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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0207
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2829

Paul Groltkau f.

In Milwaukee ist Anfangs Juni d. I. der
Präsident des früheren „Allgemeinen Deutschen
Maurer- und Steinhauervereins", Paul Grott-
kau, gestorben.

Derselbe war in den siebziger Jahren in
Deutschland hervorragend für die Maurer- wie
auch für den Allgemeinen Deutschen Arbeiter-
verein thätig und hatte für sein uneigennütziges
Wirken viele polizeiliche Verfolgungen und
Engere Gefängnißstrafen zu erdulden. Als die
Reaktion in der zweiten Hälfte der siebziger
^rahre immer ärger gegen die Arbeiterbewegung
zu wüthen begann, wanderte Grottkau noch vor
Erlaß des Sozialistengesetzes nach Amerika aus.
Auch in der „neuen Welt" stellte er sich in den
Dienst der Arbeitersache. Er übernahm in
Chicago die Redaktion der „Arbeiterzeitung"
und des „Vorboten". Ein Konflikt mit Most,
dem er scharf cntgegentrat, vertrieb ihn von
dort; hierauf wandte er sich nach Milwaukee,
wo er wiederum in die Redaktion einer Arbeiter-
zeitung eintrat. Im Jahre 1889 begab sich
grottkau nach San Franzisko, wo man ihm
die Redaktion der „Kalifornia Arbeiterzeitung"
übertragen hatte. Vorübergehend kam er nach
dem Osten, um dort agitatorisch thätig zu sein.
So auch im März dieses Jahres nach Milwaukee.
Schneller als es irgend Jemand erwarten konnte,
trat der Tod an ihn heran. Er hat ein Alter
von 53 Jahren erreicht und hinterläßt seine
Familie, bestehend aus Frau und zwei Kindern,
in großer Dürftigkeit in San Franzisko.

Louis Heritier f.

Am 19. August ist in Genf der romanische
Arbeitersekretär, Großrath Louis Heritier, in
dem noch jugendlichen Alter von 36 Jahren
gestorben, nachdem er längere Zeit durch ein
Herzleiden ans Krankenbett gefesselt war. Mit
Heritier ist ein treuer, unentwegter Kämpfer für
das arbeitende Volk dahingegangen und ins-
besondere die schweizerische Arbeiterschaft wird
den Verlust schmerzlich empfinden. Aus seinem
Leben mögen einige Daten hier Platz finden.

Im 16. Lebensjahr verließ Heritier seine
Vaterstadt Genf und wandte sich nach Paris,
wo er bald mit den Ideen des Sozialismus
bekannt wurde. Nach seiner Rückkehr trat er
an die Spitze der Arbeiterbewegung, die sich
damals in Genf zu entwickeln begann. In
Deutschland hielt sich Heritier vom Jahre 1884
bis 1886 auf, um auch daselbst die Bewegung
kennen zu lernen. Wieder in Genf, hörte er
Vorlesungen über soziale Wissenschaften an der
dortigen Universität, sodann war er schrift-
stellerisch thätig. Heritier ist auch den deutschen
Arbeitern durch seine Artikel in der „Neuen
Zeit" bekannt geworden. Ein größeres Werk von
ihm, die „Geschichte der französischen Revolution
von 1848 und der Zweiten Republik" (Stutt-
gart 1898) ist kurz vor seinem Tode erschienen.
Das fertige Werk war die letzte Freude, die
dem jetzt Dahingeschiedenen bescheert ward.

Seit 1892 Mitglied des Kantonsraths in
Genf, hat man ihm hauptsächlich die Schaffung
der Arbeitskammer zu verdanken, deren Unter-

halt durch den Staat er erkämpfte. In Folge
seiner Berufung zum Posten des romanischen
Arbeitersekretärs trat er ein wenig aus den
vordersten Gefechtsreihen zurück, wozu auch
die sich bei ihm entwickelnde Krankheit beitrug.

Unter der Achtung der Gegner und dem auf-
richtigen Bedauern seiner Kampfgenossen ist er
ins Grab gelegt worden, bedeckt von der rothen
Fahne, zu der er gestanden bis zum letzten
Athemzug.

«^Lss-

Schnitzel.

Nichts hat die Menschen so klein gemacht
als die ewig posaunte Lehre: seid zufrieden!
Die besten Tribunen der Menschenliebe waren
von jeher die Unzufriedenen.

Die wahre Demokratie streckt eine streng
richtende Hand nach oben, eine brüderlich empor-
ziehende nach unten aus. Unter Denen, die sich
heute Demokraten nennen, giebt es indessen
leider Halbe genug, die nur de» Haß nach oben,
aber nicht die Liebe nach unten kennen; sie sind
Feuer, das nur sengt, aber nicht erwärmt.

Die Sozialdemokratie ist der Schatten, den
die oberen Zehntausend werfen.

Was ist Revolution? Wenn die Privilegirten
da oben die Rolle der Anstifter spielen, ist die
Revolution keine Revolution. Für die Bar-
tholomäusnacht ließ der Papst ein De venm
beten. Wenn dagegen der Zündstoff, der unten
beim Volk aufgeschichtet liegt, explodirt, dann
natürlich ist die Revolution eine Revolution.

Revolutionen können immer verhindert wer-
den. Goethe sagte einmal zu Eckermann: „An
den großen Revolutionen sind nie die Völker,
sondern immer die Regierungen schuld" — und
Goethe war Minister, Wirklicher Geheimrath und
Exzellenz — gewiß ei» unverdächtiger Zeuge.

Die tiefe ökonomische Demüthigung und
moralische Entnervung der Menschheit im Zeit-
alter der Zäsaren läßt den Erfolg des Christen-
thums erklärlich erscheinen: Enterbte des Glücks
und Kandidaten der Verzweiflung, Sklaven und
Elende waren die ersten Bekenner Jesu. Reli-
gionen, welche die Knechtung verherrlichen und
die Unterdrückten für Günstlinge Gottes er-
klären, sind Religionen für Hörige. Daraus
folgt: die wirthschaftliche Befreiung der Massen
wird das Ende des Christenthums sein. z.

Der zur Zeit in Amerika weilende Abgeordnete Dr. Lieber sandte obenstehende Karte mit der Widmung „Volldampf voraus!" an den
ultramontanen Parteitag in Krefeld. Die in der Art der Reden Liebers etwas zu breit ausgefallene Karte wurde aus guten Gründen
nicht vertheilt. Durch Zufall flog sie auf den Redaktionstisch des „Wahren Jacob".
 
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