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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0077
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2973

Gott fei Dank! der Zusammenbruch ist ausgeschoben!


Hobolspähnr. 'sk®-

Ich fet’re nicht am ersten Mai,

Das Unglück ist nicht arg,

Ich hol' mein Werkzeug schnell herbei
Und mache einen Sarg.

Es wird der Sarg gar groß und breit,
Kann gar nicht groß genug sein:

Ich lege die Vorurtheile der Zeit
Und die Zwietracht der Völker hinein.

Wenn es richtig ist, was die Gelehrten be-
haupten, daß der Wind einen Druck von 5'/*
Zentnern pro Quadratmeter ausübt, dann ist
es kein Wunder, daß die größten Parteien dem
Winde von Oben am ehesten erliegen.

Der Radfahrsport den Glauben schädigt,

Die Kirche zieht nicht mehr, wie schad'!

Einst hat die Ketzer man gerädert,

Jetzt fahren munter sie per Rad.

Ein schönes Zugeständniß machte der Minister v. d. Recke, indem er
sagte, daß die Sozialdemokraten ihre Flugschriften mit infernalischer Ge-
schicklichkeit abfassen. Dabei hat er wahrscheinlich an die dummen Teufel
gedacht, die die amtlichen Kundgebungen zusammenstoppeln.

Nicht nur die bunte Kuh scheut vor dem neuen Thor,

Auch bei der Staatskunst kommt's zuweilen vor.

Wir Deutsche fürchten Gott, das freie Wort, die Erinnerung an die
Märzgefallenen, König Stumms Zorn, die Sozialdemokraten, das aus-
ländische Schwein, daß uns Andere in China zuvorkommen, — aber sonst
°uf der Welt! Ihr getreuer Säge, Schreiuer.

Zum sozialdeniokratWn Zieg

Im zweiten Berliner Reicbstagswablkrcis.

Auf Eugens Rücken wird bald kein platz mehr vorhanden
sein für weitere politische Kundgebungen.

Neue Charaktere.

Der Sekretär des deutschen Bühnenvereins hat
kürzlich den Charakter als „Theater-Rath"
erhalten. Da man somit den besonderen Beruf
zu würdigen beginnt und die verdienten Leute nicht
mehr wie früher zu „Kommissionsräthen" macht,
so dürfen wir auf eine Menge neuer Auszeichnungen
gefaßt sein. So wird man wahrscheinlich einem
Freunde Miguels den Titel „Rindvieh-Rath" ver-
leihen. Ein verdienstvoller Branntweinsäufer, der
die heimische Fuselproduktion eifrig gefördert, dürfte
als „Schnaps-Rath", Graf Pückler als „Flegel-
Rath" und von Kardorff als „Konfusions-Rath"
passend ausgezeichnet werden.

Die Mauserung.

Die Mauserung, die Mauserung,

Lasst sie uns nie vergessen!

Sie bildet ja für Bit und ]ung
Stets ein getund'nes Tressen.

UJenn wir uns mausern, klopft ein 8ral
Uns auf die Schultern: „$o ist's brav!“

6s schreibt die Tinger krumm und lahm
Der Redakteur sich künftig:

„hurrah! sie werden endlich rahm,

Besonnen und vernünftig!

Sie werden endlich opportun,

Statt Mles uns rum Lori ru tbun!“

Das zitternde Philisterheer
Uergisst die ärgsten Schmerzen;
ks fallen Steine zentnerschwer
Den Aengstlichen vom Herzen.

6s stört kein Lraum voll Angst und Qual
Das Schläfchen nach dem Mittagsmahl.

Die Lampe aber scheint uns doch
Bedauerlich zu blaken;

Die Pauke hat ein grosses Loch,

Das Mausern seinen haken.

Hein Unterschied wird offenbar;

Der Aar bleibt, was er ist — ein Aar!

Zwei Momentbilder
aus dem deutschen Reichstag.

i.

Abg. Singer: „... Graf Podbielsky ver-
dient den Namen eines Despoten ..."

Vizepräsident v. Frege: „Das ist nicht
parlamentarisch..."

Abg. Singer: „Aber wahr!"

n.

v. Goßler: „Herr Bebel bringt statt That-
sachen nur Verdächtigungen vor."

Abg. Bebel: „Das ist nicht wahr!"
Vizepräsident v. Frege: „Aber parla-
mentarisch!"

Die scbambatten Studenten.

Frauenstudium gestatten
Dark man nie und nimmermehr,

Denn die Dallescben Studenten
Schämen drob sieb gar zu sehr.

Doch betrunken durch die Strassen
Schwanken beim Laterncnlicbt,

And die Frauen anzuulken, —

Darob schämen sie sieb nicht.

Ein hochherziges Geschenk.

Der Bauplatz von Löbtau soll demnächst
zwangsweise versteigert werden. Das sächsische
Amtsblatt meldet ferner, daß auch die königliche
Regierung ein Angebot beabsichtigt, um auf dem
Grundstück eventuell eine Villa für die Dres-
dener Geschworenen erbauen zu lassen.

Eine neue Sprache.

In der deutschen Presse wurde in letzter Zeit
vielfach der Ausdruck „gedelbrückt" angewendet,
womit man eine Maßregelung des freien Wortes
bezeichnen wollte. Jedenfalls würden derartige
Redewendungen eine anmuthige Bereicherung
unseres Sprachschatzes bilden und wir erlauben
uns im Folgenden eine kleine Stilprobe zu geben:

Rittergutsbesitzer N. erlebte an seinem Sohne,
der in der Residenz studirte, ivenig Freude. Der
junge Mann goßlerte' vom Vater beständig, war
im Itebern2 unermüdlich, und obwohl ihn der
Vater oft ballestremte", pücklerte" er nur leeres
Stroh. Der mißrathene Sprößling Earborfftc5
fleißig, anstatt die Universität zu besuchen. Schließ-
lich schrieb ihm der Vater, er werde ihn kollern",
sobald er sich vor seiner Thür blicken lasse, was
den Sohn derart schmidt-elberfeldtedaß er sich
nach Verhammersteinung" größerer Summen aus
Furcht vor Strafe selbst erbrüsewitzte".

Erklärungen. 1 Verlangte mehr und mehr Geld,
2 schachern, 3 zur Ordnung verweisen, 4 dreschen, 6 den Klub
der Harmlosen besuchen, 6 hinauswerfen, 7 niederduckte,
8 Unterschlagung, 9 erstach.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz Rachf. (G. m. b. H.) in Stuttgart.
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