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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung: Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0130
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Schleswig-Holstein.

Bon Frsn; Metzring.

(Line cigenthümliche und verhängnißvolle Nolle
spielte in der deutschen Revolutionszeit die schleswig-
holsteinische Frage, die im Sonimer 1849 an einen
entscheidenden Wendepunkt gelangte.

Holstein war ein deutsches Land und gehörte
zum deutschen Bunde; Schleswig stand außerhalb
dieses Bundes und war wenigstens in seinen
nördlichen Bezirken überwiegend dänisch. Beide
Herzogthümer verband seit manchem Jahrhundert
die Gemeinsamkeit des Herrscherhauses mit dem nur
um Weniges größeren und volkreicheren König-
reiche Dänemark, so jedoch, das; in Dänemark
auch der Weiber-, in Schleswig-Holstein nur der
Manncsstamm erben durfte. Unter sich waren
die beiden Herzogthümer durch eine strenge Real-
union verknüpft, die in dem ewich tosamende
ungedeelt, auf ewig ungetheilt, ihren klassischen
Ausdruck fand. In dieser Untrennbarkeit, in der
staatlichen Selbständigkeit und in dem Rechte der
männlichen Erbfolge gipfelte das schleswig-hol-
steinische Staatsrecht.

Nach mehr als dreihundcrtjährigem Bestehen
wurde es von zwei Seiten her angefochten, durch
die ökonomischen Umwälzungen dieses Jahr-
hunderts, die den nationalen Gegensätzen eine so
cigenthümliche Schärfe verliehen. Es hatte eine
lange Zeit gegeben, wo der deutsche Geist in
Kopenhagen übcrwog, die deutsche Sprache die
amtliche Sprache des dänischen Königreichs war,
schleswig-holsteinische Edclleute den maßgebenden
Einfluß in den dänischen Kanzleien besaßen. Das
änderte sich, seitdem der Wiener Kongreß Nor-
wegen von Dänemark getrennt hatte und dies
kleine Königreich im Ringen um seine nationale
Existenz die Herzogthümer zu danisiren unter-
nahm. Es geschah mit den unbedenklichsten Mit-
teln, und in erster Reihe zu dem Zwecke, das
Herzogthum Schleswig dein dänischen Königreiche
einzuverleiben. Einen starken Antrieb erhielt diese
Politik noch dadurch, daß der Mannesstamm des
dänischen Königshauses vorm Aussterben stand
und der Anheiinfall der Herzogthümer an die, in
diesem Fall erbberechtigten, Augustenburgcr in
absehbarer Zeit erwartet werden mußte.

Auf der anderen Seite erkannte das ökonomisch
aufblühende Deutschland, namentlich seit der
Gründung des Zollvereins, welche Bedeutung die
schleswig-holsteinische, zwischen zwei Meeren hin-
gestreckte Halbinsel für seinen Handels- und See-
verkehr hatte. So fand der wachsende Widerstand
der Herzogthümer gegen die dänische Propaganda
in Deutschland selbst einen lauten Wiederhall;
seit dem Jahre 1844 wurde das Lied von Chemnitz:
„Schleswig-Holstein, meerumschlunge», Deutscher
Sitte hohe Wacht", eine Art deutscher National-
hymne. Und als im Jahre 1846 der dänische
König Christian VIII. einen entscheidenden Ge-
waltschritt vorbereitete, durch den Offenen Brief,
worin er das Herzogthum Schleswig und selbst
einen Theil des Herzogthums Holstein als inte-
grirende Theile des dänischen Gcsammtstaats an-
sprach, ermannte sich sogar der deutsche Bundes-

tag zu einer Art von That; statt sich unzuständig
zu erklären, wie es sonst seine Gewohnheit war,
wenn es den Schutz deutscher Volkstheile vor
fürstlichen Gewaltthaten galt, sprach er die „ver-
trauensvolle Erwartung" aus, daß der dänische
König die Rechte des Bundes, der Agnaten und
der'holsteinischen Landstände achten werde.

Jedoch fiel der Kampf der Herzogthümer gegen
Dänemark nicht unmittelbar mit dem Kampfe der
bürgerlichen Opposition in Deutschland zusammen.
Vielmehr >var es in Dänemark gerade die bürger-
liche Opposition, die nach der Danisirung des
Herzogthums Schleswig, nach der möglichsten
Ausdehnung des dänischen Wirtschaftsgebiets
lechzte und sie durch eine bürgerlich-moderne Ver-
fassung befestigt wissen wollte, während der Kanipf
der Herzogthümer für ihr altes Recht zum guten
Theil auch ein Kampf für feudale Privilegien war.
Die mittelalterliche Verfassung der Herzogthümer
begünstigte den Adel in der ausschweifendsten
Weise; sie schloß ein Drittel des Landes, darunter
Städte wie Altona und Glückstadt, von der
ständischen Vertretung aus; die vielgerühmte
Selbstverwaltung mit ihrem mittelalterlichen
Durcheinander von Hardesvögten, Klostervögten,
Baueroögten, von bevorrechteten Städten, Amts-
bezirken, klösterlichen Distrikten, adeligen Güter-
distrikten und oktroyirten Kögen glich viel mehr
dem mecklenburgischen, als dem englischen Muster.
Die herrschende Klasse des Landes war ein Adel,
der in wesentlich noch feudalen Vorstellungen
lebte und auf die bäuerliche Bevölkerung einen
altererbten Einflliß besaß; neben ihm stand ein
erst schwach entwickeltes Bürgerthum, dessen Für-
sprecher nicht selbstbewußte Fabrik- und Handels-
magnaten, sondern Advokaten und besonders die
Professoren der Kieler Universität waren; an einer
volksthümlich-deuwkratischen Richtung fehlte es
nicht ganz, aber sic war noch sehr schwach. Die
Augustenburger hatten geringen Anhang im Lande;
der Herzog selbst war ein harter und verhaßter
Grundherr, sein Bruder, der Prinz von Roer,
ein großsprecherischer aber unfähiger Militär; für
sie gab es auf der weiten Welt nur die vorsint-
fluthlichen Schaffelle, worauf ihr legitimes Erb-
folgerecht geschrieben stand.

