——. 3002 .—.-
Iüustrirler Aeichslagsberichl.
Die Leutenoth.
Die Leutenoth, die Leutenoth,
verursacht Kopfweh den Geheimen Rathen.
Man hat doch Wangen frisch und roth,
Lin leichtes und gewisses Brot
Und trotzdem zieht man nach den Städten?
Sind sie besessen denn vom Bösen?
wer will uns dieses Räthsel lösen?
Dies psychologische Problem
Ist ein Bouquet der allerschwersten Fragen.
Die Leute leben so bequem,
So ländlich und so angenehm,
Sie hören früh die Wachteln schlagen;
Sie sehen aus des Gutsherrn wiesen
Die Frühlingsblümlein gratis sprießen.
Sie haben fast in jedem Fall,
(Dies widerlegen wollen wär' vergebens),
Am Hause einen Schweinestall,
Drin freut mit Formen feist und prall
Lin Schwein sich grunzend seines Lebens.
Das wird sich, wenn sie's nicht verhandeln,
In SxeÄ und Schinken einst verwandeln.
Der unzufried'ne, faule Schuft
Rann davon täglich schmausen wie ein Prasser;
Lr hat umsonst die beste Luft,
Des Düngerhaufens kräft'gen Duft
Und reines und gesundes Wasser.
Und hat er je an etwas Mangel,
So ift's der städt'sche Tingeltangel.
Daß man ihm, wenn er was versieht
Und müssig lungert, spielend einen kleinen
pikanten Jagdhieb überzieht,
was auch nicht jeden Tag geschieht,
Ist er gewöhnt von Rindesbeinen.
Ihm ist vertraut des Gutsherrn Fluchen --
was hat er in der Stadt zu suchen?
Daß er, verblendet und verdreht
Aus reinem Uebermuth mit Weib und Rindern
Im Bann der Großstadt untergeht,
Die er nicht, die nicht ihn versteht,
Das muß gesetzlich man verhindern.
Die Leutenoth wird erst verschwinden,
wenn wir sie an die Scholle binden!
Wie das Märchen von der Mauserung
entstand.
In dem Lande eines indischen Rajahs lieh
sich einmal der berühmte, riesenhafte Vogel Rockh
sehen, an Pracht seines Gefieders deni Paradies-
vogel vergleichbar, der aber bald dem fürstlichen
Hofe unheimlich wurde. Denn seine feurig rothen
Federn brannten den Leuten in die Augen und
blendeten sie so schmerzhaft, als ob sie unver-
muthet aus hem dicksten Dunkel in die blitzendste
Sonne versetzt worden wären. Und gar seine
Stimme! Sie lag ihnen wie das häßlichste Ge-
krächze in den Ohren und weissagte fortwährend
Verderben. Sie warnte sie vor den armen Parias,
der geknechteten Klasse des Landes, die in harter
Frohn ihr Leben hinschlcppcn mußte, und ricth
ihnen eindringlich, auch die Elenden an den
Schätzen der Erde theilnehmen zn lassen.
Mit der Zeit aber rührte sich doch das Ge-
wissen bei den Mächtigen des Hofes. Aengstlich
gemacht und bemüht, sich und die anderen zu;
beruhigen, schlichen einige der Weisesten an den I
Vogel heran und rupften ihni vorsichtig hier und
dort ein Federchen aus, um damit Reform-
vorschläge zu Gunsten der Parias niederzu-
schreiben. Das nannten sie Sozialpolitik. Nach
jedem derartigen Diebstahl aber frohlockten die
Weisen:
„Seht, wie er sich mausert, der fürchterliche
Rockh! Bald wird er ganz kahl sein!"
Die Acrmsten! In ihrer Täuschung bemerkten
sie nicht, daß dem Vogel für jede ausgernpftc
Feder zehn nachwuchsen und die Schwingen eine
Größe annahmen, die bald das ganze Land be-
decken sollte. m. e.
Zweierlei Saat.
Man prügelt jetzt lustig im Deutschen Reich,
CUer wird die Methode nicht preisen?
Die Neger und Sträflinge windelweich,
Die mutterlosen Waisen;
UJas noch nicht von der Kultur beleckt,
Was krankt an einem IDoraldefekt:
Uon Kamerun bis Danzig
Rieht man ihm „fünfundzwanzig“!
Doch wie ein gutes Wort, gesä’t
ln böser Menschen Herzen,
In hundertfältiger 5rud)t aufgeht
Und nicht mehr auszumerzen:
So trägt der Hass auch reichen trieb,
So werden für jeden Peitschenhieb
Den Peinigern, die sich mühen,
Einst hundert Schläge blühen ,.!
V
Die Heilung
der menschlichen Leidenschaften behauptet ein Lyoner
Arzt, Namens Gallavardin, mit glänzendem und
andauerndem Erfolge unternehmen zu können.
Wir haben uns sofort nach Erscheinen dieser Mit-
theilung an den trefflichen Mann gewendet mit
der Bitte um briefliche Nathschläge, was gegen
folgende abnornr entwickelte Leidenschaften auzu-
fangen sei: 1. Gegen die überaus zärtliche Neigung
Miguels für die Agrarier, die sich in Liebesgaben ?c.
bethätige; 2. die heftige Kleptomanie der Junker,
die sich beständig am Wahlrecht, Schulzeit re. des
Volkes vergreift; 3. die ungezügelte Verleumdungs-
sucht der Reptilien; 4. die blindwüthige Groß-
mannssucht der Kolonialschwärmer und Alldeut-
schen. Dr. Gallavardin scheint sich vergebens den
Kopf zu zerbrechen, denn eine Antwort ist trotz
beigelegten Rückportos nicht eingetroffen.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz Nachf. (G. m. b. H.) in Stuttgart.
