihn in Banden schlagt,
Daß ihr ihn in den Kerker sendet,

Millionen Herzen weilen doch in seiner Näh'.
Sie ruhen nicht, sie rasten nicht, sie ringen,

Dem Volke Bildung, Freiheit, Brot zu bringen.
Und solltest du die Sonne nie mehr schauen,
Sollt' auf deur Zuchthausfricdhos einst dein Grab-
kreuz stehn.

Wir zagen nicht, uns stählt ein fest Vertrauen,
Und müßten wir noch schlimm're Zeiten sehn.

Der Schergen Macht wird bald zusammenbrechen,
Sind erst die Menschen eins in ihrem Streben,
Daun schmückt der Völkerfrühling deinen Hügel
Mit Freiheitsblüthen, immergrünem Reis. b.

Schnitzel,

— Tantalos wurde von den griechischen Göt-
tern zu den ewigen Qualen des Hungers und des
Durstes verurtheilt, während herrliche Früchte
und köstliche Getränke ihm stets vor Augen waren.

Dasselbe Urtheil, welches die Götter Griechen-
lands über Tantalos fällten, hat auch die heutige
Gesellschaft über den Besitzlosen gefällt.

— Der Appetit kommt beim Essen, heißt ein
französisches Sprichwort.

Ob bei Arbeitern und Handwcrksburschen, die
schon tagelang gehungert haben, die Eßlust auch
erst während des Essens kommt?

— Wenn man die Natur auch unterdrückt,
sie macht sich minier wieder geltend.

Das Gleiche gilt auch von der Sozialdemokratie.

Muß ich's gloom ooch, gann ich's doch nich fassen —
So was. Leide, das begreifd sich schwer:
Bismarck had sei deidsches Volk verlasse».
Unser dreier Lckardt lebd nich mehr,

Un nu genn mer ä Iahrhunderd baffen
Schdumm »n schdarr uff seine Wiedergehr!

's war der greeßde Mann in Deidschen Reiche
Un nu is er änne dode Leiche!

Alle sein se nunmehr abgefahren.

Die de's Reich gezimmerd un gebaud.

Wärn mer uns de needge Krafd bewahren,
Ladschd uns irgend eener frech ins Kraud?
Zwischen Frankreich schdehn mer und 'n Zaren,
Der uns gerne eene runderhaud,

Koch de Bolen maulen un de Welfen —
Warn mer ohne Bismarck uns behelfen?

Ach, mei Herze fiehl ich ängstlich globben
Un vor Kummer bin ich madd un blaß,
Unwillgierlich ween ich große Drobben
Un mei Lchnubbduch, das is madennaß.
Megen zehnmal mich de Rohden fobben.

Die de voller Rache sein un Haß,

Dennoch sing' ich nächdlich un bei Dage,

Dir, o Ktto, meine Dodenklage.

Nachdruck sämintlicher Artikel rc. verboten.
 
Annotationen