2996 .
dricßlich auf dem Schlosse und plagte durch
seine Launen seine Dienerschaft, besonders aber
seine schöne Tochter, die siebzehnjährige Gräfin
Henriette, die seine an Entbehrungen reiche Ein-
samkeit theilte, während sein Sohn die letzten
Reste des ahnherrlichen Vermögens „bei Hofe
und in der Stadt" verpraßte oder verspielte.
Der Herbststurm sauste draußen um das
Schloß, drinnen fluchte der alte Graf über sein
Podagra, das ihn im Sessel festhielt, warf zum
dritten Male heute die Würfel und Karten fort
und wünschte den Abbe zum Teufel, mit dem
er spielte — zum Zeitvertreib, denn Geld hatte
heute weder der Graf noch sein Gesellschafter,
der alte Abbe, der den Wetterableiter für des
gnädigen Herrn üble Laune machen mußte, wenn
die junge Gräfin just nicht zugegen war.
Die Karten lagen am Boden,
die kahlen Wände der Halle er-
dröhnten von Flüchen, der Graf
mit seinem verlebten Gesicht
stampfte zornig seine Krücke auf
den Boden und der alte, lange,
dürre Abbe stand mit dem de-
müthigsten Schafsgesicht von der
Welt vor seinem gnädigen oder
vielmehr ungnädigen Gebieter,
als sich die Thür öffnete und
ein derber, gesunder Bauern-
bursch, der mit einer alten ver-
schossenen Livree schäbig genug
bekleidet war, hereintrat.
„Tausend Donner!" schrie
der grimmige Schloßherr ihm
entgegen. „Was willst Du,
Bestie?"
Der Diener mochte seines
Herrn Weise kennen, er nahm
den Ehrentitel ohne große Ver-
wunderung hin und sagte mit
einer linkischen Verbeugung: „Er
ist gekommen, gnädiger Herr,
von Paris, Herr Maximilian!"
. Eine Art von Freude zuckte
über die verfallenen Züge des
Grafen, „er soll kommen, gleich,
hörst Du, Tölpel, gleich!"
Der Lakai verschwand und
eine Minute später trat ein
Herr ins Zimmer, der sich,
zierlich nach damaliger Sitte,
zwei Mal vor dem Grafen,
ein Mal vor dem Abbe verneigte.
Herr Maximilian war klein, aber zierlich
gebaut, sein Gesicht war häßlich, aber interessant,
sein Gesicht war eisig kalt und. lauernd, seine
Kleidung elegant und nett.
„Nun, bringst Du Geld?" rief ihm der Graf
statt des Grußes zu, doch ehe Maximilian ant-
worten konnte, öffnete sich die Thür wieder und
die junge Gräfin Henriette trat ins Zimmer.
„Willkommen in Veraultier, Maximilian,
ich habe Dich lange erwartet, hast Du mir neue
Bücher mitgebracht?"
„Tausend Donner!" zürnte der Graf, „still,
Henriette, hierher, Maximilian!"
Aber Maximilian hatte sich schon zur Gräfin
gewendet — er stand einen Moment in sicht-
licher Bewunderung vor der kleinen, elfenhaft
zarten Gestalt, sein kalter Blick wurde beinahe
feurig, als er das schöne Mädchen betrachtete,
das mit dem leichten Puder auf dem schwarzen
Haar, mit den dunklen, lebensprühenden Augen
und den raschen, graziösen Bewegungen gewiß
ein seltsam anziehendes Gegenbild zu ihrem
hinfälligen Vater war.
Maximilian küßte die kleine, weiße Hand
der Dame und sagte mit rauher Stimme, die
er vergeblich zu mildern suchte: „Sie sollen mit
mir zufrieden sein, schöne Gräfin!"
„Maximilian!" schrie der Graf wieder.
»Zu Ihren Diensten, Herr Graf!" ant-
wortete der also Angerufene, „hier sind hundert
Louis", er legte eine Geldrolle auf den Spiel-
tisch vor dem Grafen, „und hier ist eine Quittung
von Ihrem Herrn Sohn, über dreihundert Louis,
die er mir am Tage vor meiner Abreise von
Paris fast mit Gewalt abgenommen hat!"
Der Graf nahm die Geldrolle hastig zu sich
und warf die Quittung unter den Tisch, sein
Gesicht war finsterer noch als zuvor, aber er
fluchte nicht, den» so schlimm er aller Welt und
seiner Tochter am meisten mitzuspielen pflegte,
gegen seinen Sohn erlaubte er sich auch in
dessen Abwesenheit nie ein hartes Wort; leise
nur murmelte er: „Wie weit sollen nun diese
hundert Louis reichen?"
„Maximilian, Du bist nicht reich genug für eine arme Gräfin.'
