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„Durchlauchtigste Vettern und freunde!" brüllte der Löwe.
lustig mit den Flügeln schlug, während er
es mit verliebten Blicken koste und zuweilen,
wie aus alter Gewohnheit, mit zitternden
Nasenlöchern nach ihm emporschnupperte.
Kein Wunder, daß der Ochse, der gleich
hinter ihm hertrabte, bei diesem Schauspiel
seine großen Augen noch weiter aufriß und
das Maul zu einem bewundernden „Muh!"
öffnete. Auch der Esel, der ihm folgte,
wackelte nachdenklich mit den langen Ohren,
während sich das Schaf, das zuletzt durch
die Thüre hereinstolperte, mit dem gespaltenen
Hufe eine Thräne aus dem Auge wischte.
Es war offenbar gerührt, so tiefgerührt,
wie es Hansi nur beim Anblick einer noch
nicht angeschnittenen Pflaumentorte zu sein
pflegte.
Hansi hatte die Bettdecke znrückgeschlagen
und saß, die angezogenen Knie mit beiden
Händen festhaltend, aufrecht da und harrte
mit fieberhafter Spannung der Dinge, die
da kommen sollten. Um ja keinen Laut von
dem, was geschah, zu verlieren, langte er
vorsichtshalber noch einmal das Taschentuch
unter dem Kopfkissen hervor und schneuzte
sich die Nase.
Unterdessen hatten sich die Thiere genau
in der Reihenfolge, wie sie gekommen waren,
rings um den Löwen inr Kreise ausgestellt.
Der Wolf, der Fuchs und der Marder
standen ganz in der Nähe des Ofens, so
daß ihnen Haust gerade ins Gesicht sehen
konnte. Der Ochs, der Esel und das Schaf,
die sich bis dicht ans Bett herandrängten,
kehrten ihm den Rücken zu. Keines gab
einen Laut von sich, und doch hörte Hansi
wieder ganz deutlich jenes unheimliche
Schnaufen, das ihm gleich zu Anfang, wie
noch Niemand im Zimmer war, solche Angst
eingejagt hatte. Woher das nur kommen
mußte? Seltsam! So oft er den Athem
anhielt, verstummte es auch; aber kaum
wagte er wieder Luft zu schöpfen, so war
es wieder da, und wie verhext! es kam und
ging genau im Takte mit seinen eigenen
Athemzügen. Ihn gruselte.
Ein wahres Glück, daß jetzt der Löwe
sich räusperte und, nachdem er mit dem
Palmzweig die Umstehenden gegrüßt hatte,
seinen Rachen aufsperrte und also zu brüllen
begann: „Durchlanchtigste Vettern und
Freunde! Es hat meiner brüllenden All-
macht gefallen, auf den heutigen Tag die
Thiere der Erde, soweit sie ein Recht auf
Existenz haben, zu einer Konferenz einzu-
laden, damit dem unsinnigen Morden, das
heute noch so vielfach das Leben unserer
Mitviecher bedroht, ein Ende gemacht und
das unnütze Blutvergießen, das dem heutigen
Knltnrzustand der gesummten Tierheit Hohn
spricht, für immer aus der Welt geschafft
werde!"
„Bravo!" heulte der Wolf, „Sehr gut!"
bleckte der Fuchs, „Hört! Hört!" pfiff der
Marder, während der Ochse ein befriedigtes
„Muh!" und das Schaf ein verzücktes „Mäh!"
von sich gab. Der Esel aber, der da meinte,
daß man ihn ganz besonders um seine Mei-
nung gefragt habe, sagte kurz und bündig:
,Ja!"
„Ich danke Ihnen, meine Herren", fuhr
der Löwe fort, indem er die Kerze in der
Linken hoch emporhielt, „ich danke Ihnen
für diesen Beweis Ihrer friedlichen Gesin-
nung, die mir im Voraus den Erfolg unserer
Friedenskonferenz verbürgt. Das Licht der
Vernunft, das ich hier in Händen halte, hat
glänzend gesiegt über die mittelalterliche
Barbarei. Es versteht sich aber von selbst,
daß gute Gesinnungen allein nicht genügen,
um den Frieden unter den Thieren der Erde
zu sichern. Nein, wir müssen uns zur er-
lösenden That aufschwingen, wir müssen das
Nebel an der Wurzel fassen, wir müssen,
um den Mord zu beseitigen, die Mordwerk-
zeuge selbst vernichten, mit einem Worte:
wir müssen abrüsten!"
„Bravo!" heulte der Wolf, „Sehr gut!"
bleckte der Fuchs, „Hört! Hört!" pfiff der
Marder, während der Ochs ein befriedigtes
„Muh!" und das Schaf ein verzücktes
„Mäh!" von sich gab. Der Esel aber, der
wieder meinte, man habe ihn um seine
höchsteigene Meinung gefragt, sagte noch
einmal kurz und bündig: „Ja!"
„Ihre erneute Zustimmung," fuhr der
Löwe fort, indem er stch nach allen Seiten
verneigte, „ermuthigt mich. Ihnen sogleich
bestimmte, von mir und meinen Rüthen
reiflich erwogene Vorschläge zu unter-
breiten, die ich Sie ohne lange Debatte —
denn wir sind ja alle tief von dem hehren
Friedensgedanken durchdrungen — zum Be-
schluß zu erheben bitte. Es ist ohne Weiteres
klar, daß hier, wo es das Wohl der ge-
sammten Thierheit gilt, jeder Einzelne von
uns mit Freuden ein kleines Opfer bringen
wird. Wir können hier die besonderen
Liebhabereien unserer durchlauchtigsten Mit-
thiere nicht schonen, sondern verlangen, daß
jeder von uns Großen, die wir an der Spitze
„Durchlauchtigste Vettern und freunde!" brüllte der Löwe.
lustig mit den Flügeln schlug, während er
es mit verliebten Blicken koste und zuweilen,
wie aus alter Gewohnheit, mit zitternden
Nasenlöchern nach ihm emporschnupperte.
