Illujlrirtc
UnVrrhaLtAirgS'VeMgr
-es wahren Jacob
-Z > Das Ungeheuer mit öem doppelten Gestcht. !
Den Linen beißt sie, dem Andern leckt sie die Hand.
(Lhauvimsmus und Patriotismus.
Line Vorlesung von Tnrub.
Staatswissenschaft ist keine leichte Zache.
Das hat der alte Bluntschli schon erkannt.
's giebt da der Kragen viele spitz und kitzlig,
Auf die sogar ein Doktor beider Rechte,
Der frischgebacken wie 'ne warme Semmel
Dem Tfenloch der Staatsprüfung entstieg,
Vst die gelehrte Antwort schuldig bleibt.
Zwar meint der dumme Laie nur zu gern.
Recht sei und Unrecht grad so leicht zu scheiden
A)ie Tag und Rächt, wie Schwarz und Weiß,
wie Mann
Und Krau, wie Honigseim und Leberthran.
Ha! Leberthran! Als ob dem Lskimo
Der Leberthran nicht süß wie Honig schmeckte!
wie sagt das Volk doch ? „wat den'n Len sin Uhl,
Dat is den'n Annern sine Aachtigal."
Drum gilt es auch, im Völkerweltverkehr
Die Worte klüglich wählen, die Bedeutung
Des Nenschenlauts in jedem einz'len Kalle
Sich klar zu machen und sich stets zu fragen
Wer denn der Sprecher sei, wer angesprochen.
Denn der Juristen alte Bibel schon.
Die die Begriffe flink wie Scheiter spaltet.
Sagt Jedermann zur Warnung schön und wahr:
„Thun zwei dasselbe, ist es nicht dasselbe!"
So giebt's, um kurz zu sein, in deutscher Sprache '
Zwei Wörter, die man nur zu oft verwechselt.
Weil beide sie in wenig schlichten Lauten
Den wundersamen Seelenzustand malen.
Der zu gewissen Zeiten alle Völker
Bald heftig wie ein Kieberschauer schüttelt,
Bald leise kitzelt, wie ein leichter Kriesel,
Lin Jucken auf der Haut, das bald vergeht, j
Ist's aber drum erlaubt, die Kinderkrankheit I
Der europäischen Menschheit nach Belieben
Bald so, bald so zu nennen, kunterbunt
von Th auv inis mus und vonP atriotismus
Zu reden, wie's dem Sprecher grade paßt?
Rein! „Mat den'n Len sin Uhl, dat is den'n
Annern
Sin Aachtigal." Dem Volk der Dichter und
Der Denker steht es schlecht, so plump und täppisch
Der Diplomaten zartes Spinngewebe,
Das bunt in Regenbogenfarben schillert,
Mit rohen Worten zu zerreißen. Ihm
Geziemt es, stets, bevor den Mund er aufthut.
Zu fragen, wo und was und wo und wie.
Gerade Heuer, wo im schönen Haag
Luropens Kriedenstauben faßen, um
Den Krieg, den Massenmörder, todt zu picken,
Soll jeder deutsche Mann der beiden Worte
Gebrauch und Sinn und wechselnde Bedeutung
Mit Kleiß studiren, daß das große Werk
Des Zaren und der ihm verbündeten
Lrlauchte» Herrscher Chat und Wahrheit werden.
Drum merket auf und lauschet meinem Wort!
„Wat den'n sin Uhl, is den'n sin Aachtigal."
Wenn der Kranzose Llsaß-Lothringen,
Das anno siebzig „unser Schwert erbeutet".
Zurückverlangt, so ist das Chauvinismus
Und Hochverrath am deutschen Vaterlande.
Und wenn in Posen Liner, dessen Vater
Mit Kosciuszkö für die Kreiheit stritt.
Die Kinder in den heißgeliebten Lauten
Der Muttersprache beten lehrt, so ist
Das frevler Chauvinismus, der von Rechts
Und Gottes wegen muß verboten werden.
Und wenn in Klensburg oder Apenrade
Lin Bauer sich von einer Dänin läßt
Die Stube scheuern und die Kühe melken.
So schickt ihm Herr von Köller den Gendarm,
Das fremde Weibsbild aus dem Land zu schaffen.
Auf daß der Herrschaft böser Chauvinismus
Werd' heimgesucht an Knecht und Magd und Vieh.
