2900
Eine Heimkehr.
von Lrich Schlaitjer.
ööier bin ich wieder, Weib, an Deiner Schwelle -
In irrer Angst greift Deine Hand
Die hohe, reichgeschnitzte Lehne eines Stuhls
Und krallt sich fest!
„Kehrt so ein Lieger heim?
Die Haare wirr, die Ltirne düster
Im Aug' unreine Flackergluth der Zinnenlust,
Der Rock zerrissen und die Zchuhe staubig.
Bist Du Zieger? —"
Frag' die dort draußen!
Frag' das Volk der Kaste
Das frech mich anstarrt mit schamlosen Blicken!
Sie lächelten zuerst, dann lachten, lachten,
Aus voller Kehle lachten sie
Und Baubthierfreude funkelte im Auge:
„Li, seht ihn doch, Gevatter! Seht ihn doch
Den „Feuergeist", der einst uns niederzwang,
(Wir haben's nicht vergessen!)
Li, seht ihn doch! Jetzt zeige Deine Kunst
Und steig' vom Kreuz herab, verkommener
Ha, Ha!" — [Lump!
Die Raubthierzähne glänzten.
Kehrt so ein Zieger heim?
Du stehst vor mir und Deines hohen Leibes Linien
Athmen Frieden —
Aus Deinem Auge glänzt
Der Zchimmer stillen Herdglücks.
In diesen Räumen, wo Du Hohe weilst,
Weht reine, ätherreine Luft. —
Die kalten Nattern, Schlangen, Kröten,
All' das Gewürm der niederen Leidenschaft
Knäult unterDeinerLchwelle sich in ekleKlumpen
Und haßt Dich zischelnd.
Weil es den Bann der Schwelle nicht durchbricht.
Und hier steh' ich.
In diesem engen Ltubenparadies steh' ich.
Der Heimgekehrte — ich!
Nein Athem dunstet nach niederen Spelunken!
von meinen Lippen rauchen Dirnenküsse!
Nein ganzer Leib beschmutzt in frecher Buhlschaft!
Traun — ein stolzer Lieger bin ich!
Jawohl — ich bin's!
Zieh' diese Hand —
Die Rechte ist es, die die Leier schlägt —
Die hielt ich rein!
Leg' Deine schmale, weiße Hand
Getrost hinein!
Wie weit ich mich verirrte, abseits
In kalte Triften, wo des Llsnds Kinder
Friedlos durchs feuchte Rebeldasein ziehn.
Wie ekel auch der Schlamm zu meinen Füßen
Hoch auf dem Haupt trug ich, swar:
Unberührt und keusch wie meiner Seele stillste
Die Tempelschale meiner Kunst — [Siefen,
Ich bin ein Sieger!
So laß' mich denn jetzt eine kurze Weile
In Deines Glückes stillen Zimmern ruhn.
Dann will ich wieder weiter.
Den Herbstpfad meines Lebens
Weiter — weiterziehn.
Das Beefsteak.
Ein würdiger, bejahrter Geistlicher erzählte in
einer Gesellschaft mit herzgewinnender Jovialität,
wie trefflich es ihm bekomme, Sonntags vor der
Predigt ein saftiges Beefsteak zu essen und ein
Gläschen guten, alten Rothweins dazu zu trinken.
„Sie glauben nicht, wie sehr das auf meine Pre-
digt zurückwirkt, wie meine Stimme kräftiger
klingt, wie meine Gesten eindringlicher, meine
Worte und Gründe überzeugender werden!"
Statt wortlos das sichtliche Walten einer
höheren Macht in dem schlichten Gottesmann zu
bewundern, fragte ihn ein frivoler Mensch mit
aufdringlicher Frechheit:
„Wie nun, Herr Pastor, wenn Sie vor der
Predigt Ihre ganze werthe Gemeinde mit Beef-
steaks fütterten und ihr Portwein vorsetzten?
Meinen Sie nicht, daß die Wirkung Ihrer ge-
schätzten Worte dann noch mächtiger wäre? daß
Ihre Gründe an Glaubwürdigkeit noch gewännen ?"
— Vornehmes Schweigen war die gebührende
Antwort auf diese zum Himmel stinkende Schain-
losigkeit eines Menschen, dem nichts mehr heilig war.
