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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung: Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0107
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3004 . -

-2- Der miibe

Qie Rosen blühn, Ser Somnrer kam,

Die Nachtigallen schlagen.

Der Reichstag, ob auch flügellahm,

Hört noch nicht auf zu tagen.

Unfähig ist er zum Beschluß,

So sehr er sich auch mühte —

Der Diener meldet mit Verdruß:

„Ls sind zu wenig Hüte!"*

Gar vieles hat der Bundesrath
Vom Reichstag zu begehren,

Graf posa manchen Wunsch noch hat,

Doch vor dem Haus, dem leeren,

Greift er zum Worte hoffnungslos

Mit traurigem Gemüthe,

wie auch der Rede Bächlein floß:

„Ls sind zu wenig Hüte!"

Verschimmelt in der Rommission
Lex Heinze liegt begraben,
wie gern an ihr die Reaktion
Sich möchte auch erlaben,
wie züchtig sie auch fort und fort
In heißer Scham erglühte —

Der Venus Feigenblatt verdorrt:

„Ls find zu wenig Hüte!"

* vor den Abstimmungen läßt der Präsident die tzüte in der Garderobe zählen.

Reichstag. °s-

Gern mit der Zuchthausvorlag' noch
Möcht' Rönig Stumm es wagen,

Lr würde ihr zum Ruhm ein Loch
In seine pauke schlagen.

Doch nützt es nichts dem guten Mann,
wie zornig er auch wüthe —

Der Reichstag nimmt sie doch nicht an:
„Ls sind zu wenig Hüte!"

Auch Ahlwardt nähme gern das Wort,
Das Iudenthnm zu bannen,

Gern zeigt' er als Gernraniens Hort
Sich den getreuen Mannen.

Vergeblich kämpft der dicke Herr
Mit saft'ger Redeblüthe,

Rein Schächtverbot erreicht er mehr:

„Ls sind zu wenig Hüte!"

Ballestrem, schließ' die Bude zu,

Mach' schnell dich auf die Socken,

Und stör' des guten Reichstags Ruh'

Nicht mehr mit deinen Glocken.

Nach Hause zieht erlöst der Schwarm,

Und seufzt: „Du meine Güte!

Ls tagten noch, daß Gott erbarm', >
Raum mehr als hundert Hüte!"

wenn einhundertachtundneunzig Hüte vorhanden sind, ist der Reichstag beschlußfähig.

Inhalt der Unterhaltung«-Beilage.

Hartleibigkeit. (Illustration.) — Die Weltpolitiker. Ge-
dicht von M. K. — Gedankenbalken. — Die kleine Holzsamm-
lerin. Illustration mit Gedicht von Robert Seidel. —
Der Freiheit Lobgesang. Gedicht von R. P. — Patriarch
Stumm. — Das moderne Haus. — Der Staatsanwalt. — Ritter
Dagobert. Eine Ballade von M. Morgan. (Jllustrirt.) —
Der „dumme August" und seine Bombe. Eine Umsturzgeschichte
in vier Bildern von R. Frank. — Agrariers Klage. Gedicht.
— Höchste Genußsucht. — Briefkasten. — Anzeigen.

Außerdem liegt dieser Nummer bei: Kunde von
Nirgendwo. 6. Bogen.

Blihdraht -Meldungen.

Berlin. Die Antisemiten haben wieder eineu geschach-
teten Knaben entdeckt. Derselbe soll im Klub der Harm-
losen so hoch gespielt haben, daß er den Halsabschneidern
verfallen mußte.

— Herr v. Frege hat sich auf dem Präsidentensessel nicht
ungefährlich verletzt. Heimtückische „Preßjünglinge" hatten
das Polster mit Stahlfedern gespickt, die in das Sitzfleisch
des Vizepräsidenten des Reichstags eindrangen. Der sonst so
„sprachlose" Mann quietschte „nunmehro".

— Der Bund der Industriellen beschloß, den 1. Mai von
jetzt ab als Unternehmer-Bußtag zu begehen. In den Kirchen
wird über den Bibeltext „Wer seine Arbeiter drückt, ist schlim-
mer denn ein reißendes Thier" gepredigt werden.

Bremen. Nachdem die Niedersachsen bei Geestemünde
Karl dem Großen, der dort s. Z. 4500 Menschen niedersäbeln
ließ, ein Denkmal setzten, will man in Bremen dem Massen-
mörder Thomas gleichfalls eine Ehrensäule stiften.

Stuttgart. Der schwäbische Stumm, Herr Kommerzien-
rath Kuhn, ist wegen Uebertretung des 8 153 der Gewerbe-
Ordnung in Anklagezustand versetzt worden. Für die in Ver-
ruf erklärten Arbeiter wird eine Staatsunterstützung in Aus-
sicht genommen.