Denn jeder Chauvinismus ist vom Uebel.
Wie? Tder sollt' ein guter Deutscher nicht
Die Käuste ballen, mit den Zähnen knirschen
Und mit den Küßen stampfen, wenn der Zankee,
von Größenwahn befallen, Cuba sammt
Manila in die Hosentasche steckt?
Und kann er's ruhig ansehn, wenn sich Rußland
Mit Lngland beutefroh in China theilt?
Rein! Solchem frevlen Chauvinismus wirft er
Den patriotischen Handschuh ins Gesicht,
Ruft alle Mann an Deck und macht die Kreuzfahrt
Ins gelbe Meer und pachtet Kiautschau!
Das nennt man, wohlverstanden! Patriotismus;
Das ist ein heilig Werk, ganz angethan,
vor Gott und Menschen angenehm zu machen.
Doch wenn der Tschech' in Pragas hetl'gerStadt,
Im Angesicht des altehrwürdigen Hradfchin,
Die freche Kord'rung stellt, daß ihn der Richter
Auf Böhmisch schuldig spreche oder frei.
So ist das wieder frevler Chauvinismus,
Der jeden Deutschen zwischen Llb' und Rhein
Aufschreien läßt vor Zorn und Scham und Wuth.
Rur eines ist noch schlimmer: wenn die Polen
Im eignen Land, die Dänen und die Welfen
Wie Mäuse nagen an den Kundamenten
Des neugeschaff'nen Reichs! Wo wäre wohl
Der Deutsche, der bei solchem Hochverrath
Nicht racheschnaubend nach dem Schwerte griffe?
Gewiß, in Vesterreich, da giebt es auch
Der Leute viel, die immerdar verstohlen
Ueber die Grenze schielen und den Tag
Herbei sich sehnen, da das Nachbarreich
Den Deutschen, die heut Unterthanen Habsburgs,
Die schwarzweiß angestrichnen Arme öffnet —
Doch merket euch: die also denken, sind
Nicht Chauvinisten und nicht Hochverräther;
Das sind nur gute Patrioten; denn
„Wat den'n sin Uhl, is den'n sin Aachtigal!"
Beilage zum „Wahren Jacob" Nr. 338 u, 1899.
UnVrrhaLtAirgS'VeMgr
-es wahren Jacob
-Z > Das Ungeheuer mit öem doppelten Gestcht. !
Den Linen beißt sie, dem Andern leckt sie die Hand.
(Lhauvimsmus und Patriotismus.
Line Vorlesung von Tnrub.
Staatswissenschaft ist keine leichte Zache.
Das hat der alte Bluntschli schon erkannt.
's giebt da der Kragen viele spitz und kitzlig,
Auf die sogar ein Doktor beider Rechte,
Der frischgebacken wie 'ne warme Semmel
Dem Tfenloch der Staatsprüfung entstieg,
Vst die gelehrte Antwort schuldig bleibt.
Zwar meint der dumme Laie nur zu gern.
Recht sei und Unrecht grad so leicht zu scheiden
A)ie Tag und Rächt, wie Schwarz und Weiß,
wie Mann
Und Krau, wie Honigseim und Leberthran.
Ha! Leberthran! Als ob dem Lskimo
Der Leberthran nicht süß wie Honig schmeckte!
wie sagt das Volk doch ? „wat den'n Len sin Uhl,
Dat is den'n Annern sine Aachtigal."
Drum gilt es auch, im Völkerweltverkehr
Die Worte klüglich wählen, die Bedeutung
Des Nenschenlauts in jedem einz'len Kalle
Sich klar zu machen und sich stets zu fragen
Wer denn der Sprecher sei, wer angesprochen.
Denn der Juristen alte Bibel schon.
Die die Begriffe flink wie Scheiter spaltet.
Sagt Jedermann zur Warnung schön und wahr:
„Thun zwei dasselbe, ist es nicht dasselbe!"
So giebt's, um kurz zu sein, in deutscher Sprache '
Zwei Wörter, die man nur zu oft verwechselt.
Weil beide sie in wenig schlichten Lauten
Den wundersamen Seelenzustand malen.
Der zu gewissen Zeiten alle Völker
Bald heftig wie ein Kieberschauer schüttelt,
Bald leise kitzelt, wie ein leichter Kriesel,
Lin Jucken auf der Haut, das bald vergeht, j
Ist's aber drum erlaubt, die Kinderkrankheit I
Der europäischen Menschheit nach Belieben
Bald so, bald so zu nennen, kunterbunt
von Th auv inis mus und vonP atriotismus
Zu reden, wie's dem Sprecher grade paßt?
