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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0015
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-es wahren Jacob

e- Moloch.


Gezeichnet von Nata Lang« in Rom.

Steckbrief Kegen Unbekannt.

Kriegte mal der liebe Gott wieder Lust, ein
wenig unter den Menschen zu wandeln, nahm
die Gestalt eines freundlichen alten Herrn an
mit langem, weißen Bart und schönen silber-
glänzenden Haaren und spazierte so ein bischen in
Deutschland herum. Na, und wie es der Zufall
schon wollte, kam er just an einer niedern Hütte
vorbei lind wie er durchs Fenster guckte, war's
nur ein einziges Zimmer und darin schrieen ein
paar Kinder durcheinander. Es war die Wohnung
eines armen Webers. Er klopfte also und trat ein.

Wenn aber der liebe Gott bei wem eintritt
und sich gar an seinem Tische niederläßt, dann
geht eine wunderbare Bewegung in dem Menschen
vor. Da wird auf einmal das Herz von einer
merkwürdigen Kampfesfreude geschwellt, die Brust
hebt sich, befreit vom Alp, die Augen des Klein-
inüthigen fangen an zu blitzen, die Faust des Ver-
zagten ballt sich in kräftigem Zorn. Und so ge-
schah es auch mit dem arinen Weber. Er hatte
duinpfbrütend dagesessen und an die nächsten
Stunden gedacht. Seine Genossen waren im

Streik begriffen, um sich höheren Lohn zu er-
zwingen, aber ihr Widerstand schien an der Un-
beugsamkeit der Unternehmer schon zu erlahmen.
Vergrämt, umflort fielen seine Blicke auf sein
Weib, auf seine Kinder . ..

Und nun durchfuhr ihn so plötzlich eine ganz
andere Stimmung. „Der liebe Gott ist bei uns",
flüsterte er, von einein ehrfürchtigen Schauer an-
gerührt, als er den alten Herrn gewahr wurde.
Und der beugte sich zunächst über die Kleinen,
streichelte ihnen zärtlich die Backen, daß sie wieder
roch und gesund aussahen, und sprach dann ein-
dringlich dem Vater Muth ein. Was er anstrebe,
sei sein heiliges Recht und darum dürfe er keinen
Fuß breit zurückweichen. Auch die Frau, mit dem
Jüngsten an der Brust, hörte verklärt zu, uild ihr
war ebenfalls, als ergösse sich neues Leben durch
ihre Adern. Sie schwor sich, fest auszuharren an
der Seite ihres Mannes, koste es was es wolle.
Der liebe Gott war ganz glücklich darüber, daß
er die beiden so fröhlich gestimmt hatte, und in
seinem Uebermuth machte er sich ein bischen ans
Hexen. Er betupfte einen harten Laib Brot emd
rührte mit dem Löffel in der Suppe herum, und

siehe da — nun schmeckte es den Leuten einfach
großartig. Niemand hätte in ihnen die früher so
gedrückten und bänglichen Menschenkinder wieder
erkannt.

Mit einem Male ivurde die Thür jäh aufge-
sprengt, zwei Schutzleute, die abwechselnd durchs
Schlüsselloch das Gebühren des alten Herrn be-
obachtet hatten, erschienen an der Schwelle, um
ihn wegen Aufreizung zum Streik festzunehmen.

Jetzt war der liebe Gott wirklich in arger
Verlegenheit. Das war ihn: denn doch in seiner
ganzen Ewigkeit noch nicht passirt. Sollte er sich
vielleicht auf seine alten Tage ins Zuchthaus
stecken lassen? Da zog er es vor, dieser unge-
müthlichen Welt, wo inan trotz der besten Ab-
sichten so leicht init dem Strafgesetz in Konflikt
kommt, schleunigst Adieu zu sagen. Dachte es
und stieg wieder zum Himmel hinauf.

Die Schutzleute aber, die schon einen guten
Fang gewittert hatten, waren ganz paff. Sie
meldeten den Vorgang dem Herrn Landrath, der
schleunigst einen Steckbrief erließ gegen den alten
Herrn mit dem Vermerk: „Name und Aufenthalt
unbekannt." e.

Beilage zum „Alahren Jacob" Nr. 326», J899.
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