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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0038
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29BG

-L- Auin Dresdener

(§.s war ein muntrer Richtfesttag nach alter hergebrachter Sitte;

Er schloß mit fröhlichem Gelag in der Berufsgenossen Mitte,

Und als das Blut in Wallung war, da karg der Trank nicht

zugemessen,

Bot sich von selbst ein Anlaß dar, des Rechtes Schranken zu

vergessen.

Ein Streit, wie er entstehen muß, wenn rauhe Worte erst gefallen,

Und dann ein unglückfel'ger Schuß, der aufreizt durch fein

bloßes Rnallen!

Soll Unheil kommen, so geschieht'?. Ulan schritt empört und

ungeduldig

Zu einer derben Volksjustiz an dem, der dieses Schusses schuldig.

Erklärlich und verzeihlich war, was man in jähem Zorn

verbrochen,

Doch schien uns auch die Sühne klar: Gefängniß für „ver-

schied'ne Wochen",

Das aber war ein schöner Wahn — er wurde fürchterlich zu nichte,

In grausiger Beleuchtung sah'n die That des Sachsenlands

Gerichte.

So furchtbar, daß man zweifelnd stand, um an die Stirn die

Hand zu führen,

Erwies der Spruch sich, den man fand als Sühne bei ver-

schloss'nen Thüren,

DernachdervehmgerichteArtintrübsterZcitdesdeutschenReiches

Geheimnißschwüles Grauen paart mit dem vernichtenden des

Streiches.

Als ehrlich, wenn auch unbedacht, tratJederein mit offnen Blicken,

Doch ehrlos hat man sie gemacht, um in das Zuchthaus sie

zu schicken,

Und dem, der einen Gegner schlägt, weil einen Schuß er abgegeben,

Ihm wird zur Sühne ausgeprägt ein Brandmal für sein

ganzes Leben,

Ein Brandmal, das da nie vergeht, auch wenn er unter Gram

und Trauern

Die langen Jahre übersteht in engen, dumpfen Uerkermauern!

Urtheilssxruch. «s-

Das Volk ist starr. Es darf und kann nicht mit der Themis

Jüngern hadern,

Jedoch das warme Blut gerann zu Eis dabei in seinen Adern.

Und als den Gang nach Golgatha, der Ulehlthau streut auf

jedes Hoffen,

Antreten es die Armen sah, die viel zu harter Spruch getroffen,

Da schrie es auf: „Das ist zu viel! Das kann nicht sein!

wer soll das fassen?"

Und niemals war ein Uindcrspiel das Rechtsgefühl der breiten

Massen.

vor diesem schlichten Rechtsgefühl, wie vor dem Urtheil der

Geschichte

wird jenes Urtheil eisig-kühl — trotz seiner Majestät zu nichte.

Ihr fingt sie ein im Eisennetz. Doch wenn ihr tausend Gründe

brächtet —

Sie sind — nun ja! — vor dem Gesetz, doch vor dem Volke

nicht geächtet.

Das spricht: „Und mögt ihr immerhin zum Zuchthaus eure

Schritte lenken,

Ihr habt für euch des Volkes Sinn, fein heißes Fühlen und

fein Denken,

Und ob euch grimme Strafe traf, und ob auch Weib und

Rinder weinen,

Als ehrlich werdet ihr und brav dem Volke nach wie vor

erscheinen.

„Es wendet ab mit sanfter Hand das Schlimmste, was euch

widerfahren,

Es wird, wo jede Hoffnung schwand, das Liebste sorglich euch

bewahren,

Daniit, wenn einst ihr wiederkehrt, als Märtyrer im Schmuck

der Rrone,

Der Ureis der Lieben unversehrt, wie heut', in euren Hütten

wohne;

Es wird den Aermsten Vater sein mit treuem, nimmermüdem

walten,

Es wird euch in der Zuchthauspein — trotz alledem! — die

Treue halten!"

Inhalt der Rnterhaltungs-Beilage.

Zum Kalvarienberg. (Illustration.) — Ein Blick in Stumms
Zukunftsstaat. (Jllustrirt.) — Sieg des Lebens. — Podbielski.

