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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0087
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2984

Neue Pfingsten. ^

§eht ihr's züngeln hoch zu tzäupten?
Sonnen flammen durch die Luft.

Brünstig steigt aus thanbestäubten
Rosenkelchen weihrauchduft.

Und ein Säuseln kommt von Westen,
Schwillt und schwillt ohn' Lnd' und Ziel;
In den flimmergrünen Resten
Klingt ein brausend Orgelspiel.

wie vor zweimal tausend Jahren
Kommt in Gluth und Sturmgebraus
tzimmelher der Geist gefahren,

Und es wankt das Lrdenhaus.

Knirschen- schau'n das neue Pfingsten
Die Gewaltigen -er Zeit;

Doch wir Aermsten und Geringsten
Preisen seine Herrlichkeit!

Gb sie höhnen uns und lästern,
Sprachgewaltig thut -er Mund
Allen Brüdern, allen Schwestern
Unser heimlich Hoffen kund
von der langen Mühsal Lnde,
von -er Zukunft schönem Reich,
von der großen Zeitenwende,

Da -er Mensch dem Menschen gleich.

Da dem Simson -es Jahrhunderts
Plötzlich wächst das Heldenhaar
Und — mit stierem Blick bewundert's
Der Philister bleiche Schaar —

Lachen- jetzt -er junge Riese
Die verhaßten Ketten sprengt
Und das Thor zum Paradiese
Spielend aus den Angeln hängt!

Also tönt durch alle Gauen
Unsrer Sehnsucht heil'ger Sang.

Tausend Männer, tausend Frauen
Lauschen rings dem holden Klang;

Und die Alten und die Jungen,

Trunken wie von süßem wein,

Stimmen laut mit fremden Zungen
In den großen Jubel ein:

wie vor zweimal tausend Jahren
Kam in Gluth und Sturmgebraus
Himnrelher -er Geist gefahren,

Und es wankt das Lrdenhaus.

Knirschend schau'n das neue Pfingsten
Die Gewaltigen -er Zeit,

Doch wir Aermsten und Geringsten
Preisen seine Herrlichkeit! Tarub,

Inhalt der Unlerhallungs-Beilage.

Frieden und Zäsarenthum. Gedicht von Robert Seidel.
— Ein Traum. Von A. Attenhofer. — Gedankenbalken. —
Epigramme und Sprüche. — Ein Herz, das zersprungen! Ge-
dicht von Arno Holz. (Jllustrirt.) — Standesbewußtsein.
(Illustration.) — Wenzel. Eine Episode aus der Maifeier.
(Jllustrirt.) — Aus der Reichshauptstadt. (Illustration.) —
Die Verteidigung eines Berliner Weißbierwirths in Kiau-
tschau bei einem chinesischen Ueberfall. (Jllustrirt.) — Neues
vom Büchermarkt. — Anzeigen.

Außerdem liegt dieser Nummer bei: Kunde von
Nirgendwo. 5. Bogen.

Neue Scharfmacher.

O Bönig Blumm, v LIinckowflröm,

O Mirbach ! Ihr rdlen Gestalten,

Ihr habt für eure Scharfmachrrri
Einen schönen Zuwachs erhallen.

Es lebt ein Ordrnsfchwestrrlrin,

Ein frommes, Dsrola mil Namen,

Das hak fo zarle Nerven nicht,

Wie and're fromme Damen.

Mr Prügelstrafe schwärmt sie, wir ihr,

Und praktisch übt sie durch Hiebe
An armen Lindern im Waisenhaus
Ihre christliche Nächstenliebe.

Dann komm! rin Verlrrlrr der Wistenfchaft,
Professor Bergmann heißt er,

Der gleicht der Larola an Schneidigkeit,
Den wuchtigen Lnültrt preist er.

Er kann in der blutigen Prügrltortur
Nichts Tadelnswerlhrs erblicken,

Er meint, für die Binder der Armen wird
Bich solche „Erziehung" wohl schicken.