Wiesbaden. Der Schreiner Säge wurde wegen
Majestätsbeleidigung zu sechs Monaten Festung verurtheilt,
weil er bei der Aufführung des Dramas „Eisenzahn" ge-
schnarcht hatte.

Wien. Nun ist auch der niederöslerreichische Landtag
zum Rumpfparlament geworden. Bei den sonstigen öster-
reichischen Kopflosigkeiten wird die Sache jedoch wenig
beachtet.

Aus dem Haag. Die Friedenskonferenz nahm ein-
stimmig eine Resolution an, dahingehend, daß man die heutigen
europäischen Negierungen für die stattgehabten und noch statt-
findenden Kriege nicht verantwortlich machen könne, — denn
sie hätten das Pulver ja gar nicht erfunden.

Rom. Die internationale Polizei ist dahin überein-
gekommen, daß alle/echten Bombenwerfer mit einem Attest
versehen werden sollen. Privat-Bombenmerfer verfallen der
gesetzlichen Strafe.

Friedenskonferenz-Resultate.

Von Dr. Sakrricus.

Man würde sich sehr täuschen, wenn man
glaubte, die Friedenskonferenz habe nur das
Wenige geleistet, was von ihrer Thätigkeit an die
Oeffentlichkeit gedrungen ist. Wenn so mächtige
Leute, wie der Zar von Rußland, der Kaiser von
Oesterreich, der Professor Stengel von München re.
etwas anfangen, dann führen sie es auch durch;
sie begnügen sich nicht, werthlose Resolutionen zu
fassen.

Es ist bekannt, daß von der Konferenz nur
eine einzige Großmacht, nämlich die Presse,
ausgeschlossen war. Sie konnte also über die
vollbrachten Großthaten auch nicht berichten. Nur
der „Wahre Jacob" ist dank seiner guten diplo-
matischen Beziehungen in der Lage, über die ge-
heim gehaltene Friedensthätigkeit der Konferenz
Einiges zu vcrlautbaren.

Alle Theilnehmer, vom Vertreter Bulgariens
bis herab zum Abgesandten des Fürsten von Mo-
naco, waren sich darüber klar, daß man die
schwebenden Streitfragen lösen müsse, bevor an
einen dauernden Frieden zu denken sei.

Die Lösungen wurden deshalb sofort in An-
griff genomnien. Man begann mit der orienta-
lischen Frage, die ohnedies so lange in der Speise-
kainmer Europas herumlag, daß sie bereits einen
bedenklichen Geruch verbreitete. Es war, genau
besehen, am ganzen Orient kein guter Bissen zu
finden, man machte deshalb kurzen Prozeß und
setzte den Sultan ab. Als Entschädigung wird
ihm ein Zuchthausdirektoren-Posten in Sachsen
reservirt.

Die europäische Türkei soll Oesterreich ein-
oerleibt werden, dem cs auf ein paar rabiate
Völkerschaften mehr oder weniger nicht ankommt.

Btit der orientalischen wurde auch die elsaß-
lothringische Frage gelöst. Oesterreich tritt nun-
mehr seine deutschen Provinzen an das Deutsche
Reich ab und dafür gicbt Deutschland Elsaß-

Lothringen her. Letzteres wird der Schweiz zu-
getheilt, die sich fortan mit den Liebenswürdig-
keiten der beiden Nachbarn abzufindcn hat.

Die Franzosen bekomme» das Protektorat
über Spanien, damit sie mehr Raum haben, sich
in ihrer Dreyfus-Affaire auszutobcn. Falls sie
die Schulden Portugals bezahlen wollen, können
sie das Protektorat auch auf dieses schöne Land
ausdehnen.

Die beiden größten und hungrigsten Staaten,
England und, Rußland, werden durch die Theilung
Chinas befriedigt/ was deni Chinesen eine un-
bändige Freude bereitete; er tanzte vor lauter Ver-

(Punch, London.)

gnügen mit dem englischen Löwen und dem russi-
schen Bären einen pas des trois. Diese Ab-
wechslung veranlaßte den Kongreß, dem Kaiser
von China zur Entschädigung das Fürstenthum
Monaco zu geben, dessen bisheriger Monarch einer
Besserungsanstalt überwiesen werden soll.

So sind alle wichtigen internationalen Streit-
fragen gelöst und sobald die Formalitäten der
Ausführung dieser Beschlüsse erfüllt sind, wird
die allgemeine Abrüstung beginnen. Sämmtliche
Soldaten werden in ihre Heimath entlassen, die
Offiziere bekoinmen Zivilversorgungsscheine mit
Anspruch auf Laternenanzünder-, Straßenreiniger-
oder, soiveit sie namhafte Feldherren sind, Feld-
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