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Sarnstags-Jö^ll.
von Arno ^olz.
Äs war ein Tag, wie's ihrer viele gießt.
Wenn halb der Sommer in den Herbst zerstiebt;
Verstummt schon schien der Vögel buntes Völkchen
Und grau am Himmel standen kleine Wölkchen.
Nur ab und zu schwamm's fernher durch die Luft
Noch weich wie ein verirrter Rosenduft, ;
Und wie ein Lenzlockruf, nur herbstlich stiller,
Klang hie und da ein später Vogeltriller.
Auf lauen Windes Flügeln kam's und schwand
Und reichte wiederkehrend sich die Hand,
Wie wenn zwei Herzen durch ein letztes
Grüßen
Sich noch des Scheidens bittres Weh
versüßen.
Doch also war's nur draußen fern im
Hag.
Durch die Fabrikstadt schlich der Werkcl-
tag,
Das schwarzberußte Schurzfell um die
Lenden,
War er bemüht, die Woche zu beenden;
Er ließ das Eisen wie ein Licht erglühn,
Und mehr als hundert Essen Funken
sprühn
Und, unbekümmert um den eignen
Jammer,
Schwang erden zentnerschwerenSchmiede-
hammer.
Hier war's ein Eisenwagen, dort ein
Schiff,
Der Schornstein rauchte und der Dampf-
hahn pfiff.
Die Räder rollten ewig um die Kreise
Und alles drehte sich im alten Gleise.
Nur Du und ich, wir beide waren frei
Und wußten nichts von Werktags-
sklaverei;
Wir jauchzten auf, die Noch in uns
begrabend,
Und machten schon Nachmittags Feier-
abend.
Denn hatte jeder nicht mit Lust und
Kraft
Die Woche über pflichtgetreu geschafft?
Die Nähmaschine hattest Du getrieben
Und ich gedacht, gedichtet und geschrieben.
Doch nun war ich des „trocknen Tones
satt"
Und schrieb energisch: „Punkt" aufs
letzte Blatt
Und stieg dairn flink, mir selber zur
Belohnung,
In Deine zierliche Mansardenwohnung.
Ich klopfte an — ein neckisches: Herein!
Und durch das Fenster brach der Sonnenschein;
Ein Lichtmeer war's, drin Welle schwamm auf Welle,
Ich aber stand geblendet auf der Schwelle.
O immer, trat ich in Dein trautes Heim,
Schrieb's mir ins Herz sich wie ein neuer Reim;
Doch war's mit seinen farbigen Gardinen
So hell und freundlich mir noch nie erschienen.
Zum Schmaus gedeckt war schon Dein kleiner
Tisch,
Grau hinterm Spiegel stak ein Flederwisch,
Doch unbekümmert um die neuste Mode
Stand dicht dabei die ältliche Kommode
Und unter einem Kreuz von Elfenbein
Das Bild von Deinem todten Müttcrlein.
Wie tief int Traum sah lächelnd es hernieder
Auf ein zerles'ncs Buch: „Das Buch der Lieder"!
Vom Blumenbrett, das sich ums Fenster bog,
Um alles das ein süßes Duften flog.
Und dort ja hingen auch die beiden Schilder,
Verzeih'! ich meine Deine Landschaftsbilder!
Denn Du hast recht: die reine Phantasie
Und farbenschillernd wie ein Kolibri!
Rechts hing der Watzniann, links der Gamsgar-
kogel
Und zwischen beiden ein Kanarienvogel.
.F'
■i'pi
Feierabend.
Du selber aber, häubchenüberdeckt,
Ein weißes Schürzchen vor die Brust gesteckt.
Du schobst nun grad' mit hausfraulicher Miene
Den Spiritus in Deine Kochmaschine.
Ein ktirzer Aufblick dann, ein, leiser Schrei,
Und eins und eins, wie immer, waren zwei!
Drauf, wie ich mich schon oft ließ unterjochen,
Sollt' ich auch heute mit Dir Kaffee kochen.
Ich lärmte! doch was half mir mein Protest?
Ein kußersticktes Lachen war der Rest!
Und als ein vielgewandter junger Dichter
Hielt ich galant Dir nun den Kaffeetrichter.
Natürlich ging das „noch einmal so gut",
— Sieh' hier das Lied: „Was man aus Liebe
thutl"
Wir schmeckten, wechselnd prüfend, mit den Zungen
Und endlich war der große Wurf gelungen.
Zwar war das Tischzeug nur von grobem Zwilch,
Doch fehlte weder Zucker drauf noch Milch
Und dampfend füllten nun die braunen Massen
Die goldumränderten Geburtstagstassen.
Des Tränklcins Wirkung aber kommt und geht,
Bis sich das Zünglein wie ein Mühlrad dreht:
Was Stift und Tinte, Häkelzcug und Maschen!
Wir waren heut' zwei rechte Plaudertaschen!