Iüustrirler Aeichslagsberichl.
Die Leutenoth.
Die Leutenoth, die Leutenoth,
verursacht Kopfweh den Geheimen Rathen.
Man hat doch Wangen frisch und roth,
Lin leichtes und gewisses Brot
Und trotzdem zieht man nach den Städten?
Sind sie besessen denn vom Bösen?
wer will uns dieses Räthsel lösen?
Dies psychologische Problem
Ist ein Bouquet der allerschwersten Fragen.
Die Leute leben so bequem,
So ländlich und so angenehm,
Sie hören früh die Wachteln schlagen;
Sie sehen aus des Gutsherrn wiesen
Die Frühlingsblümlein gratis sprießen.
Sie haben fast in jedem Fall,
(Dies widerlegen wollen wär' vergebens),
Am Hause einen Schweinestall,
Drin freut mit Formen feist und prall
Lin Schwein sich grunzend seines Lebens.
Das wird sich, wenn sie's nicht verhandeln,
In SxeÄ und Schinken einst verwandeln.
Der unzufried'ne, faule Schuft
Rann davon täglich schmausen wie ein Prasser;
Lr hat umsonst die beste Luft,
Des Düngerhaufens kräft'gen Duft
Und reines und gesundes Wasser.
Und hat er je an etwas Mangel,
So ift's der städt'sche Tingeltangel.
Daß man ihm, wenn er was versieht
Und müssig lungert, spielend einen kleinen
pikanten Jagdhieb überzieht,
was auch nicht jeden Tag geschieht,
Ist er gewöhnt von Rindesbeinen.
Ihm ist vertraut des Gutsherrn Fluchen --
was hat er in der Stadt zu suchen?
Daß er, verblendet und verdreht
Aus reinem Uebermuth mit Weib und Rindern
Im Bann der Großstadt untergeht,
Die er nicht, die nicht ihn versteht,
Das muß gesetzlich man verhindern.
Die Leutenoth wird erst verschwinden,
wenn wir sie an die Scholle binden!
Wie das Märchen von der Mauserung
entstand.
In dem Lande eines indischen Rajahs lieh
sich einmal der berühmte, riesenhafte Vogel Rockh
sehen, an Pracht seines Gefieders deni Paradies-
vogel vergleichbar, der aber bald dem fürstlichen
Hofe unheimlich wurde. Denn seine feurig rothen
Federn brannten den Leuten in die Augen und
blendeten sie so schmerzhaft, als ob sie unver-
muthet aus hem dicksten Dunkel in die blitzendste
Sonne versetzt worden wären. Und gar seine
Stimme! Sie lag ihnen wie das häßlichste Ge-
krächze in den Ohren und weissagte fortwährend
Verderben. Sie warnte sie vor den armen Parias,
der geknechteten Klasse des Landes, die in harter
Frohn ihr Leben hinschlcppcn mußte, und ricth
ihnen eindringlich, auch die Elenden an den
Schätzen der Erde theilnehmen zn lassen.
Mit der Zeit aber rührte sich doch das Ge-
wissen bei den Mächtigen des Hofes. Aengstlich
gemacht und bemüht, sich und die anderen zu;
beruhigen, schlichen einige der Weisesten an den I
Vogel heran und rupften ihni vorsichtig hier und
dort ein Federchen aus, um damit Reform-
vorschläge zu Gunsten der Parias niederzu-
schreiben. Das nannten sie Sozialpolitik. Nach
jedem derartigen Diebstahl aber frohlockten die
Weisen:
„Seht, wie er sich mausert, der fürchterliche
Rockh! Bald wird er ganz kahl sein!"
Die Acrmsten! In ihrer Täuschung bemerkten
sie nicht, daß dem Vogel für jede ausgernpftc
Feder zehn nachwuchsen und die Schwingen eine
Größe annahmen, die bald das ganze Land be-
decken sollte. m. e.
Zweierlei Saat.
Man prügelt jetzt lustig im Deutschen Reich,
CUer wird die Methode nicht preisen?
Die Neger und Sträflinge windelweich,
Die mutterlosen Waisen;
UJas noch nicht von der Kultur beleckt,
Was krankt an einem IDoraldefekt:
Uon Kamerun bis Danzig
Rieht man ihm „fünfundzwanzig“!
Doch wie ein gutes Wort, gesä’t
ln böser Menschen Herzen,
In hundertfältiger 5rud)t aufgeht
Und nicht mehr auszumerzen:
So trägt der Hass auch reichen trieb,
So werden für jeden Peitschenhieb
Den Peinigern, die sich mühen,
Einst hundert Schläge blühen ,.!
V
Die Heilung
der menschlichen Leidenschaften behauptet ein Lyoner
Arzt, Namens Gallavardin, mit glänzendem und
andauerndem Erfolge unternehmen zu können.
Wir haben uns sofort nach Erscheinen dieser Mit-
theilung an den trefflichen Mann gewendet mit
der Bitte um briefliche Nathschläge, was gegen
folgende abnornr entwickelte Leidenschaften auzu-
fangen sei: 1. Gegen die überaus zärtliche Neigung
Miguels für die Agrarier, die sich in Liebesgaben ?c.
bethätige; 2. die heftige Kleptomanie der Junker,
die sich beständig am Wahlrecht, Schulzeit re. des
Volkes vergreift; 3. die ungezügelte Verleumdungs-
sucht der Reptilien; 4. die blindwüthige Groß-
mannssucht der Kolonialschwärmer und Alldeut-
schen. Dr. Gallavardin scheint sich vergebens den
Kopf zu zerbrechen, denn eine Antwort ist trotz
beigelegten Rückportos nicht eingetroffen.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz Nachf. (G. m. b. H.) in Stuttgart.