— Verschiedene Masken. — Der habgierige Uncle Sam. (Illu-
stration.) — Ein Maskenball für die Armen. — Herr Schrempf.

— Die Ursache des Untergangs der lateinischen Nasse. (Illu-
stration.) — Anzeige, Bernsteins Streitschrift betreffend.

Hierzu eine Kunstbeilage: Lin Maskenball für
die Armen. Nach einem Gemälde von Laubadöre.

Die Empfindlichen.

Es stak des Ncichskags hohe« Hau«
Der Prästdenlen dreie.

Sir nehmen als rin Schmuck sich aus
Und geben ihm di« Weihe.

Sie wachen, dah rin Redner nie
Hervor die Zwietracht locke,

Wenn Liner Uörk dir Harmonie,

Da schwingen str die Glocke.

Gras V a l l r s! r r m der erste ist,

Gar strenge er regiere!,

Besonders wenn rin Sozialist
'ne Lippe mal risktret.

Dann schellt er in Fortisftmo
Und Alles fätzrl zusammen,

Als brenne Deutschland lichterloh,
Als stünd' dir Welk in Flamme».

Der zweite kam aus Sachsrntand,
Herr Fr ege ist'«, „NU äbrn!"

Der Glocke sucht auch seine Hand
Besonder» Schwung zu geben.

„Ein Schreckgespenst" — kaum stel dies Wort,
Da schrie er ,,Ei Hrrrjeeses!

Ich leid' es nich, dah hier am Vrt
Ditirt wird so 'was Beeses!"

Herr Schmidt ist ein kurioser Mann,

Und allen beiden über,

Wohl hat er Wastrrstiesel an,

Doch Filzpantinrn drüber.

Als Singer jüngst gedonnert hat,

Ihn Tadclswvrle traten:

„Nur leiser! Denn im Bundesrattz
Dir kleinen Aindrr schlafen!"

Der Acichslag soll kein Sündrnpsuhl
Für Leidenschasten werde»,

Er gleiche einer Töchterschul'

In Aedrn und Geberden.

Lin Muster an Gehorsam sei
Lr allen Parlamenten,

So wollen r« die biedern drei
Gestrengen Präsidenten.

Ein salomonisches Urtheil.

Der Inhaber des Privatspitzclinstituts „Thür-
horchcr" hatte gegen den Chef des Konkurrenz-
unternehmens „Schlüssellochgncker" eine Klage
wegen unlauteren Wettbewerbs angestrengt. Letz-
terer hatte nämlich in einem Inserat von sich
behauptet, daß er das „bcstunterrichtcte, zuver-
lässigste Detektivinstitut im Orte" leite, was vom
Ankläger als eine auf Täuschung des Publikums

berechnete Anpreisung bezeichnet wurde. — Vor
dem Richter suchte sich der Direktor des „Schlüssel-
lochguckers" damit zu vertheidigen, daß er so
und so viele Stubenmädchen als Zeuginnen an-
führte, die für ihn in den feinsten Familien
„unauffällige" Ueberwachungsdienste leisteten.
„Thürhorcher" machte nun seinerseits ein Heer
von Agenten namhaft, die in Volksversammlungen
als Lockspitzel zu Majestätsbeleidigungen, Exzessen
bei Streiks re. zu reizen gewußt und dann denunzirt
hätten. „Schlüssellochgucker" antwortete hierauf
erregt, daß er durch seine Kunst die Grafen A.
und Z. zu hohem Spielen verleitet und daun
unter Kuratel gebracht habe, —: ob er ihm das
nachmachen könnte? Kaltblütig nannte ihm nun
„Thürhorcher" eine Frau, deren Gatten er durch
eine in seinen Diensten arbeitende Kokotte habe
verführen lassen, um der Frau die Scheidungs-
klage zu ermöglichen... .

Hier erhob sich der Richter und sagte lächelnd:
„Meine Herren, es freut mich ungemein, zwei so
tüchtige und ehrenwerthe Männer kennen gelernt
zu haben; ich erlaube mir, Ihnen vorzuschlagen:
reichen Sie einander die Hand zur Versöhnung
und treten Sie ein in die Dienste der Polizei.
Sie werden unserer Justizpflege sicherlich zum
Heil und Segen gereichen!"
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