Du schwärmtest von dem neusten Ausverkauf,
Ich aber schlug ein kleines Büchlein auf
Und las Dir Lieder vor von Lingg und Keller
Und übersah auch nicht den Kuchen-
teller.
So saßen wir, zwei große Kinder,
da.
Bis roth der Abend durch die Scheiben
sah
Und tappten dann hinab die dunklen
Stiegen,
Um noch ein Sfündlein vor das Thor
zu fliegen.
Dort, wo das Wasser sich am Stadt-
wall bricht,
Lag bunt der Park im letzten Abend-
licht,
Und ließ die Wipfel sich in Purpur
tränken
Und Kinder spielten auf den Rasen-
bänken.
Vom nahen Thorthurm kam das Spät-
geläut',
Mir schien's, es klang noch nie so schön
wie heul';
Wir lugten lauschend durch die Laub-
verhängc
Und schritten flüsternd durch die Buchen-
gänge!
Zu Füßen knirschte uns der gelbe
Kies
Und alles schien uns wie im Pa-
radies;
Doch als die Glocken dann gemach ver-
klangen,
Kam leisen Schritts die Dämmerung
angegangen.
Da hieltst Du still und hauchtest mir
ins Ohr:
„O, weißt Du noch, dort drüben vor-
dem Thor?"
Ob ich es weiß! Wie Lenz will's mich
umwehen;
Dort war's ja, wo wir uns zuerst ge-
sehen!
Und hier, wo waldversteckt das Wasser rauscht,
Hier haben wir den ersten Kuß getauscht!
O Maitag, Sonnenschein und Blüthenregnen,
Noch heut' muß ich euch tausendfältig segnen!
Es war doch eine schöne, schöne Zeit,
Und denk' ich dran, so wird das Herz mir weit!
Doch still! Was braucht's schon der Erinnerung?
Wir sind ja beide noch so jung, so jung!
Es lacht das Glück aus Deinem rothen Munde:
„Uns winkt ja noch so manche goldne Stunde!"
„Gewiß!" fielst Du hier lächelnd ein, „und
wie?
Zum Beispiel morgen eine Landpartie!
Erinnerst Du Dich noch, wie Du vor Wochen
Mir einen Ausflug ins Gebirg versprochen?
Mein Onkel dort, der Wirth zum weißen Schwan,
Wohnt ja ganz nahe an der Eisenbahn!
Ich weiß, er freut sich, wenn wir ihn besuchen,
Und Tantchen gar backt einen Extrakuchen!
Sarnstags-Jö^ll.
von Arno ^olz.
Äs war ein Tag, wie's ihrer viele gießt.
Wenn halb der Sommer in den Herbst zerstiebt;
Verstummt schon schien der Vögel buntes Völkchen
Und grau am Himmel standen kleine Wölkchen.
Nur ab und zu schwamm's fernher durch die Luft
Noch weich wie ein verirrter Rosenduft, ;
Und wie ein Lenzlockruf, nur herbstlich stiller,
Klang hie und da ein später Vogeltriller.
Auf lauen Windes Flügeln kam's und schwand
Und reichte wiederkehrend sich die Hand,
Wie wenn zwei Herzen durch ein letztes
Grüßen
Sich noch des Scheidens bittres Weh
versüßen.
Doch also war's nur draußen fern im
Hag.
Durch die Fabrikstadt schlich der Werkcl-
tag,
Das schwarzberußte Schurzfell um die
Lenden,
War er bemüht, die Woche zu beenden;
Er ließ das Eisen wie ein Licht erglühn,
Und mehr als hundert Essen Funken
sprühn
Und, unbekümmert um den eignen
Jammer,
Schwang erden zentnerschwerenSchmiede-
hammer.
Hier war's ein Eisenwagen, dort ein
Schiff,
Der Schornstein rauchte und der Dampf-
hahn pfiff.
Die Räder rollten ewig um die Kreise
Und alles drehte sich im alten Gleise.
Nur Du und ich, wir beide waren frei
Und wußten nichts von Werktags-
sklaverei;
Wir jauchzten auf, die Noch in uns
begrabend,
Und machten schon Nachmittags Feier-
abend.
Denn hatte jeder nicht mit Lust und
Kraft
Die Woche über pflichtgetreu geschafft?
Die Nähmaschine hattest Du getrieben
Und ich gedacht, gedichtet und geschrieben.
Doch nun war ich des „trocknen Tones
satt"
Und schrieb energisch: „Punkt" aufs
letzte Blatt
Und stieg dairn flink, mir selber zur
Belohnung,
In Deine zierliche Mansardenwohnung.
Ich klopfte an — ein neckisches: Herein!
Und durch das Fenster brach der Sonnenschein;
Ein Lichtmeer war's, drin Welle schwamm auf Welle,
Ich aber stand geblendet auf der Schwelle.
O immer, trat ich in Dein trautes Heim,
Schrieb's mir ins Herz sich wie ein neuer Reim;
Doch war's mit seinen farbigen Gardinen
So hell und freundlich mir noch nie erschienen.