So war der Adel als herrschende Klasse fast
ganz unbeschränkt; seine Klasseninteressen geboten
ihm zwar die Aufrechterhaltung der alten Landes-
verfassung, aber eben nur weil und soweit sie
seinen Klasseniutercssen entsprach; die nationale
und nun gar die liberale Seite des dänisch-
deutschen Streites war ihm frenid. Er gefiel sich
vielmehr in der Vorstellung, daß der dänische
König von den Eidcrdänen, der liberalen und
nationalen Partei in Dänemark, die ein Däne-
mark bis zur Eider verlangte, wider seinen Willen
vergewaltigt wurde und nahm zum eigenen Kampf-
gcschrei die Parole: Für den freien König-Herzog
gegen den unfreien König-Herzog! Eine juristische
Fiktion, die um feudaler Privilegien willen den
Kampf der Herzogthümer gegen Dänemark ver-
fahren mußte und auch wirklich verfuhr.

In dieser Lage der Dinge starb der König
Christian am 20. Januar 1848, und ihm folgte
Friedrich VII., der letzte kinderlose Sproß des

Mannesstammes. Nach dem Rathe seines ster-
benden Vaters begann er damit, eine Gesammt-
staatsverfassung vorznbereiten, die unter schwäch-
lichen liberalen Anläufen auf die Einverleibung
der Herzogthümer in Dänemark abzielte. Jedoch
befand sich diese Machenschaft noch in ihren An-
fängen, als die Pariser Februarrevolution aus-
brach und eine stürmische Volksbeivegung in
Kopenhagen die ciderdänische Partei ans Ruder
brachte, die sofort mit kräftigem Ungestüm an die
praktische Ausführung ihres Programms ging:
Dänemark bis zur Eider!

* *

Nunmehr vollzog sich augenblicklich der Ab-
fall Schleswig-Holsteins, einschließlich des etwa
7000 Mann starken Heeres. Am 24. März kon-
stituirte sich in Kiel eine provisorische Regierung,
deren leitende Köpfe der Prinz von Roer und
der Graf Reventlow-Preetz waren; neben ihnen
vertrat der Advokat Beseler jenen kümmerlichen
Liberalismus, der in der bürgerlichen Revolution
nichts Besseres zu thun weiß, als den absolutistisch-
feudalen „Rechtsboden" zu „wahren". Immerhin
war die Bolksnrasse peinlich überrascht durch die
Zusammensetzung der neuen Regierung, und um
den allgemeinen Unwillen zu beschwichtigen, wurden
noch zwei bürgerliche Mitglieder, ja einige Tage
darauf als sechstes Mitglied der Demokrat Ols-
hauscn ausgenommen, aber inzwischen hatten der
Prinz von Roer, Reventlow und Beseler den
Kurs schon fcstgclegt.

Sie erließen am 24. März eine überaus
schivachherzige Proklamation, und statt die Kräfte
des Landes zu entfesseln, die sich ganz wohl
mit der dänischen Macht hätten messen können,
wandten sie sich um Hilfe an den deutschen
Bundestag und die preußische Regierung, von
denen freilich keine Gefährdung feudaler Privi-
legien zu befürchten war.

Beide sagten denn auch ihre Hilfe zu, unter
Beschränkung auf die drei Kardinalpunkte des
schleswig-holsteinischen Staatsrechts: die Selb-
ständigkeit, die Untrennbarkeit und die agnatische
Erbfolge der Herzogthünier. Der preußische König
hatte in diesein Sinne bereits am 24. März an
den Herzog von Augustenburg geschrieben, in
„Wahrung der deutschen Sache", die er eben auf
seinem komödiantenhaften Umritt in den Berliner
Straßen als seinen Beruf verkündet hatte; sich
und sein „herrliches Kriegsheer" auf einem mili-
tärischen Spaziergang gegen das schwache Däne-
mark von der schweren Schlappe des 18. März
zu erholen, war wohl sein erster Antrieb. Zehn
Tage darauf war er dank der bürgerlichen Feig-
heit freilich schon wieder üppig genug, dem däni-
schen Kabinet einen anderen Grund seines Ein-
schreitens anzugeben. Sein geheimer Abgesandter,
der Major v. Wildcnbruch, erklärte dem dänischen
Minister des Ausivärtigen mündlich und schrift-
lich: „Preußen wünscht vor allen Dingen die
Herzogthünier Schleswig-Holstein ihrem König-
Herzog zu erhalten, und ist gleich weit davon ent-
fernt, seinem eigenen Interesse oder den: Ehrgeiz
dritter Personen dienen zu wollen. Im Interesse
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