Kein Wunder, daß der Ochse, der gleich
hinter ihm hertrabte, bei diesem Schauspiel
seine großen Augen noch weiter aufriß und
das Maul zu einem bewundernden „Muh!"
öffnete. Auch der Esel, der ihm folgte,
wackelte nachdenklich mit den langen Ohren,
während sich das Schaf, das zuletzt durch
die Thüre hereinstolperte, mit dem gespaltenen
Hufe eine Thräne aus dem Auge wischte.
Es war offenbar gerührt, so tiefgerührt,
wie es Hansi nur beim Anblick einer noch
nicht angeschnittenen Pflaumentorte zu sein
pflegte.
Hansi hatte die Bettdecke znrückgeschlagen
und saß, die angezogenen Knie mit beiden
Händen festhaltend, aufrecht da und harrte
mit fieberhafter Spannung der Dinge, die
da kommen sollten. Um ja keinen Laut von
dem, was geschah, zu verlieren, langte er
vorsichtshalber noch einmal das Taschentuch
unter dem Kopfkissen hervor und schneuzte
sich die Nase.
Unterdessen hatten sich die Thiere genau
in der Reihenfolge, wie sie gekommen waren,
rings um den Löwen inr Kreise ausgestellt.
Der Wolf, der Fuchs und der Marder
standen ganz in der Nähe des Ofens, so
daß ihnen Haust gerade ins Gesicht sehen
konnte. Der Ochs, der Esel und das Schaf,
die sich bis dicht ans Bett herandrängten,
kehrten ihm den Rücken zu. Keines gab
einen Laut von sich, und doch hörte Hansi
wieder ganz deutlich jenes unheimliche
Schnaufen, das ihm gleich zu Anfang, wie
noch Niemand im Zimmer war, solche Angst
eingejagt hatte. Woher das nur kommen
mußte? Seltsam! So oft er den Athem
anhielt, verstummte es auch; aber kaum
wagte er wieder Luft zu schöpfen, so war
es wieder da, und wie verhext! es kam und
ging genau im Takte mit seinen eigenen
Athemzügen. Ihn gruselte.
Ein wahres Glück, daß jetzt der Löwe
sich räusperte und, nachdem er mit dem
Palmzweig die Umstehenden gegrüßt hatte,
seinen Rachen aufsperrte und also zu brüllen
begann: „Durchlanchtigste Vettern und
Freunde! Es hat meiner brüllenden All-
macht gefallen, auf den heutigen Tag die
Thiere der Erde, soweit sie ein Recht auf
Existenz haben, zu einer Konferenz einzu-
laden, damit dem unsinnigen Morden, das
heute noch so vielfach das Leben unserer
Mitviecher bedroht, ein Ende gemacht und
das unnütze Blutvergießen, das dem heutigen
Knltnrzustand der gesummten Tierheit Hohn
spricht, für immer aus der Welt geschafft
werde!"
„Bravo!" heulte der Wolf, „Sehr gut!"
bleckte der Fuchs, „Hört! Hört!" pfiff der
Marder, während der Ochse ein befriedigtes
„Muh!" und das Schaf ein verzücktes „Mäh!"
von sich gab. Der Esel aber, der da meinte,
daß man ihn ganz besonders um seine Mei-
nung gefragt habe, sagte kurz und bündig:
,Ja!"
„Ich danke Ihnen, meine Herren", fuhr
der Löwe fort, indem er die Kerze in der
Linken hoch emporhielt, „ich danke Ihnen
für diesen Beweis Ihrer friedlichen Gesin-
nung, die mir im Voraus den Erfolg unserer
Friedenskonferenz verbürgt. Das Licht der
Vernunft, das ich hier in Händen halte, hat
glänzend gesiegt über die mittelalterliche
Barbarei. Es versteht sich aber von selbst,
daß gute Gesinnungen allein nicht genügen,
um den Frieden unter den Thieren der Erde
zu sichern. Nein, wir müssen uns zur er-
lösenden That aufschwingen, wir müssen das
Nebel an der Wurzel fassen, wir müssen,
um den Mord zu beseitigen, die Mordwerk-
zeuge selbst vernichten, mit einem Worte:
wir müssen abrüsten!"
„Bravo!" heulte der Wolf, „Sehr gut!"
bleckte der Fuchs, „Hört! Hört!" pfiff der
Marder, während der Ochs ein befriedigtes
„Muh!" und das Schaf ein verzücktes
„Mäh!" von sich gab. Der Esel aber, der
wieder meinte, man habe ihn um seine
höchsteigene Meinung gefragt, sagte noch
einmal kurz und bündig: „Ja!"
„Ihre erneute Zustimmung," fuhr der
Löwe fort, indem er stch nach allen Seiten
verneigte, „ermuthigt mich. Ihnen sogleich
bestimmte, von mir und meinen Rüthen
reiflich erwogene Vorschläge zu unter-
breiten, die ich Sie ohne lange Debatte —
denn wir sind ja alle tief von dem hehren
Friedensgedanken durchdrungen — zum Be-
schluß zu erheben bitte. Es ist ohne Weiteres
klar, daß hier, wo es das Wohl der ge-
sammten Thierheit gilt, jeder Einzelne von
uns mit Freuden ein kleines Opfer bringen
wird. Wir können hier die besonderen
Liebhabereien unserer durchlauchtigsten Mit-
thiere nicht schonen, sondern verlangen, daß
jeder von uns Großen, die wir an der Spitze