Zum Schmaus gedeckt war schon Dein kleiner
Tisch,
Grau hinterm Spiegel stak ein Flederwisch,
Doch unbekümmert um die neuste Mode
Stand dicht dabei die ältliche Kommode
Und unter einem Kreuz von Elfenbein
Das Bild von Deinem todten Müttcrlein.
Wie tief int Traum sah lächelnd es hernieder
Auf ein zerles'ncs Buch: „Das Buch der Lieder"!
Vom Blumenbrett, das sich ums Fenster bog,
Um alles das ein süßes Duften flog.
Und dort ja hingen auch die beiden Schilder,
Verzeih'! ich meine Deine Landschaftsbilder!
Denn Du hast recht: die reine Phantasie
Und farbenschillernd wie ein Kolibri!
Rechts hing der Watzniann, links der Gamsgar-
kogel
Und zwischen beiden ein Kanarienvogel.
.F'
■i'pi
Feierabend.
Du selber aber, häubchenüberdeckt,
Ein weißes Schürzchen vor die Brust gesteckt.
Du schobst nun grad' mit hausfraulicher Miene
Den Spiritus in Deine Kochmaschine.
Ein ktirzer Aufblick dann, ein, leiser Schrei,
Und eins und eins, wie immer, waren zwei!
Drauf, wie ich mich schon oft ließ unterjochen,
Sollt' ich auch heute mit Dir Kaffee kochen.
Ich lärmte! doch was half mir mein Protest?
Ein kußersticktes Lachen war der Rest!
Und als ein vielgewandter junger Dichter
Hielt ich galant Dir nun den Kaffeetrichter.
Natürlich ging das „noch einmal so gut",
— Sieh' hier das Lied: „Was man aus Liebe
thutl"
Wir schmeckten, wechselnd prüfend, mit den Zungen
Und endlich war der große Wurf gelungen.
Zwar war das Tischzeug nur von grobem Zwilch,
Doch fehlte weder Zucker drauf noch Milch
Und dampfend füllten nun die braunen Massen
Die goldumränderten Geburtstagstassen.
Des Tränklcins Wirkung aber kommt und geht,
Bis sich das Zünglein wie ein Mühlrad dreht:
Was Stift und Tinte, Häkelzcug und Maschen!
Wir waren heut' zwei rechte Plaudertaschen!
Du schwärmtest von dem neusten Ausverkauf,
Ich aber schlug ein kleines Büchlein auf
Und las Dir Lieder vor von Lingg und Keller
Und übersah auch nicht den Kuchen-
teller.
So saßen wir, zwei große Kinder,
da.
Bis roth der Abend durch die Scheiben
sah
Und tappten dann hinab die dunklen
Stiegen,
Um noch ein Sfündlein vor das Thor
zu fliegen.
Dort, wo das Wasser sich am Stadt-
wall bricht,
Lag bunt der Park im letzten Abend-
licht,
Und ließ die Wipfel sich in Purpur
tränken
Und Kinder spielten auf den Rasen-
bänken.
Vom nahen Thorthurm kam das Spät-
geläut',
Mir schien's, es klang noch nie so schön
wie heul';
Wir lugten lauschend durch die Laub-
verhängc
Und schritten flüsternd durch die Buchen-
gänge!
Zu Füßen knirschte uns der gelbe
Kies
Und alles schien uns wie im Pa-
radies;
Doch als die Glocken dann gemach ver-
klangen,
Kam leisen Schritts die Dämmerung
angegangen.
Da hieltst Du still und hauchtest mir
ins Ohr:
„O, weißt Du noch, dort drüben vor-
dem Thor?"
Ob ich es weiß! Wie Lenz will's mich
umwehen;
Dort war's ja, wo wir uns zuerst ge-
sehen!
Und hier, wo waldversteckt das Wasser rauscht,
Hier haben wir den ersten Kuß getauscht!
O Maitag, Sonnenschein und Blüthenregnen,
Noch heut' muß ich euch tausendfältig segnen!
Es war doch eine schöne, schöne Zeit,
Und denk' ich dran, so wird das Herz mir weit!
Doch still! Was braucht's schon der Erinnerung?
Wir sind ja beide noch so jung, so jung!
Es lacht das Glück aus Deinem rothen Munde:
„Uns winkt ja noch so manche goldne Stunde!"
„Gewiß!" fielst Du hier lächelnd ein, „und
wie?
Zum Beispiel morgen eine Landpartie!
Erinnerst Du Dich noch, wie Du vor Wochen
Mir einen Ausflug ins Gebirg versprochen?
Mein Onkel dort, der Wirth zum weißen Schwan,
Wohnt ja ganz nahe an der Eisenbahn!
Ich weiß, er freut sich, wenn wir ihn besuchen,
Und Tantchen gar backt einen Extrakuchen!