Auch das heitere Gesicht der jungen Gräfin
wurde trüb. „Sie versprachen mir fünfzig Louis
I für meine Garderobe, Papa"', sagte sie kleinlaut,
„ich werde nun wieder warten müssen?"
Maximilian sah schnell hinüber zu dem
schönen Mädchen und mit einer neuen Ver-
beugung gegen den Grafen fragte er: „Darf
ich mir einen Vorschlag erlauben, Monsigneur?"
„Was willst Du?" lautete die barsche Gegen-
frage.
„Der Herr Graf ist für die Garderobe von
Mademoiselle einer kleinen Summe benöthigt,
ich habe einige fette Prozesse gehabt, würden
der Herr Graf tausend Francs von mir an-
nehmen?"
Der Graf und seine Tochter sahen den
jungen Advokaten verwundert an und dieser
fuhr fort: „Ich kann dadurch nur einen Theil
meiner Schuld abtragen, Monsieur haben mich
erziehen lassen, haben mich in ein College ge-
bracht, haben mich empfohlen, geben mir noch
heute freie Wohnung in Ihrem Hause in Paris,
also —"
„Aber dafür machst Du ja den Hausmeister,
den Zimmervermiether, den Kommissionär", ließ
das Rechtsgefühl die junge Gräfin rufen.
„Still, Henriette!" unterbrach sie der Graf
mit funkelnden Augen, dann sagte er, durch
und durch egoistisch wie alle jene Zöglinge
der Regentschaft, „gieb die tausend Francs,
Maxinnlian, es ist gut, daß Du sie mitgebracht
hast, es ist wahr, Du verdankst mir Alles, was
Du bist, vergiß das nie!"
Der Advokat gab das Geld, der seltsame
Dank des vornehmen Herrn verletzte ihn nicht,
denn er sah, daß der Graf seiner Tochter
Henriette, freilich mürrisch genug, fünfzig Louis
auszahlte und daß sich das arme Fräulein
mit dieser Summe, fröhlich, wie ein Kind,
entfernte.
„Arrangiren Sie den Spieltisch, Abbe",
kommandirte der Graf, „Du kannst gehen,
Maximilian, und morgen nach meinen Auf-
trägen für Paris fragen!"
Der Graf nickte vornehm, der Advokat ver-
beugte sich höflich, aber nicht demüthig, und
ging.
Draußen vor der Thür stand die junge
Gräfin, sie faßte die Hand des Advokaten, und
diesem lief ein Schauer der Lust bei der Be-
rührung über den Leib. „Komm' mit, ich habe
mit Dir zu reden!"
Der Advokat folgte dem schönen
Mädchen und bald saß er in
einem elegant möblirten Thurm-
gemach ihr gegenüber.
„Maximilian", begann
das lebhafte Fräulein,
„Du weißt, ich bin
von je offen gegen
Dich gewesen. Du bist
;.)J ' mehr mein Bruder ge-
' wesen als der lieder-
, ,r<^ liche Sohn meines
Vaters, ich habe
außer Dir keinen
Freund auf der Welt:
^ ^ ich bitte Dich, Maxi-
milian, bleibe mein
Freund!"
„Gewiß, gewiß!"
stotterte der Advokat.
Die junge Gräfin schüt-
telte mit dem Kopfe. „Du
bist auf dem Wege, meine
Freundschaft zu verlieren!"
Wirklich erschrocken schaute der junge
Mann auf.
„Du bist in mich verliebt, Maximilian",
fuhr die Dame fort, „Du gabst dem Grafen
Dein Geld, nur damit ich meine fünfzig Louis
bekommen sollte, Du zittertest, als meine Hand
vorhin die deinige berührte. Maximilian, sei
kein Thor, Du bist nicht Edelmann, und selbst
wenn Du Edelmann wärest, so bist Du doch
nicht reich genug für eine arme Gräfin; laß
also von diesen Thorheiten und bleibe mein
Freund, wie Du gewesen bist, so lange ich mich
erinnern kann".
Maximilian stand auf, sein bleiches Antlitz
war dunkelroth, heftig schritt er zwei, drei
Mal durch das kleine Gemach, endlich stellte
er sich wieder vor das junge Mädchen, das
nicht einen Augenblick seine Ruhe verloren.
„Henriette", sprach er und seine Stimme war
rauher und heiserer denn vorher, „Henriette,
ich will Dein Freund sein, fort mit der Thor-
heit, hier meine Hand!"
Die Gräfin legte ihre Hand in die seinige.
„Sie zittert nicht mehr!" sagte er be-
deutungsvoll, „und nun — Dein Freund redet
offen, hier sind noch zweitausend Francs, eine
Gräfin muß Geld haben, Henriette!"
