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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0034
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- 2932

Rein Tanzgrnir, das ewig Stunden giebl,
Auch kein klaviervrrrückler Virtuose:

Ein armer Schuster nur, der nächtens stickt,
Wenn längst aufs Dach herab die Sterne

scheinen,

Indrtz sein Weib daneben sitzt und strickt
Und seine Kinderchen vor Hunger weinen!

O Gott, wie oft nicht schon hat dieser Laut
Mich mitten aus dem tiefsten Schlaf gerüttelt!
Und wenn ich halbwach dann mich umgefchsut,
Hat wild es wie ein Fieber mich geschüttelt.
Des Mädchens Schluchten und des Knaben

Schrei

Und gsn; zuletzt des Säuglings leises Wim-
mern —

Mir war's, als hörte ich dann nebenbei
Drei kleine, kleine schwarze Beltlein zimmern.

Mir war'«, als rollte dnmpfdann vor das Haus
Der nur zu wohlbekannte Rrmrnwagen,
Und jene Vrttlein trugen sie hinaus
Und luden sie in seinen düstern Schrägen.
Der Kutscher aber nahm noch einen Schluck
Und peitschte fluchend seine magren Schinder
Und übers Pflaster dann ging'» Ruck aufRuck
Doch ach, noch immer wimmerten die Kinder!

Und immer, immer noch klang's mir iin Ohr,
Wenn schon der Morgen durch das Fenster

blickte,

Und mir ums Auge hing ein Thränenflvr,
Wenn ich dann stumm mein Tagewerk be-
schickte.

Was half mir nun mein, Stückchen Philosoph ‘ ?
In Trümmer siel, was ich so lustig baute!

Doch that's das Haus nicht, nicht der düstreHof,
Nein, nur die abgrbrochnen Aindeslauie! —

Die Armuth bettelt um rin Stückchen Brot,
Doch herzlos läßt der Reichthum ste ver-
hungern ;

Millionen tritt die Goldgier in den Koth,
Und einen Einzigen nur läßt sie lungern.
In seidne Bellen wühlt sie ihn hinein,
Wenn er beim Sekt sich endlich ausgeplappert,
Invest beim flackernden Laternenschein
Das bleiche Elend mit den Zähnen klappert.

O Gott, warum dies alles, o warum?

Wie Zentnerlast drückt mich die Frage nieder!
In meinen Reimen geh! sie heimlich um
Und ächzt und stöhnt durch meine armen Lied er.
Was bleibt mir noch auf diesem Erdenball?
Denn auch die Kunst, längst stieg sie vom Ko-
thurne!

Einst schlug meiir Her; wie eine Nachtigall,
Doch ach, nun gleicht es einer Thränrnurne!

Die schwarte Maske.

Rarnevals - Humoreske.

Es war am Fasching-Montag in einer der
wenigen deutschen Großstädte, wo sich noch ein
karnevalistisches Straßenleben entfaltet.

Der tolle Lärm, die schmetternde Blechmusik,
das Schreien und Jauchzen hallte bis hinauf in
die einsame Junggesellenwohnung des Herrn
Jeremias Klagetopf.

Und Herr Jeremias Klagetopf runzelte finster
die Stirn.

„Sündiges Volk!" zürnte er. Denn er war
ein sehr frommer Mann; er hielt viele er-
bauliche Vorträge in ultramontanen Vereinen,
agitirte für die Wahl klerikaler Abgeordneten
und prophezeite schreckliche Höllenstrafen für
jede harmlose Faschingsfreude. Das Volk hat
kein Recht, übermüthig zu sein, dachte er; es
soll arbeiten und beten.

Aber was half's — Herr Jeremias hatte
einige nothwendige Gänge zu besorgen, er mußte
in den Sündenpfuhl hinuntersteigen, mochte er
wollen oder nicht.

Um den „Narren" Respekt einzuflößen und
sie in gehöriger Entfernung von seiner wür-
digen Person zu halten, hüllte er sich in einen
langen, bis zum Halse geschlossenen schwarzen
Rock, den er bei seinen Missionsreden zu tragen
pflegte; er setzte einen breiten schwarzen Hut
auf und drückte denselben tief in die Stirn,
als er in den Straßenlürm hinaustrat.

Im Nu war der schwarze Manu vom
! Faschingstreiben umfluthet. Ein Harlekin gab
ihm einen Pritschenschlag auf den Rücken und
vorüberziehende, bunt kostümirte Gestalten jubel-
ten: „Ein Jesuit!" und nahmen ihn in ihre Mitte.

Das war dem frommen Klagetopf zu viel.
Er blieb stehen und donnerte seine Umgebung an:

„Ihr Narren! Schert Euch nach Hause!
Thut Buße. . .!"

„Bravo! Silentium! Der Jesuit hält eine
Predigt!" jubelten die Masken und bildeten
einen Kreis um den Schwarzen. Einige Luft-
schlangen sausten ihm um den Kopf und die
bunten Papierbänder blieben an seiner hageren
Gestalt hängen.
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