Dr. O.
Das liberale Wshlkomile.
Line kunterbunte Geschichte.
Dem Sammelrufe Miguels folgend hatte sich
das Komite der Liberalen aller Schattirungen
des Wahlkreises Kohlstadt-Quasselhausen nach
einem geeigneten Reichstagskandidaten auf die
Suche gemacht. Endlich konnte der Vorsitzende
des Komites seinen mehr oder weniger getreuen
Gesinnungsgenossen melden, daß der Kandidat
gefunden sei und sich den Komitemitgliedern
aller Schattirungen vorstellen wolle.
Da kamen sie denn zum Rütli, die Männer
von Rechts und Links, die von der Bennigsenschen
Garnitur und die von der „Freisinnigen Ver-
einigung" und der „Freisinnigen Volkspartei";
Wadelstrumpf und Wasserstiefel einträchtig bei
einander, es fehlte selbst nicht der grimmige
Demokrat Eisenmaul, von dem die Sage ging,
sein Großonkel habe in der 48 er Revolution
in Berlin, in unmittelbarster Nähe einer Barri-
kade in der Königsstraße, kaltblütig eine große
Weiße mit Kümmel getrunken.
Der Vorsitzende begrüßte die Versammlung
mit patriotischen Worten und verkündigte, es
sei gelungen, den verdienstvollen Mitbürger
August Müller, Nachtlichterfabrikant und Haus-
besitzer, zur Annahme der Reichstagskandidatur
zu bewegen. Dieser Kandidat, dessen friedlicher,
keinerlei Parteileidenschaft weckender, echt deut-
scher Name schon für ihn spreche, sei durch seine
Biederkeit und seinen braven Charakter allge-
mein geschätzt und daher so recht geeignet, als
Kämpfer für den vereinigten Liberalismus in
die Arena zu steigen.
Beifall und Huldigungen für den Kandidaten
folgten. Und der Professor vr. Weichmaul er-
hob sich, um den gemeinsamen Ordnungskandi-
daten zu feiern. „Unser Kandidat", sprach Weich-
Eine Heimkehr.
von Lrich Schlaitjer.
ööier bin ich wieder, Weib, an Deiner Schwelle -
In irrer Angst greift Deine Hand
Die hohe, reichgeschnitzte Lehne eines Stuhls
Und krallt sich fest!
„Kehrt so ein Lieger heim?
Die Haare wirr, die Ltirne düster
Im Aug' unreine Flackergluth der Zinnenlust,
Der Rock zerrissen und die Zchuhe staubig.
Bist Du Zieger? —"
Frag' die dort draußen!
Frag' das Volk der Kaste
Das frech mich anstarrt mit schamlosen Blicken!
Sie lächelten zuerst, dann lachten, lachten,
Aus voller Kehle lachten sie
Und Baubthierfreude funkelte im Auge:
„Li, seht ihn doch, Gevatter! Seht ihn doch
Den „Feuergeist", der einst uns niederzwang,
(Wir haben's nicht vergessen!)
Li, seht ihn doch! Jetzt zeige Deine Kunst
Und steig' vom Kreuz herab, verkommener
Ha, Ha!" — [Lump!
Die Raubthierzähne glänzten.
Kehrt so ein Zieger heim?
Du stehst vor mir und Deines hohen Leibes Linien
Athmen Frieden —
Aus Deinem Auge glänzt
Der Zchimmer stillen Herdglücks.
In diesen Räumen, wo Du Hohe weilst,
Weht reine, ätherreine Luft. —
Die kalten Nattern, Schlangen, Kröten,
All' das Gewürm der niederen Leidenschaft
Knäult unterDeinerLchwelle sich in ekleKlumpen
Und haßt Dich zischelnd.
Weil es den Bann der Schwelle nicht durchbricht.
Und hier steh' ich.
In diesem engen Ltubenparadies steh' ich.
Der Heimgekehrte — ich!
Nein Athem dunstet nach niederen Spelunken!
von meinen Lippen rauchen Dirnenküsse!
Nein ganzer Leib beschmutzt in frecher Buhlschaft!
Traun — ein stolzer Lieger bin ich!