„Jetzt kann ich ein Darlehen von Dir an-
nehmen, Maximilian, obwohl ich nicht weiß,
wie und wann ich Dir's zurückzahlen soll!"
dricßlich auf dem Schlosse und plagte durch
seine Launen seine Dienerschaft, besonders aber
seine schöne Tochter, die siebzehnjährige Gräfin
Henriette, die seine an Entbehrungen reiche Ein-
samkeit theilte, während sein Sohn die letzten
Reste des ahnherrlichen Vermögens „bei Hofe
und in der Stadt" verpraßte oder verspielte.
Der Herbststurm sauste draußen um das
Schloß, drinnen fluchte der alte Graf über sein
Podagra, das ihn im Sessel festhielt, warf zum
dritten Male heute die Würfel und Karten fort
und wünschte den Abbe zum Teufel, mit dem
er spielte — zum Zeitvertreib, denn Geld hatte
heute weder der Graf noch sein Gesellschafter,
der alte Abbe, der den Wetterableiter für des
gnädigen Herrn üble Laune machen mußte, wenn
die junge Gräfin just nicht zugegen war.
Die Karten lagen am Boden,
die kahlen Wände der Halle er-
dröhnten von Flüchen, der Graf
mit seinem verlebten Gesicht
stampfte zornig seine Krücke auf
den Boden und der alte, lange,
dürre Abbe stand mit dem de-
müthigsten Schafsgesicht von der
Welt vor seinem gnädigen oder
vielmehr ungnädigen Gebieter,
als sich die Thür öffnete und
ein derber, gesunder Bauern-
bursch, der mit einer alten ver-
schossenen Livree schäbig genug
bekleidet war, hereintrat.
„Tausend Donner!" schrie
der grimmige Schloßherr ihm
entgegen. „Was willst Du,
Bestie?"
Der Diener mochte seines
Herrn Weise kennen, er nahm
den Ehrentitel ohne große Ver-
wunderung hin und sagte mit
einer linkischen Verbeugung: „Er
ist gekommen, gnädiger Herr,
von Paris, Herr Maximilian!"
. Eine Art von Freude zuckte
über die verfallenen Züge des
Grafen, „er soll kommen, gleich,
hörst Du, Tölpel, gleich!"
Der Lakai verschwand und
eine Minute später trat ein
Herr ins Zimmer, der sich,
zierlich nach damaliger Sitte,
zwei Mal vor dem Grafen,
ein Mal vor dem Abbe verneigte.
Herr Maximilian war klein, aber zierlich
gebaut, sein Gesicht war häßlich, aber interessant,
sein Gesicht war eisig kalt und. lauernd, seine
Kleidung elegant und nett.
„Nun, bringst Du Geld?" rief ihm der Graf
statt des Grußes zu, doch ehe Maximilian ant-
worten konnte, öffnete sich die Thür wieder und
die junge Gräfin Henriette trat ins Zimmer.
„Willkommen in Veraultier, Maximilian,
ich habe Dich lange erwartet, hast Du mir neue
Bücher mitgebracht?"
„Tausend Donner!" zürnte der Graf, „still,
Henriette, hierher, Maximilian!"
Aber Maximilian hatte sich schon zur Gräfin
gewendet — er stand einen Moment in sicht-
licher Bewunderung vor der kleinen, elfenhaft
zarten Gestalt, sein kalter Blick wurde beinahe
feurig, als er das schöne Mädchen betrachtete,
das mit dem leichten Puder auf dem schwarzen
Haar, mit den dunklen, lebensprühenden Augen
und den raschen, graziösen Bewegungen gewiß
ein seltsam anziehendes Gegenbild zu ihrem
hinfälligen Vater war.
Maximilian küßte die kleine, weiße Hand
der Dame und sagte mit rauher Stimme, die
er vergeblich zu mildern suchte: „Sie sollen mit
mir zufrieden sein, schöne Gräfin!"
„Maximilian!" schrie der Graf wieder.
»Zu Ihren Diensten, Herr Graf!" ant-
wortete der also Angerufene, „hier sind hundert
Louis", er legte eine Geldrolle auf den Spiel-
tisch vor dem Grafen, „und hier ist eine Quittung
von Ihrem Herrn Sohn, über dreihundert Louis,
die er mir am Tage vor meiner Abreise von
Paris fast mit Gewalt abgenommen hat!"
Der Graf nahm die Geldrolle hastig zu sich
und warf die Quittung unter den Tisch, sein
Gesicht war finsterer noch als zuvor, aber er
fluchte nicht, den» so schlimm er aller Welt und
seiner Tochter am meisten mitzuspielen pflegte,
gegen seinen Sohn erlaubte er sich auch in
dessen Abwesenheit nie ein hartes Wort; leise
nur murmelte er: „Wie weit sollen nun diese
hundert Louis reichen?"
„Maximilian, Du bist nicht reich genug für eine arme Gräfin.'
