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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung: Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0098
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UirterhaMmgr -^eilaae

t>es wahren Jacob

Gegensätze.

Der Junker spricht:

Ich bin der L)err von Linke-Lanke,

Bin Gutsherr, bin's auf Pinke-Pauke,
Ich pirsche, schäkre, schmause, trinke
Des Bauern gedenken? Rein Gedanke!
Bin Gutsherr ja auf pinke-panke,

Ich, Herr von Linke-Lanke.

Mein stolz' Geschlecht, die Linke-Lanke,
Sitzt tausend Jahr auf pinke-panke.
wir halten in der Jaust die Rlinke,
Das Bauernvolk in unsrer Pranke,
wir Edelleut' aus pinke-panke,
wir Herrn von Linke-Lanke.

Einer aus dem Volke spricht:

wir sind das Volk, das flinke, franke,

And mahnen Herrn von Linke-Lanke,

Daß schon als Schwert die Senfe blinke.
Die neue Zeit ruft in die Schranke
Die Jrohnherrn all auf pink' und panke,
Die Herrn von Link' und Lanke.

wenn einst der Bau'r, o Linke-Lanke,

Sich heiß erhebt auf pinke-panke,

Ohn' Rast, bis daß der Sieg ihm Winke,
Ohn' Furcht, bis daß der Boden wanke,
wo bleibt ihr dann sammt pink' und panke,
Ihr Herrn von Link' und Lanke?

Schnitzel. -Vv

Die heutige „gute" Gesellschaft, dieses zier-
liche Fräulein mit dem gefrorenen Lächeln, hat
immer zwei Begleiter neben sich: sie selbst spa-
ziert müde in der Mitte als Jungfer Lange-
weile; rechts aber tänzelt Satan Genuß, links
trottet Teufelin Ueberkultur mit ihr die Straße
entlang — bleich das Fräulein, girrend der
Satan, gähnend die Tenfelin.

Ueberzengungen aus Wachs, Tugenden auf
Polsterkissen, Borurtheile aus Erz — das ist
das Seeleninventarium der vornehmen Welt
von heute. »

Wenn der Herr Leutnant sein stolzestes Wort
spricht, dann sagt er mit Betonung: „Ich diene!"
Kann man bedientenhafter denken? Selbst By-
zanz hätte ihn ausgespikn vor Uebelkeit. Aber
dem heutigen Deutschland liegt er nicht schwer
im Magen — durchaus nicht — ganz im G eg eu-
ch eil!

Ihr klagt über die Entsittlichung der Massen?
Fördert die Gleichheit der Existenzbedingungen
— und ihr werdet Wind bringen in die Segel
der öffentlichen Sittlichkeit.

In der Politik giebt es nur einen Weg zur
Gerechtigkeit — den der Freiheit.

Besitz und Bildung sollten uns sein wie ein
Gastmahl, dessen Freuden wachsen mit der Zahl
Derer, die an ihm Theil nehmen.

Der Reiche predigt dem Armen immer und
immer Entsagung — weil er immer und immer
satt ist.

* * * Getreu bis Wir Schaffst. * * *

öriue Äpisode aus dem Leben Nobespierres.

erkauft, sie gleich hundert
anderen Schlössern zer-
stört und die Steine ver-
schachert.

Im Jahre 1779 aber,
die Zeit, in welcher unsere
Erzählung beginnt, thronte
das mächtige Schloß Ve-
raultier noch in alter
Feudalherrlichkeit und ge-
währte seinem Besitzer
einen bequemen Wohnsitz.
Die Familie der Grafen
von Lozanges, ursprünglich
dem höheren Adel Süd-
frankreichs angehörend,
war ein herabgekommenes
Geschlecht. Kostspieliger
Luxus und hohes Spiel am
Hofe Ludwig XIV. hatten
die Erbgüter der Lozanges
an der Garonue gefressen; mehrere schöne Güter
waren bei dem Lawschen Aktienspiel verloren
worden und so war der einst so reichen und
mächtigen Familie nichts geblieben als das Gut
Veraultier und ein altes Haus im Faubourg
St. Germain. Doch zum Glück für die ver-
armten Grafen brauchte der allerchristlichste
König von Frankreich damals noch einige
hundert Funktionäre, die nichts zu sein und
nichts zu wissen brauchten, wenn sie nur von
Adel waren.

Der Graf Louis von Lozanges war dreißig
Jahre hindurch erster Edelmann der Kammer-
Ludwig XV. gewesen, dann hatten ihn Podagra
und andere Leiden unfähig gemacht, diesem wich-
tigen Amte länger vorzustehen, und im Jahre
1779 saß der alte Edelmann mürrisch und ver-

I.

twa zehn französische Meilen
von Arras lag auf einem
ziemlich unbedeutenden Hügel, der indeß die um-
liegende Ebene weithin beherrschte, das Schloß
Veraultier, nach welchem sich die Besitzer, die
Grafen von Lozanges, auch Vidames von
Veraultier schrieben.

Dieses Schloß wurde während der franzö-
sischen Revolution Nationaleigenthum und als
1814 der letzte Graf von Lozanges aus zwanzig-
jährigem Exil ins Vaterland heimkehrte, da
fand er keinen Stein mehr von der Burg seiner
Väter; die unter dem Namen der Cancle noir
(schwarze Bande) bekannte Speknlantengesell-
schaft hatte die stolze Ritterburg von der Nation

Beilage zum „wahren Jacob" Nr. 335», J899.
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