Jawohl — ich bin's!
Zieh' diese Hand —
Die Rechte ist es, die die Leier schlägt —
Die hielt ich rein!
Leg' Deine schmale, weiße Hand
Getrost hinein!
Wie weit ich mich verirrte, abseits
In kalte Triften, wo des Llsnds Kinder
Friedlos durchs feuchte Rebeldasein ziehn.
Wie ekel auch der Schlamm zu meinen Füßen
Hoch auf dem Haupt trug ich, swar:
Unberührt und keusch wie meiner Seele stillste
Die Tempelschale meiner Kunst — [Siefen,
Ich bin ein Sieger!
So laß' mich denn jetzt eine kurze Weile
In Deines Glückes stillen Zimmern ruhn.
Dann will ich wieder weiter.
Den Herbstpfad meines Lebens
Weiter — weiterziehn.
Das Beefsteak.
Ein würdiger, bejahrter Geistlicher erzählte in
einer Gesellschaft mit herzgewinnender Jovialität,
wie trefflich es ihm bekomme, Sonntags vor der
Predigt ein saftiges Beefsteak zu essen und ein
Gläschen guten, alten Rothweins dazu zu trinken.
„Sie glauben nicht, wie sehr das auf meine Pre-
digt zurückwirkt, wie meine Stimme kräftiger
klingt, wie meine Gesten eindringlicher, meine
Worte und Gründe überzeugender werden!"
Statt wortlos das sichtliche Walten einer
höheren Macht in dem schlichten Gottesmann zu
bewundern, fragte ihn ein frivoler Mensch mit
aufdringlicher Frechheit:
„Wie nun, Herr Pastor, wenn Sie vor der
Predigt Ihre ganze werthe Gemeinde mit Beef-
steaks fütterten und ihr Portwein vorsetzten?
Meinen Sie nicht, daß die Wirkung Ihrer ge-
schätzten Worte dann noch mächtiger wäre? daß
Ihre Gründe an Glaubwürdigkeit noch gewännen ?"
— Vornehmes Schweigen war die gebührende
Antwort auf diese zum Himmel stinkende Schain-
losigkeit eines Menschen, dem nichts mehr heilig war.
Dr. O.
Das liberale Wshlkomile.
Line kunterbunte Geschichte.
Dem Sammelrufe Miguels folgend hatte sich
das Komite der Liberalen aller Schattirungen
des Wahlkreises Kohlstadt-Quasselhausen nach
einem geeigneten Reichstagskandidaten auf die
Suche gemacht. Endlich konnte der Vorsitzende
des Komites seinen mehr oder weniger getreuen
Gesinnungsgenossen melden, daß der Kandidat
gefunden sei und sich den Komitemitgliedern
aller Schattirungen vorstellen wolle.
Da kamen sie denn zum Rütli, die Männer
von Rechts und Links, die von der Bennigsenschen
Garnitur und die von der „Freisinnigen Ver-
einigung" und der „Freisinnigen Volkspartei";
Wadelstrumpf und Wasserstiefel einträchtig bei
einander, es fehlte selbst nicht der grimmige
Demokrat Eisenmaul, von dem die Sage ging,
sein Großonkel habe in der 48 er Revolution
in Berlin, in unmittelbarster Nähe einer Barri-
kade in der Königsstraße, kaltblütig eine große
Weiße mit Kümmel getrunken.
Der Vorsitzende begrüßte die Versammlung
mit patriotischen Worten und verkündigte, es
sei gelungen, den verdienstvollen Mitbürger
August Müller, Nachtlichterfabrikant und Haus-
besitzer, zur Annahme der Reichstagskandidatur
zu bewegen. Dieser Kandidat, dessen friedlicher,
keinerlei Parteileidenschaft weckender, echt deut-
scher Name schon für ihn spreche, sei durch seine
Biederkeit und seinen braven Charakter allge-
mein geschätzt und daher so recht geeignet, als
Kämpfer für den vereinigten Liberalismus in
die Arena zu steigen.
Beifall und Huldigungen für den Kandidaten
folgten. Und der Professor vr. Weichmaul er-
hob sich, um den gemeinsamen Ordnungskandi-
daten zu feiern. „Unser Kandidat", sprach Weich-