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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0054
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2950

Nationslliberale Hymne.

Bismarck ist todt! Mit starker Hand
Hat er beschirmt das deutsche Land
vor grimmiger Kegner Tücken,
vor Russen und Kalmücken.

Bismarck ist todt und Feinde ringsum!
Doch zittre nicht, o Publikum,

Zch sage dir als Renner:

Wir haben noch große Männer.

Wir zagen nicht, uns faßt kein Kraus,

Die großen Männer sterben nicht aus.

Das zeigt sich täglich heller —

Wir haben noch Herrn von Röller.

Wir haben ihn — Sott sei gelobt! —

Den Mägdebesieger sturmerprobt.

Den Bchrecken der Milchmamsellen!
Deutschland wird nicht zerschellen.

Justus.

Strafgesetz-Novelle.

Nach den jüngsten Schwurgerichtsurtheilen in
Deutschland scheint es an der Zeit zu sein, end-
lich mit unserem veralteten Strafrecht gründlich
aufzuräumen und einen frischen, modernen Zug
hineinzubringen. Damit der vornehmste Zweck
jeder Bestrafung: das abschreckende Beispiel, er-
reicht und zugleich jede Rückfälligkeit ausgeschlossen
werde, sollte für Verbrechen wie Majestätsbeleidi-
gung, Aufreizung zum Streik, Landfriedensbruch
als niedrigster Strafsatz die einfache Hinrichtung
eingeführt werden. Wo Milderungsgründe fehlen,
müßte auf komplizirte Hinrichtung erkannt werden,
z. B. auf Hinrichtung mit einem stumpfen Schwert,
Hinrichtung durch Freiherrn von Stumin, Hin-
richtung bei gleichzeitiger Vorlesung einer Etats-
rede Miguels u. s. w.

Bourgeois -Jnlernationalitat.

„Was sagen Sie zu dein Dresdener Schwur-
gerichtsurtheil?"

„I — ja, freilich etwas arg, — aber bedenken
Sie: Dreyfus ...."

„Daß sieben Familienväter im Zuchthaus be-
graben werden!"

„Das ist traurig, aber der arme Dreyfus
schmachtet noch imnier auf der Teufelsinsel und
seine Witwe...."

„Ein neunzehnjähriger Arbeiter auf zehn Jahre
eingemauert — ist das nicht einTodesurtheil...?!"

„Ich glaub' auch, — wenn's nur Dreyfus wird
überleben können

„Und die Richter haben in geheimer Verhand-
lung geurtheilt...."

„Na, erlauben Sie mir, ist vielleicht Dreyfus
öffentlich vor Gericht gestanden?"

„Du lieber Himmel, läßt sich denn da gar
nichts machen....!"

„O, ich hoffe doch — die Wahrheit ist auf
dem Wege — die Revision ist unaufhaltsam —
Dreyfus wird rchabilitirt werden....!"

Schlechte NualistKation.

„Weshalb wurde denn der Polizeiwachtmeister
N. plötzlich pensionirt?"

„Wegen Dienstuntauglichkeit. Der Mensch
hatte eine aufgeregte Volksmenge durch gütliches
Zureden zum Auseinandergehen bewogen, statt
hineinzuschieben."

Sächsische Justiz.

„Weshalb verhängt denn Euer Landgerichts-
präsident in letzter Zeit so furchtbare Strafen?"

„Aus Gesundheitsrücksichten. Der Arzt
hat ihm angenehme und zerstreuende Thätigkeit
empfohlen."

Der Lauf der Welt.

Wer nie im Leben krumm sich bog,

Wer nie nach Wunsch der Großen log,
Wer hinter Frau'n sich nie versteckte,

Nie hündisch sich am Boden streckte;

Wer seine Meinung frei bekannte,

Beim rechten Namen Alles nannte,

Wer nienials in Byzanz gewesen,

Der Heimath aller hohem Wesen:

Der kommt zu nichts, er gilt als Lümmel,
Verschlossen bleibt ihm selbst der Himmel;
Doch, wer im Gegentheil von Allen,

Den Großen suchte zu gefallen,

Dem ist noch stets gespendet worden,

Für seine Treu' der Kronenorden.

Zur Darnachachtung.

In Dresden erhielt ein Arbeiter ein Straf-
mandat von zwanzig Mark, weil er in einer Ver-
sammlung dem überwachenden Beamten Zigar-
renrauch ins Gesicht geblasen und dadurch
„öffentliches Aergerniß" erregt haben sollte. —
Es werden daher die Genossen ausdrücklich darauf
aufmerksam gemacht, daß es blos gestattet ist, dem
Regierungsvertreter zärtlich das Kinn zu streicheln,
aber nicht mehr!

„Es war ein pflichttreuer Beamter", stand im
Nachruf, das heißt, er erlaubte sich zeitlebens nie
eine eigene Meinung zu haben.

Viel im Beutel, nix im Schädel — Genie,
Nix im Beutel, viel in: Schädel — Rindvieh.

Willkür und Gnade sind die beiden Mühl-
steine, zwischen denen das Recht zermahlen wird.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz Nachf. (®. m. b. H.) in Stuttgart.
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