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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0190
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— 2812

Oer Grdnungsinensch. ^

willst ein braver Mann du werden,
Deutscher Jüngling, sieh' dich vor,

Daß des niedern Volks Beschwerden
Niemals dringen an dein Ohr.

Meide jene böse Presse,

Die nur schmäht und räsonnirt,

Habe nur für das Interesse,
was der Landrath redigirt.

wenn die Freigesinnten werben
Für Ideen der neuen Zeit,

O so laß' dir nicht verderben
Deine fromme Biederkeit.

An dem Alten halte zähe,
wenn es auch verschimmelt ist,

Daß die Obrigkeit es sehe,
welch' ein Ordnungsmensch du bist.

Dem Theater bleibe ferne,

Ls erweckt -er sünd'gen Lust
Schändliche Gefühle gerne
In der keuschen Mannesbrust.

Auch vor Werken, sinnbestrickend,

Der Skulptur und Malerei
Fliehe, fromm zu Boden blickend,

In den Schutz -er Polizei.

Doch -ein Blick, er leuchte, strahle,
wenn die wache aufmarschirt,
wenn, geführt vom Generale,

Die Kolonne manövrirt,
wenn mit Trommeln und mit pfeifen
Das Mnstkkorps lärmend naht —
Dieses soll dein Herz ergreifen
Mehr als jede Künstlerthat.

Lasse nimmer dich verleiten
Zu polit'scher Diskussion;
willst du auf der Bierbank streiten,
Dann in kräft'gem Manneston
Schimpfe auf die bösen Rothen,

Lobe die Minister sehr,

Das gereicht bei Patrioten
Dir zur allergrößten Lhr'.

Stimmen mußt du bei den Wahlen
wie es -er Regierung frommt,

Ohne Murren mußt du zahlen,
wenn -er Steuerbote kommt;

Mußt Ergebenheit stets zeigen,

Doch Gesinnung brauchst du nicht
Sieh', dann schätzt dich Deinesgleichen
Als ein großes Ordnungslicht.

Inhalt der Untcrhaltungs -Beilagen.

Erste Beilage: Die Pferdezucht und ihre Bedeutung
für die Lösung der sozialen Frage. Bier Illustrationen. —
Die Heiligkeit der Ehe. Studien aus dem Jnseratentheil bür-
gerlicher Blätter. — Diebeslist. Humoreske in fünf Bildern
von Nata Langa in Nom. — Schnitzel. — Garrz unmöglich.
Illustration. — Aus Paris. — Das Wunderkind. — Ein Vor-
sichtiger. — Kolonialpolitisches. — Briefkasten. — Anzeige. —
Karikaturen aus dem amerikanisch-spanischen Kriege.

ZweiteBeilage: Vor fünfzig Jahren. Der September-
aufstand in Frankfurt a. M. Mit vier Illustrationen: Er-
stürmung der Barrikade in der Töngesgasse. Verkündigung
des Waffenstillstandes. Auerswalds und Lichnowskys Tod.
Begräbniß der Gefallenen. — Schnitzel.

Schuh gegen Bacillen.

(vom Katholikentag in Krefeld.)

Und also sprach der hohe schwarze Rath.

„Das deutsche Volk ist Heilten Heller nutze,

Und wir verlangen folgerecht vom Sinnt,

Daß teilt und Geist er vor Bazillen schlitze,
wir mahnen ihn in feierlicher Stunde,

Der höchsten pflichten eingedenk zu sein,

Und geht er darauf nicht bei Seiten ein,

So gehl das mächt'ge deutsche Reich zu Grunde!

Die freie Forschung bringt uns auf den Hund
Und dringend nöthig ist es, einzulenken;

Sie ist des Ucöcls eigentlicher Grund —

Rieder mit ihr! Der Mensch kraucht nicht zu denken.
Die Rirchc Hute ganz allein der Schafe
friedliche Herde, die zur weide geht;

Das dumme Denken macht uns nur verdreht,

Den frommen aker giekt's der Herr im Schlafe.