O Bönig Stumm, o Blinckowflröm,

Ihr edlen Verehrer der Bnule,

In euren Bund nehmt den Bergmann auf,
Und Schwester Barola, dir gute.

Beamten-Vereine.

Im „Reichsanzeiger" ist ein Ufas erschienen,
nach dem die Beamten keinem Verein angchören
dürfen, welcher eine „staatliche Fürsorge ertrotzt",
eine „unzulässige Sprache führt" oder welcher
„den Schein erweckt, als ob er unbewußt auf
Wegen sich befände, die zu schweren Schäden für
Staat und Beamte führen könnten".

Damit die Beamten nun auch den Schein
der unbewußten Illoyalität vermeiden, sollten
z. B. die Briefträger einen Rennverein bil-
den, welcher sich die Aufgabe setzt, bei der Brief-
bestellung Wettrennen zu veranstalten. Es wird
sich hier die schnelle Pflichterfüllung mit einer
gesunden Leibesübung harmonisch verbinden lassen.

Die Gendarmen sollten sich in Scheiben-
schützenvereinen zusammenfinden, woselbst
hauptsächlich nach Kniescheiben und Schienen-
beinen geschossen wird.

Die Geheimspitzel und Nichtgentlemen
sollten Bomben-Lawn-Tennies gründen, um
ungefährliche Bomben mit derjenigen Würde und
Geschicklichkeit werfen zu lernen, die von einer
Stütze des Staates verlangt werden muß.

Den Gerichtsvollziehern wäre zu em-
pfehlen, daß sie Jagdgesellschaften gründen,
zur Veranstaltung von Treibjagden auf unsichere
Schuldner. Dabei könnten sie sich in der Verfolgung
der Fährte des Wildes und in der Aufspürung
der Gasthäuser üben, wo dasselbe „wechselt".

Die Diätare der amtlichen Bureaus dürften
sich ani zweckmäßigsten zu einem Klub für Ent-
fettungskuren vereinigen, um durch zweck-
mäßiges Fasten sich vor Fettleibigkeit zu sichern.

Die höheren Beamten, welche mit den
höchsten Herrschaften verkehren müssen, thun sich
am besten zu einem Schlangenmenschenklub
zusammen. Dort lernen sie die nothwendigen
Krümmungen des Rückens, das Rutschen auf
dem Bauche, das Stehen auf dem Kopfe, kurz,
jene Geschmeidigkeit, die dem guten Beamten

im Verkehr mit den oberen Regionen unerläß-
lich ist.

Die Gefängnißbeamten werden gut thun,
sich einem Leseverein anzuschließen, wo das
Lesen von Linsen und Erbsen sportsmäßig be-
trieben wird, damit sie den in ihre Behandlung
gerathenden Redakteuren Unterricht in dieser nütz-
lichen Beschäftigung geben können.

So wird jeder Beamte in seiner berufsmäßigen
Thätigkeit eine Quelle von Vergnügungen finden
und niemals dem schrecklichen Laster der Unzu-
friedenheit verfallen, welches auch den tugend-
haftesten Beamten direkt ins Verderben führt.

Lex Lirons.

Die deutsche Wissenschaft ist frei.

Und frei ist ihre Lehre —

So steht es in der Uerfassung klar,

Dem Deutschen Reich zur Ehre.

Besonders das Recht auf Philosophie
Ist niemand zu bestreiten —

€s philosophirten mit Vorliebe ja
Die Deutschen aller Zeiten.

Dur eine einzige Ausnahme war
nachträglich zu votiren:

Der Doktor Arons in Berlin
Darf nicht mehr pbilosophiren.

Böse Anzeichen.

Hinz: In der Friedenskonferenz sollen ver-
schiedene Mächte schon ein Haar gefunden haben.

Kunz: Sogar einen Stengel.

Auslegung.

„Das Volk der Denker" nennen sich die Deut-
schen. Ganz recht. Aber sie sollten auch mal
an etwas anderes denken, als an koloniale Bla-
magen, Liebesgaben für die Agrarier und Zucht-
hausstrafen gegen streikende Arbeiter...!
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