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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0060
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2956

Entwurf zu einem Deckengemälde

Wenn das Ltucksche Deckengemälde im Reichstag den obigen Anhalt gehabt hätte, dann

DemasKirt.

Der Maigesetze Geissel Vereinst ge-
schwungen war,

Schwer unter ibren Streichen beugt sieb
der Schwarzen Schaar;

Ls war so mancbem Driester der Kerker
Domizil

lllnd Kircbentürsten wurden getrieben
ins Lxtl.

Da baben die bedrängten zum Kampf
sieb autgeralkt,

Lu welchem aus dem Volke sie sogen
Siegeskraft;

Sie stickten aut ibr Lanner: „Für Mabr-
beit, Freibeit, Ikecbt!"

Mle tönten da die Morte und klangen
treu und ecbt.

Aedocb so mancher Kluge geschüttelt
bat das Daupt:

„Letrogen war noch immer, wer diesen
Füchsen glaubt.

Von jeder war die Derrscbsucbt ihr Mel,
und aut der Spur

Der Freiheit sie verfolgten der Derrscb-
sucbt Lwecke nur." —

Lu IKeden stebn die Tbaten des Len-
trums im Kontrast:

Ls kürzt des Volkes Kecbte und mehret
seine Last.

Dem Geiste webt es Schlingen, zu
hemmen seinen Flug;

Des Volkes Durst nach Mabrbeit stillt
es mit Mabn und Trug.

Mie früher siebt man wandeln in trauter
Darmonie

Die tbeuren Gottesmänner am Arm der
Despotie.

Mem Dunst nicht trübt die Micke, dem
wurde otkenbar:

Des Lentrums Frcibettsliebe nur Maske-
rade war. .

Tin Tag in der Redaktion.

Bon unserem eigenen Mark Twain.

Ich hatte gehört, daß das Redigiren von
Zeitungen eine sehr gesunde Beschäftigung sei,
weil man in diesem Fache gewöhnlich nach
kurzer Thätigkeit eine längere Ruhpause auf
Staatskosten genießen dürfe.

Eine solche Ruhepause war mir sehr nöthig,
denn ich kam eben aus dem westlichen Nord-
amerika zurück, wo ich mich bei den Büffel-
jagden allzu kühn vorgewagt hatte und von
einer Büffelheerde, welche über mich hinweg-
sauste, etwas zu kräftig massirt worden war.

Ich entschloß mich also, Redakteur zu werden,
und übernahm die Redaktion des „Löwengebrüll",
Tageblatt von Neumuftishausen, dessen früherer
Redakteur soeben wegen verleumderischer Be-
leidigung der Katze der Frau Bürgermeisterin zu
zwei Jahren Gefängniß verurtheilt worden war.

Der Verleger ermahnte mich, sehr sanft zu
schreiben und um Gottes Willen keine öffent-
lichen Uebelstände zu rügen, denn zwanzig
Redakteure des „Löwengebrüll" säßen schon im
Gefängniß, weil sie die Untugend hatten, öffent-
liche Angelegenheiten im Blatte kritisch zu be-
leuchten, was die Justiz- und Polizeibehörden
von Neumuftishausen nun einmal nicht ver-
tragen könnten.

Ich versicherte dem Verleger, daß es in allen
fünf Erdtheilen keinen sanftmüthigeren Menschen
gebe, als mich, und er nahm beruhigt den Kurs
nach seinem Frühstückslokale.

Kaum hatte ich mich am Redaktionstische
niedergelassen und das Schwert des Geistes —
die Scheere — zur Hand genommen, da erschien
ein Individuum in himmelblauer Amtstracht,
welches mir die maßlos unverschämte Zu-
muthung stellte, ich möge gestatten, daß er
Haussuchung halte nach dem Manuskript eines
Artikels, welcher in der vorigen Nummer des
„Löwengebrüll" erschienen sei.

Ich sagte dem Manne, ich hätte mein Tinten-
faß noch nöthig, da ich soeben den Leitartikel
schreiben müsse; wenn er sich aber mit dem
Kleistertopf begnügen wolle —

„Wie so?" fragte der Himmelblaue.

„So!" erwiderte ich und warf ihm mit
einer graziösen Bewegung meinen Kleistertopf an
den Schädel.

Der Mann entfernte sich mit einer im Be-
amtenleben ganz ungewöhnlichen Schnelligkeit
und ich nahm die Arbeit aus. Aber kaum hatte
ich die Ueberschrift meines Artikels „Die Hotten-
totten im Rathhause" vollendet, da wurde ich
schon wieder unterbrochen.

Ein geschniegeltes Herrchen erklärte, es habe
dringend mit dem Redakteur zu sprechen und
stellte sich als Bankdirektor Isaak Flausensohn
vor; weiter bemerkte der Flausensohn im Tone
einer gekränkten Leberwurst, die Zeitung habe
gestern mitgetheilt, er hätte sich erhängt, während
er doch, wie Figura zeige, ganz frisch und ge-
sund sei.

„Was kann das „Löwengebrüll" dafür, daß
Sie Ihr nichtsnutziges Leben um einen Tag
verlängert haben?" schnauzte ich den Beschwerde-
führer an. „Gehen Sie in die Druckerei, lassen
Sie sich einen Strick geben und besorgen Sie
das klebrige außerhalb unserer Geschäftslokali-
täten."

Der Mann nahm hierauf meine Zeit nicht
länger in Anspruch und in der sicheren Er-
wartung, daß er meinen Rath befolgen ivürde,
schrieb ich eine berichtigende Notiz, laut welcher
der gestern von uns mitgetheilte Selbstmord
des Bankdirektors Flausensohn eingetretener
Hindernisse halber erst heute Vormittag statt-
gefunden habe.

Sodann fuhr ich in der Abfassung meines
Leitartikels fort. Ich führte aus, daß die städti-
schen Kollegien eine Räuberbande seien, welche
sich widerrechtlich der Herrschaft bemächtigt habe,
denn kein einziges Mitglied sei ordnungsgemäß
nach gleichem direktem Wahlrecht gewählt. Es
folgte eine Aufzählung der im Rathhause ver-
übten Thorheiten und Krähwinkeleien, die ich
hier nicht zu schildern brauche, da derartiges
auch in anderen Rathhäusern vorkommt. Schließ-
lich empfahl ich den Einwohnern von Neu-
muftishausen, sie möchten ihre Stadtväter durch
müßige Anwendung der Prügelstrafe zur Raison
bringen.
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