In den Museen, wo das Volk stch drängt,

Ist weltliches vom heiligen zu trennen;

Das Erst're werde fortan dicht verhängt,

Am Besten wär's, den ganzen Schwamm verbrennen!
Die nackten Marmoröildcr schlägt zusammen,
hakt aus die Trümmer noch ein Augenmerk;

Das Selig befördert nur des Teufels Werk
Und schürt in jeder Brust der Wollust flammen

Steckt alle Bücher einfach in den Sack
Und seid nur denen l»it dem Stempel gnädig;
was christlich nicht, verdickt nur den Geschmack
Denn in der Druckerpreste ist der Böse thätig.

Es ist durchaus nicht nöthig, dast ihr trauert,
wenn vei de» schlechten auch ein gutes war,

Denn Keffer gar kein Buch, als die Gefahr,

Die im Gedruckten unakläfstg lauert.

Desgleichen nieder mit der Schule dann,

Die eigne Bahnen voll des Dünkels schreitet,

Die nicht der heil'ge, fromme Gollesniann,

Die statt des Lehrers nicht der Pfarrer leitet!

Denn in die Mägdlein fährt und in die RnaKen
Durch das Geschreibsel und die Leserei
Rur der Bazillus, den wir mit Geschrei
Und mit Beschwörung auszntreiken hake».

®, der Bazill ist zäh und voller List
Und seine Bosheit spottet oft des frommen,

Doch wenn er endlich ausgetricöen ist,
wird eine Reihe goldner Tage kommen.

Es wird in Ruhe feiner Güter freuen
Sich der Besitzende in jener Seit,

Doch auch die Demnth und Bescheidenheit
Der Schaffenden wird herrlich sich erneuen!"

Der Spiheltag.

Auf dem jüngst in Galgeuhof bei Rabcnstcin
abgehaltenen Spitzcltag waren Spitzel aus allen
deutschen Gauen zahlreich erschienen, schäbige und
elegante, vornehme Verbrecher-Physiognomien und
schlitzäugige Spürhunde — eine hochinteressante
Versammlung.

Den Vorsitz erhielt der soeben aus dem Zucht-
haus entlassene Einbrecher Frech. Sodann folgte
die Prüfung der Mandate; beanstandet und aus-
geschlossen wurde ein Theilnchmer, weil man ent-
deckte, daß er sich noch im Besitz der bürgerlichen
Ehrenrechte befand.

Begrüßungstelegramme gingen ein von Nor-
mann-Schumann, Sternberg re., sowie von
mehreren angesehenen Förderern des Spitzel-
thums in Berlin und Puttkamerun.

Vor Eintritt in die Tagesordnung erhob sich
die Versammlung von den Sitzen, um das An-
denken ihres Ehrenmitgliedes, des bulgarischen
Polizeimeisters Boitscheff zu ehren, welcher das
Unglück gehabt hat, wegen Mordes hingerichtct
zu werden.

Es folgte sodann das Referat des Detektivs
Schwindelhuber über den gegenwärtigen Stand
der Spitzele!. Der Referent betonte, die goldenen
Zeiten des Sozialistengesetzes und der Bismärki-
schen Reptilienwirthschaft seien freilich vorüber.
Der unerschöpfliche Quell des Welfenfonds sei
versiegt und das gemeine Recht sei für eine wirk-
same Ausübung des Spitzelhandwerks noch lange
nicht gemein genug. Aber man habe keine Ur-
sache, zu verzagen. Noch gäbe es reichlich ge-
heiine Fonds und noch werde von ministerieller
Seite offiziell zugestanden, daß die Regierung ohne
Spitzel nicht leben könne. Der Sturz des Ministers
Marschall habe die Macht des Spitzelthums auch
im heutigen Staatswesen bewiesen, ebenso die zahl-
reichen Verurtheilungen wegen Majestätsbelcidi-
gung. Der Referent beklagte, daß neuerdings
 
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