Auch das heitere Gesicht der jungen Gräfin
wurde trüb. „Sie versprachen mir fünfzig Louis
I für meine Garderobe, Papa"', sagte sie kleinlaut,
„ich werde nun wieder warten müssen?"
Maximilian sah schnell hinüber zu dem
schönen Mädchen und mit einer neuen Ver-
beugung gegen den Grafen fragte er: „Darf
ich mir einen Vorschlag erlauben, Monsigneur?"
„Was willst Du?" lautete die barsche Gegen-
frage.
„Der Herr Graf ist für die Garderobe von
Mademoiselle einer kleinen Summe benöthigt,
ich habe einige fette Prozesse gehabt, würden
der Herr Graf tausend Francs von mir an-
nehmen?"
Der Graf und seine Tochter sahen den
jungen Advokaten verwundert an und dieser
fuhr fort: „Ich kann dadurch nur einen Theil
meiner Schuld abtragen, Monsieur haben mich
erziehen lassen, haben mich in ein College ge-
bracht, haben mich empfohlen, geben mir noch
heute freie Wohnung in Ihrem Hause in Paris,
also —"
„Aber dafür machst Du ja den Hausmeister,
den Zimmervermiether, den Kommissionär", ließ
das Rechtsgefühl die junge Gräfin rufen.
„Still, Henriette!" unterbrach sie der Graf
mit funkelnden Augen, dann sagte er, durch
und durch egoistisch wie alle jene Zöglinge
der Regentschaft, „gieb die tausend Francs,
Maxinnlian, es ist gut, daß Du sie mitgebracht
hast, es ist wahr, Du verdankst mir Alles, was
Du bist, vergiß das nie!"
Der Advokat gab das Geld, der seltsame
Dank des vornehmen Herrn verletzte ihn nicht,
denn er sah, daß der Graf seiner Tochter
Henriette, freilich mürrisch genug, fünfzig Louis
auszahlte und daß sich das arme Fräulein
mit dieser Summe, fröhlich, wie ein Kind,
entfernte.
„Arrangiren Sie den Spieltisch, Abbe",
kommandirte der Graf, „Du kannst gehen,
Maximilian, und morgen nach meinen Auf-
trägen für Paris fragen!"
Der Graf nickte vornehm, der Advokat ver-
beugte sich höflich, aber nicht demüthig, und
ging.
Draußen vor der Thür stand die junge
Gräfin, sie faßte die Hand des Advokaten, und
diesem lief ein Schauer der Lust bei der Be-
rührung über den Leib. „Komm' mit, ich habe
mit Dir zu reden!"
Der Advokat folgte dem schönen
Mädchen und bald saß er in
einem elegant möblirten Thurm-
gemach ihr gegenüber.
„Maximilian", begann
das lebhafte Fräulein,
„Du weißt, ich bin
von je offen gegen
Dich gewesen. Du bist
;.)J ' mehr mein Bruder ge-
' wesen als der lieder-
, ,r<^ liche Sohn meines
Vaters, ich habe
außer Dir keinen
Freund auf der Welt:
^ ^ ich bitte Dich, Maxi-
milian, bleibe mein
Freund!"
„Gewiß, gewiß!"
stotterte der Advokat.
Die junge Gräfin schüt-
telte mit dem Kopfe. „Du
bist auf dem Wege, meine
Freundschaft zu verlieren!"
Wirklich erschrocken schaute der junge
Mann auf.
„Du bist in mich verliebt, Maximilian",
fuhr die Dame fort, „Du gabst dem Grafen
Dein Geld, nur damit ich meine fünfzig Louis
bekommen sollte, Du zittertest, als meine Hand
vorhin die deinige berührte. Maximilian, sei
kein Thor, Du bist nicht Edelmann, und selbst
wenn Du Edelmann wärest, so bist Du doch
nicht reich genug für eine arme Gräfin; laß
also von diesen Thorheiten und bleibe mein
Freund, wie Du gewesen bist, so lange ich mich
erinnern kann".
Maximilian stand auf, sein bleiches Antlitz
war dunkelroth, heftig schritt er zwei, drei
Mal durch das kleine Gemach, endlich stellte
er sich wieder vor das junge Mädchen, das
nicht einen Augenblick seine Ruhe verloren.
„Henriette", sprach er und seine Stimme war
rauher und heiserer denn vorher, „Henriette,
ich will Dein Freund sein, fort mit der Thor-
heit, hier meine Hand!"
Die Gräfin legte ihre Hand in die seinige.
„Sie zittert nicht mehr!" sagte er be-
deutungsvoll, „und nun — Dein Freund redet
offen, hier sind noch zweitausend Francs, eine
Gräfin muß Geld haben, Henriette!"
„Jetzt kann ich ein Darlehen von Dir an-
nehmen, Maximilian, obwohl ich nicht weiß,
wie und wann ich Dir's zurückzahlen soll!"