Rein! „Mat den'n Len sin Uhl, dat is den'n
Annern
Sin Aachtigal." Dem Volk der Dichter und
Der Denker steht es schlecht, so plump und täppisch
Der Diplomaten zartes Spinngewebe,
Das bunt in Regenbogenfarben schillert,
Mit rohen Worten zu zerreißen. Ihm
Geziemt es, stets, bevor den Mund er aufthut.
Zu fragen, wo und was und wo und wie.
Gerade Heuer, wo im schönen Haag
Luropens Kriedenstauben faßen, um
Den Krieg, den Massenmörder, todt zu picken,
Soll jeder deutsche Mann der beiden Worte
Gebrauch und Sinn und wechselnde Bedeutung
Mit Kleiß studiren, daß das große Werk
Des Zaren und der ihm verbündeten
Lrlauchte» Herrscher Chat und Wahrheit werden.
Drum merket auf und lauschet meinem Wort!
„Wat den'n sin Uhl, is den'n sin Aachtigal."
Wenn der Kranzose Llsaß-Lothringen,
Das anno siebzig „unser Schwert erbeutet".
Zurückverlangt, so ist das Chauvinismus
Und Hochverrath am deutschen Vaterlande.
Und wenn in Posen Liner, dessen Vater
Mit Kosciuszkö für die Kreiheit stritt.
Die Kinder in den heißgeliebten Lauten
Der Muttersprache beten lehrt, so ist
Das frevler Chauvinismus, der von Rechts
Und Gottes wegen muß verboten werden.
Und wenn in Klensburg oder Apenrade
Lin Bauer sich von einer Dänin läßt
Die Stube scheuern und die Kühe melken.
So schickt ihm Herr von Köller den Gendarm,
Das fremde Weibsbild aus dem Land zu schaffen.
Auf daß der Herrschaft böser Chauvinismus
Werd' heimgesucht an Knecht und Magd und Vieh.
Denn jeder Chauvinismus ist vom Uebel.
Wie? Tder sollt' ein guter Deutscher nicht
Die Käuste ballen, mit den Zähnen knirschen
Und mit den Küßen stampfen, wenn der Zankee,
von Größenwahn befallen, Cuba sammt
Manila in die Hosentasche steckt?
Und kann er's ruhig ansehn, wenn sich Rußland
Mit Lngland beutefroh in China theilt?
Rein! Solchem frevlen Chauvinismus wirft er
Den patriotischen Handschuh ins Gesicht,
Ruft alle Mann an Deck und macht die Kreuzfahrt
Ins gelbe Meer und pachtet Kiautschau!
Das nennt man, wohlverstanden! Patriotismus;
Das ist ein heilig Werk, ganz angethan,
vor Gott und Menschen angenehm zu machen.
Doch wenn der Tschech' in Pragas hetl'gerStadt,
Im Angesicht des altehrwürdigen Hradfchin,
Die freche Kord'rung stellt, daß ihn der Richter
Auf Böhmisch schuldig spreche oder frei.
So ist das wieder frevler Chauvinismus,
Der jeden Deutschen zwischen Llb' und Rhein
Aufschreien läßt vor Zorn und Scham und Wuth.
Rur eines ist noch schlimmer: wenn die Polen
Im eignen Land, die Dänen und die Welfen
Wie Mäuse nagen an den Kundamenten
Des neugeschaff'nen Reichs! Wo wäre wohl
Der Deutsche, der bei solchem Hochverrath
Nicht racheschnaubend nach dem Schwerte griffe?
Gewiß, in Vesterreich, da giebt es auch
Der Leute viel, die immerdar verstohlen
Ueber die Grenze schielen und den Tag
Herbei sich sehnen, da das Nachbarreich
Den Deutschen, die heut Unterthanen Habsburgs,
Die schwarzweiß angestrichnen Arme öffnet —
Doch merket euch: die also denken, sind
Nicht Chauvinisten und nicht Hochverräther;
Das sind nur gute Patrioten; denn
„Wat den'n sin Uhl, is den'n sin Aachtigal!"
Beilage zum „Wahren Jacob" Nr. 338 u, 1899.